Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Prozesskostenhilfe. rückwirkende Bewilligung nach dem Tod des Antragstellers. Beginn und Ende der Bewilligung und anwaltlichen Beiordnung
Leitsatz (amtlich)
1. Ist der Antrag auf Prozesskostenhilfe zu Lebzeiten des Antragstellers entscheidungsreif gewesen, steht der Bewilligung nicht entgegen, dass nach dem Tod des Antragstellers die Prozesskostenhilfe aufgrund ihrer höchstpersönlichen Rechtsnatur nicht mehr bewilligt werden kann (Anschluss an LSG Erfurt vom 21.9.2004 - L 6 RJ 964/02 und BSG vom 2.12.1987 - 1 RA 25/87 - mwN; Leitherer in Meyer-Ladewig ua, SGG, 10. Aufl, § 73a Rn 13h mwN).
2. Die Prozesskostenhilfe und anwaltliche Beiordnung für die verstorbene Klägerin endet aufgrund der höchstpersönlichen Rechtsnatur im Zeitpunkt des Eintritts ihres Todes (Anschluss an BSG vom 2.12.1987 - 1 RA 25/87; LSG Chemnitz vom 24.10.2012 - L 3 AL 39/12 B ER).
3. Der Beginn der Bewilligung und anwaltlichen Beiordnung ist nicht zu bestimmen, weil die Höhe der Rahmengebühr nach § 14 RVG keiner zeitlichen Einschränkung für das Verfahren unterliegt, zu dem der Anwalt beigeordnet ist, wenn dem Antragsteller selbst keine übernahmefähigen Kosten entstanden sind (Anschluss an LSG Erfurt vom 18.3.2011 - L 6 SF 1418/10 B).
Tenor
Auf die Beschwerde der Rechtsnachfolger der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 3. Juli 2012 aufgehoben und der Klägerin für die erste Instanz Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung des Rechtsanwalts O. K. in . H. zum 22. Januar 2012 bewilligt.
Gründe
Die am 20. August 2012 bei dem Thüringer Landessozialgericht eingelegte Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der am 22. Januar 2012 verstorbenen Klägerin - für deren Rechtsnachfolger - gegen den Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschluss des Sozialgerichts Nordhausen (SG) vom 3. Juli 2012, ihnen zugestellt am 23. Juli 2012, ist zulässig.
Insbesondere sind die anwaltlichen Prozessbevollmächtigten befugt, Verfahrenshandlungen für die Rechtsnachfolger der Klägerin vorzunehmen. Die Prozessvollmacht wirkt nach dem Ableben der Klägerin gegenüber den Rechtsnachfolgern fort (§ 73 Abs. 5 S. 7 SGG i.V.m. § 86 ZPO), ohne dass es ihrer persönlichen Identifizierung bedarf (vgl. Vollkommer in Zöller, ZPO, 29. Aufl., § 86 ZPO Rn. 8 m.w.N.). Einen Antrag auf Aussetzung des Rechtsstreits nach § 202 SGG i.V.m. § 246 Abs. 1 ZPO haben sie nicht gestellt.
Dabei sind die Rechtsnachfolger verfahrensrechtlich befugt, Beschwerde gegen die Bewilligung von Prozesskostenhilfe einzulegen, obwohl sie allenfalls der Klägerin selbst für den Zeitraum bis zu ihrem Ableben bewilligt werden kann (vgl. zum Streitstand: Leitherer in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 10. Aufl., § 73a Rn. 13h). Soweit materiell der verstorbenen Klägerin eine solche Rechtsposition zustehen kann, müssen die allein noch nach § 70 Nr. 1 SGG beteiligtenfähigen Rechtsnachfolger befugt sein, verfahrensrechtlich diese Rechtsposition durchzusetzen.
Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter anwaltlicher Beiordnung liegen vor.
Gemäß § 114 S. 1 ZPO, der über die Verweisungsnorm des § 73a Abs. 1 S. 1 SGG auch im sozialgerichtlichen Verfahren gilt, ist einem Beteiligten auf Antrag Prozesskostenhilfe zu bewilligen, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Haben grundsätzlich hinreichende Erfolgsaussichten im Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Antrags auf PKH vorzuliegen, kommt es für die weiteren Anspruchsvoraussetzungen hingegen auf den Zeitpunkt der Entscheidung über die Beschwerde gegen den Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschluss an (§ 202 SGG i.V.m. § 571 Abs. 2 S. 1 ZPO).
Diese liegen zum danach maßgeblichen Zeitpunkt vor. Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin bereits im Januar 2012 verstorben ist. Auch soweit vertreten wird, es handele sich bei der Prozesskostenhilfe um einen höchstpersönlichen Anspruch, der nach dem Tode der unbemittelten Person, nicht mehr geltend gemacht werden könne (vgl. BSG, Urteil vom 2. Dezember 1987 - 1 RA 25/87, juris m.w.N.; Leitherer in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 10. Aufl., § 73a Rn. 13h m.w.N.), gilt das nach Auffassung des Senats nicht, wenn der PKH-Antrag bereits vor dem Tode des Antragstellers entscheidungsreif gewesen ist (Anschluss an Thüringer LSG, Beschluss vom 21. September 2004 - L 6 RJ 964/02; LSG Chemnitz, Beschluss vom 24. Oktober 2012 - L 3 AL 39/12 B ER; beide juris). Dabei setzt das im Gegensatz zur Rechtsprechung des Senats in anderen Fallkonstellationen nicht weiter voraus, dass der Antragsteller auf eine rechtzeitige Entscheidung über den PKH-Antrag hingewirkt hat (vgl. Thüringer Landesozialgericht, Beschluss vom 9. Februar 2011 - L 4 AS 60/11 B und 1. Juli 2008 - L 9 B 64/07 AS jewe...