Entscheidungsstichwort (Thema)

Höhe der Vergütung medizinischer Sachverständigengutachten

 

Orientierungssatz

1. Bei einem Antrag auf gerichtliche Festsetzung der einem Sachverständigen zu erstattenden Kosten sind alle für die Bemessung der Vergütung maßgeblichen Umstände zu überprüfen, und zwar unabhängig davon ob sie angegriffen wurden. Das Verschlechterungsverbot gilt bei der erstmaligen richterlichen Festsetzung nicht.

2. Bei der Vergütung des Zeitaufwandes kommt es darauf an, welcher Zeitaufwand eines Sachverständigen mit durchschnittlicher Befähigung und Erfahrung bei sachgemäßer Auftragserledigung mit durchschnittlicher Arbeitsintensität erforderlich ist. Werden die üblichen Erfahrungswerte um mehr als 15 % überschritten oder bietet die Kostenrechnung keinen Anhalt für einen realistischen Ansatz, so ist eine Plausibilitätsprüfung anhand der Kostenberechnung und der Angaben des Sachverständigen durchzuführen.

3. Für das Aktenstudium und vorbereitende Maßnahmen benötigt ein Sachverständiger einen Zeitaufwand von etwa einer Stunde für etwa 80 Blatt mit ca. 1/4 medizinischem Inhalt.

4. Ein allgemeines Literaturstudium wird nicht vergütet. Von einem medizinischen Sachverständigen wird erwartet, dass er sich durch Einsicht in die einschlägige Literatur auf dem Laufenden hält. Literaturrecherchen ohne Eingang in das Gutachten werden nicht erstattet.

5. Nach der Honorargruppe M 2 mit einem Stundensatz von 60.- €. werden Gutachten mit durchschnittlichem Schwierigkeitsgrad, wie z. B. Gutachten nach dem SchwbG oder zur Minderung der Erwerbsfähigkeit vergütet. Die Honorargruppe M 3 erfordert dagegen Gutachten mit hohem Schwierigkeitsgrad. Hierzu gehört die Beurteilung spezieller Kausalitätszusammenhänge oder von differentialdiagnostischen Problemen.

 

Tenor

Die Vergütung für das Gutachten des Dr. M. vom 8. Juni 2011 wird 1.204,03 Euro festgesetzt.

Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.

 

Gründe

I.

In dem Berufungsverfahren U. B. ./. Deutsche Angestelltenkrankenkasse (Az.: L 6 KR 568/08) beauftragte der Berichterstatter des 6. Senats des Thüringer Landessozialgerichts nach Einholung eines Kostenvorschusses von 1.000,00 Euro mit Beweisanordnung vom 11. Mai 2010 Dr. B. mit der Erstellung eines Gutachtens nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) aufgrund ambulanter Untersuchung. Es wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Einholung des Gutachtens von der Leistung des Kostenvorschusses abhängig gemacht worden war. Gestellt wurden folgende Beweisfragen:

1. Welche Krankheiten, Gebrechen und/oder Schwächen der körperlichen oder geistigen Kräfte liegen beim Kläger

a) auf ihrem Fachgebiet

b) im Übrigen vor?

2. Mit welchen Hilfsmitteln (im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung gemäß § 33 Abs. 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch) ist der Kläger derzeit versorgt.

3. Ist der Kläger mit den unter 2. genannten Hilfsmitteln

a) medizinisch ausreichend versorgt,

b) in sonstigen Belangen ausreichend versorgt?

Bitte begründen Sie Ihre Ansicht!

4. Ist die Versorgung des Klägers mit einem sogenannten Handbike "Speedy-Duo2" (vgl. hierzu Bl. 90f. der Gerichtsakte)

a) medizinisch zwingend erforderlich,

b) sonst notwendig?

Bitte begründen Sie Ihre Ansicht!

5. Welche andere Hilfsmittelversorgung würden Sie gegebenenfalls für erforderlich halten?

6. Weichen Sie von den vorliegenden Gutachten bzw. Stellungnahmen ab? Wenn ja, begründen Sie dies bitte!

7. Sind Zusatzgutachten erforderlich? Wenn ja, auf welchem Fachgebiet?

Nachdem Dr. B. mitgeteilt hatte, er sei nicht in der Lage, das Gutachten zu erstatten, änderte der Berichterstatter nach Rückfrage bei dem Kläger die Beweisanordnung am 29. Juni 2010 ab und bestimmte Dr. M., W.-W.-Klinik B. W., mit der Erstellung des Gutachtens. Diese Beweisanordnung enthält keinen Hinweis auf den Vorschuss. Dem Sachverständigen wurden die Gerichtsakte mit 212 Blatt und die Verwaltungsakte mit 47 Blatt übersandt.

Auf Nachfrage nach dem Sachstand teilte er unter dem 28. Oktober 2010 mit, die Bearbeitung des Auftrags stehe unmittelbar bevor. Die gutachterliche Untersuchung und die Ausarbeitung des Gutachtens erfolge unter seiner ständigen Aufsicht und Anleitung durch Oberarzt R. (i.e. Erinnerungsführer).

Unter dem 8. Juni 2011 wurde das von dem Sachverständigen und dem Erinnerungsführer unterzeichnete Gutachten auf insgesamt 30 Blatt erstellt. In den Kostenrechnungen vom gleichen Tag machte der Erinnerungsführer insgesamt 1.799,03 Euro geltend (19 Stunden Zeitaufwand zu einem Stundensatz von 85,00 € ≪= Honorargruppe M3≫, besondere Leistungen 107,58 Euro, Schreibauslagen 67,75 Euro, Portokosten 8,70 Euro). Beigefügt war eine Abtretungserklärung, in der ihm der Sachverständige die "Entschädigung" abtrat.

Mit Verfügung vom 6. Juni 2011 kürzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UKB) die Vergütung auf 1.204,03 Euro und legte eine erforderliche Zeit von (aufgerundet) 17 Stunden und einen Stundensatz von 60,00 Euro zugrunde. Der Berichterstatter des 6. Senats forderte den Kläger zur weiteren Einza...

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