Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozesskostenhilfe. Ratenzahlung. Rückstand. Änderung der persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse. Verschulden. Anhörung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Enthält der Beschluss über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Zahlung von Raten keine Festsetzung, ab wann die Raten zu zahlen sind, so beginnt die Zahlungspflicht an dem Tag, an dem der Berechtigte die Aufforderung der Staatskasse erhält, die Raten auf ein bestimmtes Konto zu überweisen.

2. Eine Änderung der festgesetzten Raten nach § 120 Abs. 4 ZPO scheidet aus, wenn der Berechtigte bis zur Änderung der Verhältnisse so lange mit der Ratenzahlung im Rückstand war, dass die PKH-Bewilligung nach § 124 Nr. 4 ZPO hätte aufgehoben werden können.

3. Die Aufhebung der PKH-Bewilligung nach § 124 Nr. 4 ZPO setzt eine vorherige Anhörung des Berechtigten voraus, in der er klar erkennbar auf den Rückstand und die drohende Aufhebung hingewiesen wird. Die Anhörung kann im Beschwerdeverfahren nachgeholt werden.

 

Normenkette

ZPO § 120 Abs. 4, § 124 Nr. 4, § 127 Abs. 2 S. 2; GG Art. 103

 

Verfahrensgang

SG Gotha (Beschluss vom 01.07.2004; Aktenzeichen S 2 AL 79/03)

 

Tenor

Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 1. Juli 2004 wird zurückgewiesen.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

 

Tatbestand

I.

In dem Hauptsacheverfahren des Klägers vor dem Sozialgericht Gotha begehrt der Kläger die Zahlung von Insolvenzgeld.

Mit Beschluss vom 12. November 2003 bewilligte ihm das Sozialgericht Prozesskostenhilfe (PKH) unter Zahlung von Raten in Höhe von 30,00 Euro und ordnete Rechtsanwalt H.… bei. Der Beschluss wurde diesem am 18. November 2003 zugestellt. Unter dem 14. November 2003 teilte ihm die Urkunsbeamtin der Geschäftsstelle mit, die erste Rate sei am 1. November 2003 fällig. Der Kläger wurde gebeten, die Raten auf ein angegebenes Konto zu überweisen.

Nach einem Vermerk im PKH-Heft vom 14. Januar 2004 wurden nach Mitteilung der Staatskasse bis zum 5. Januar 2004 keine Raten eingezahlt. Daraufhin verfügte die Vorsitzende der 2. Kammer am 15. Januar 2004 u.a. an den beigeordneten Rechtsanwalt: ”… das Gericht weist darauf hin, dass der Kläger bisher seiner Ratenverpflichtung nicht nachgekommen ist. Die PKH-Bewilligung kann widerrufen werden, wenn der Kläger mehr als drei Monate in Verzug ist”.

Nach einem Vermerk im PKH-Heft vom 10. Juli 2004 wurden bis zum 25. Mai 2004 keine Raten gezahlt.

Mit Beschluss vom 1. Juli 2004 hat das Sozialgericht den Beschluss vom 12. November 2003 nach § 124 Nr. 4 der Zivilprozessordnung (ZPO) aufgehoben, weil der Kläger “bis heute” trotz Erinnerung keine Ratenzahlung geleistet habe.

Dagegen hat der Kläger Beschwerde eingelegt und ausgeführt, er sei nicht in der Lage, die festgesetzten Raten aufzubringen. Dies habe er auch mehrfach telefonisch mitgeteilt. Er habe bis 22. Juli 2004 Arbeitslosengeld in Höhe von monatlich 703,80 Euro bezogen; seitdem erhalte er Arbeitslosenhilfe in Höhe von monatlich 663,60 Euro.

Der Kläger beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 5. Juli 2004 aufzuheben, den Beschluss vom 12. November 2003 abzuändern und ihm Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung zu gewähren.

Die Beklagte hat sich nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.

Die Bezirksrevisorin am Thüringer Landessozialgericht hat für den Freistaat Thüringen darauf hingewiesen, dass die Bedingungen des Beschlusses vom 12. November 2003 bis zur Aufhebung zu erfüllen waren. Eine Ratenzahlung aus dem jetzt laufenden Einkommen des Klägers komme nicht in Betracht.

Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

Der Vorsitzende hat die Beteiligten mit Verfügungen vom 12. und 25. Oktober 2004 auf die Probleme der Anhörung durch das Sozialgericht hingewiesen sowie auf die Tatsache, dass die Änderung der Verhältnisse zum 22. Juli 2004 unerheblich sei, weil dann bereits Verzug vorliege.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die nach § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige Beschwerde wird zurückgewiesen. Zwar ist der Beschluss des Sozialgerichts verfahrensfehlerhaft zustande gekommen. Durch das Beschwerdeverfahren werden die relevanten Fehler jedoch geheilt.

Nach § 124 Nr. 4 ZPO kann das Gericht die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, wenn die Partei länger als drei Monate mit der Zahlung einer Monatsrate oder mit der Zahlung eines sonstigen Betrages im Rückstand ist. Diese Voraussetzung lag zum Zeitpunkt der Entscheidung des Sozialgerichts vor.

Der Kläger war am 1. Juli 2004 unzweifelhaft mehr als drei Monate mit der Zahlung der Raten im Verzug. Insofern ist es unerheblich, dass der Rückstand zum Zeitpunkt der gerichtlichen Verfügung vom 15. Januar 2004 noch nicht vorlag. Er konnte erst drei Monate nach dem Zeitpunkt vorliegen, zu dem der Kläger verpflichtet war, die festgesetzen Raten zu entrichten. Hierfür war im Bewilligungsbeschluss kein konkreter Termin genannt worden. Dann sind diese von dem Tag an zu zahlen, ab dem dem Berechtigten die Aufforderung der Staatskasse zugeh...

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