Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Sachverständigenvergütung. medizinisches Gutachten. Voraussetzungen für die Anerkennung des Zeitaufwands für ein Literaturstudium
Leitsatz (amtlich)
1. Zu den Voraussetzungen für die Anerkennung eines Zeitaufwands für ein Literaturstudium eines medizinischen Sachverständigen.
2. Eine zeitlich lange Vorgeschichte begründet allein keinen Ansatz für ein Literaturstudium.
Tenor
Die Vergütung für das Gutachten des Erinnerungsführers vom 31. August 2011 wird auf 1.497,97 Euro festgesetzt.
Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.
Gründe
I.
In dem Berufungsverfahren A. K. ./. Deutsche Rentenversicherung Bund (Az.: L 6 R 539/07) ordnete die Berichterstatterin des 6. Senats des Thüringer Landessozialgerichts mit Beweisanordnung vom 5. August 2011 die Einholung eines Gutachtens nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) bei dem Erinnerungsführer, einem Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, an. Übersandt wurden ihm 934 Blatt Akten.
Der Erinnerungsführer fertigte unter dem 31. August 2011 sein Gutachten aufgrund einer ambulanten Untersuchung am 15. August 2011 auf insgesamt 10 Blatt. In seiner Kostenrechnung vom 2. September 2011 machte er insgesamt 1.907,97 Euro geltend (28 Stunden Zeitaufwand zu einem Stundendensatz von 60,00 Euro, besondere Leistungen 245,47 Euro, Schreibauslagen 12,50 Euro, Porto 10,00 Euro). Bezüglich der Einzelheiten wird auf Blatt 50 des Kostenhefts verwiesen. Mit Verfügung vom 9. September 2011 kürzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UKB) die Vergütung auf 1.497,97 Euro:
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20,1 aufgerundet 20,5 Stunden x 60,00 Euro (Honorargruppe M2) |
1.230,00 Euro |
besondere Leistungen |
245,47 Euro |
Schreibauslagen/Kopien |
12,50 Euro |
Porto |
10,00 Euro |
Gesamtbetrag |
1.497,97 Euro |
Am 26. September 2011 hat sich der Erinnerungsführer gegen die Festsetzung gewandt und vorgetragen, er akzeptiere zwar die leichte Stundenreduzierung auf 20,5 Stunden, sehe aber nicht ein, dass sein Ansatz für das Literaturstudium (4 Stunden zu 50,00 Euro) gestrichen werde. Es sei bekannt, dass das Verfahren langjährig laufe und aus verschiedenen Fachgebieten unterschiedlich aufwendige Gutachten erstellt wurden. Er habe zwar nur zwei Literaturstellen zitiert, sich aber mit der infrage kommenden Fachliteratur wirklich auseinander gesetzt.
Der Erinnerungsführer beantragt sinngemäß,
die Vergütung für das Gutachten vom 31. August 2011 auf 1.907,97 Euro festzusetzen.
Der Erinnerungsgegner beantragt,
die Vergütung für das Gutachten vom 8. September 2011 auf 1.497,97 Euro festzusetzen.
Zur Begründung verweist er auf die Ausführungen der UKB.
Diese hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Verfügung vom 28. September 2011) und sie dem erkennenden Senat vorgelegt. Der Senatsvorsitzende hat das Verfahren am 23. Dezember 2011 dem Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung übertragen.
II.
Nach § 4 Abs. 1 S. 1 des Gesetzes über die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetschern, Übersetzerinnen und Übersetzern sowie die Entschädigung von ehrenamtlichen Richterinnen, ehrenamtlichen Richtern, Zeuginnen, Zeugen und Dritten (Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz ≪JVEG≫) erfolgt die Festsetzung der Vergütung durch gerichtlichen Beschluss, wenn der Berechtigte oder die Staatskasse die gerichtliche Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen erachtet. Zuständig ist das Gericht, von dem der Berechtigte herangezogen worden ist (§ 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 JVEG). Der Erinnerungsführer ist Berechtigter im Sinne dieser Vorschrift.
Bei der Erinnerung sind alle für die Bemessung der Vergütung maßgeblichen Umstände zu überprüfen, unabhängig davon, ob sie angegriffen werden (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. u.a. Beschlüsse vom 1. Dezember 2011 - Az.: L 6 SF 1617/11 E, 8. September 2009 - Az.: L 6 SF 49/08, 4. April 2005 - Az.: L 6 SF 83/05 in MedSach 2005, 137 ff., Bayerischer Verwaltungsgerichtshof ≪VGH≫, Beschluss vom 10. Oktober 2005 - Az.: 1 B 97.1352, nach juris). Insofern kommt es nicht darauf an, dass der Erinnerungsführer sich vor allem gegen die Ablehnung seines Ansatzes für das Literaturstudium wendet. Bei der Festsetzung ist der Senat weder an die Höhe der Einzelansätze noch an den Stundenansatz oder die Gesamthöhe der Vergütung in der Festsetzung durch die UKB oder den Antrag der Beteiligten gebunden; er kann lediglich nicht mehr festsetzen als beantragt. Die Erinnerung ist kein Rechtsbehelf; insofern gilt nach herrschender Meinung (h.M.) das Verschlechterungsverbot (sog. "reformatio in peius") bei der erstmaligen richterlichen Festsetzung nicht (vgl. Senatsbeschlüsse vom 8. September 2009 - Az.: L 6 SF 49/08, 13. April 2005 - Az.: L 6 SF 2/05, 16. September 2002 - Az.: L 6 B 51/01 SF; Meyer/Höver/Bach, Die Vergütung und Entschädigung von Sachverständigen, Zeugen, Dritten und von ehrenamtlichen Richtern nach dem JVEG, 25. Auflage 2011, § 4 Rdnr. 4.3; Hartmann in Kostengesetze, 40. Auflage 2010, § 4 JVEG Rdnr. 10).
Nach § 8 Abs. 1 JVEG erhalten Sachverständige a...