Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Entschädigung eines Beteiligten. Übernachtungsgeld. Notwendigkeit einer auswärtigen Übernachtung. Zumutbarkeit einer Hin- oder Rückreise am selben Tag. Fahrtdauer. Sicherheitspuffer
Leitsatz (amtlich)
1. Die Notwendigkeit einer auswärtigen Übernachtung ist nach objektiven Kriterien zu ermitteln (vgl LSG Erfurt vom 11.1.2016 - L 6 JVEG 1340/15 - juris).
2. Eine objektive Notwendigkeit ist nur dann anzunehmen, wenn dem Betroffenen die Hin- oder Rückreise am selben Tag nicht zugemutet werden kann (vgl LSG Erfurt vom 11.1.2016 - L 6 JVEG 1340/15 - juris). Dabei orientiert sich der Senat an den Vollzugsvorschriften zum Bundesreisekostengesetz.
Tenor
Die Entschädigung des Erinnerungsführers für die Teilnahme an der Begutachtung am 8. Januar 2020 wird auf 387,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Erinnerungsführer ist Berufungskläger im Verfahren L 1 U 915/19. Mit Beweisanordnung vom 14. Oktober 2019 ordnete der Berichterstatter des Verfahrens eine Begutachtung aufgrund ambulanter Untersuchung durch St im J in E an. Die ambulante Untersuchung ist am 8. Januar 2020 in E in der Zeit von 11.45 Uhr bis 12.45 Uhr durchgeführt worden. Anschließend erfolgte noch die Anfertigung eines bildgebenden Befundes.
Mit beim Landessozialgericht am 11. Februar 2020 eingegangenem Entschädigungsantrag beantragte der Erinnerungsführer eine Entschädigung in Höhe von 434,59 € für die Teilnahme an dem Begutachtungstermin (Fahrtkosten 205,00 €, Verdienstausfall für zwei Tage 345,34 € brutto, Übernachtungskosten 75,00 € = insgesamt 625,34 €).
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle bewilligte nach Vorlage einer Bescheinigung des Sachverständigen hinsichtlich der Zeitdauer der Begutachtung und einer Auskunft dazu, dass die Röntgenabteilung sich im Haus direkt über seiner Gutachtenspraxis befindet, eine Entschädigung in Höhe von 385,00 €. Fahrtkosten seien in Höhe von 205,00 €, Verdienstausfall in Höhe von 168,00 € (8 Stunden á 21,00 €) und ein Tagegeld in Höhe von 12,00 € zu entschädigen. Die Hotelkosten könnten nicht übernommen werden. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb eine Rückfahrt nach G am Untersuchungstag nicht möglich gewesen wäre, selbst unter Einbeziehung einer Pause. Daher sei die Erstattung der Hotelübernachtung und Verdienstausfall für den 9. Januar 2020 nicht möglich. Für den Verdienstausfall sei die Höchstgrenze von 21,00 € pro Stunde zu beachten. Hiergegen hat der Erinnerungsführer am 6. Juli 2020 Erinnerung eingelegt. Die Übernachtungskosten seien erstattungsfähig. Sein Meister habe ihn darauf hingewiesen, dass eine Versicherung nach zehn Stunden nicht mehr in Kraft trete. Bei einer Rückfahrt nach der Untersuchung würden die zehn Stunden erheblich überschritten. Vor Fahrtantritt habe er sich im Übrigen auch bei der B kundig gemacht, und es sei ihm von einer L bestätigt wurden, dass in einem solchen Fall eine Übernachtung nötig und erstattungsfähig sei.
Der Erinnerungsführer beantragt sinngemäß,
die Entschädigung für seine Teilnahme an der Begutachtung am 8. Januar 2020 auf 625,34 € festzusetzen.
Die Erinnerungsgegnerin hatte Gelegenheit zur Stellungnahme.
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat der Erinnerung nicht abgeholfen.
II.
Auf die Erinnerung hin war die Entschädigung auf 387,00 € festzusetzen.
Nach § 4 Abs. 1 JVEG erfolgt die Festsetzung der Vergütung, der Entschädigung oder des Vorschusses durch gerichtlichen Beschluss, wenn der Berechtigte oder die Staatskasse die gerichtliche Feststellung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält (Satz 1).
Nach § 191 Halbs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) werden einem Beteiligten, dessen persönliches Erscheinen angeordnet worden ist, auf Antrag bare Auslagen und Zeitverlust wie einem Zeugen vergütet. Zeugen erhalten nach § 19 Abs. 1 S. 1 JVEG als Entschädigung Fahrtkostenersatz (§ 5 JVEG), Entschädigung für Aufwand (§ 6 JVEG), Entschädigung für sonstige Aufwendungen (§ 8 JVEG), Entschädigung für Zeitversäumnis (§ 20 JVEG), Entschädigung für Nachteile bei der Haushaltsführung (§ 21 JVEG) sowie Entschädigung für Verdienstausfall (§ 22 JVEG). Soweit die Entschädigung nach Stunden zu bemessen ist, wird sie nach § 19 Abs. 2 JVEG für die gesamte Zeit der Heranziehung einschließlich notwendiger Reise- und Wartezeiten, jedoch nicht mehr als zehn Stunden je Tag gewährt (Satz 1); die letzte bereits begonnene Stunde wird voll gerechnet (Satz 2).
Bei der Entscheidung sind alle für die Bemessung der Vergütung maßgeblichen Umstände zu überprüfen, unabhängig davon, ob sie angegriffen worden sind. Bei der Festsetzung ist das Gericht weder an die Höhe der Einzelansätze noch an den Stundenansatz oder an die Gesamthöhe der Vergütung in der Festsetzung durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder den Antrag der Beteiligten gebunden; es kann nur nicht mehr festsetzen, als beantragt ist (vgl. Senatsbeschluss vom 28. Februar 2018 - L 1 JVEG 867/15, zitiert nach Juris).
Die Entschädigung errechnet sich danach wie folgt:
Der Fahrtkostenersatz bet...