Entscheidungsstichwort (Thema)
Verschuldenskosten. Auferlegung von Verfahrenskosten auf die Behörde wegen unterlassener Ermittlungen im Verwaltungsverfahren
Leitsatz (amtlich)
Die Auferlegung von Verfahrenskosten nach Maßgabe des zum 1.4.2008 in Kraft getretenen § 192 Abs 4 SGG verstößt gegen die Grundsätze intertemporalen Prozessrechts, wenn das Verwaltungsverfahren bereits vor dem 1.4.2008 abgeschlossen war.
Tenor
Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Altenburg vom 19. August 2008, Az. S 5 U 1726/06, aufgehoben.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Im Streit steht die Auferlegung von Verfahrenskosten nach näherer Maßgabe des § 192 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Auf die ärztliche Anzeige über den Verdacht einer Berufskrankheit des behandelnden Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. N. vom 3. August 2005 leitete die Beklagte und Beschwerdeführerin (nachfolgend: Beschwerdeführerin) ein Berufskrankheitenfeststellungsverfahren zu den Nrn. 2108 bis 2110 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) ein. Insbesondere wurde der Kläger zu wirbelsäulenbelastenden Tätigkeiten befragt. Die Erstellung einer Expositionsanalyse unterblieb jedoch. Des Weiteren hat die Beschwerdeführerin Aufnahmen bildgebender Verfahren sowie Befundberichte der behandelnden Ärzte beigezogen. Eine medizinische Begutachtung des Klägers wurde jedoch nicht veranlasst.
Stattdessen hat die Beschwerdeführerin ihrem Beratungsarzt, dem Chirurgen Dr. B., die Verwaltungsakte nebst Röntgenbildern vorgelegt und um Einschätzung gebeten, ob eine Erkrankung im Sinne der Nrn. 2108 bis 2110 der BKV vorliegt. In seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 19. Januar 2006 gelangt er zu der Einschätzung, dass von einer schicksalhaften Bandscheibenerkrankung an typischer Stelle (Osteochondrose monosegmental L 4/5) aus körpereigener Ursache auszugehen sei. Wegen des Fehlens belastungsadaptiver degenerativer Veränderungen im Bereich der übrigen Lendenwirbelsäule sei ein belastungskonformes Schadensbild nicht erkennbar. Eine berufsbedingte Verursachung der Bandscheidenerkrankung im Sinne der BK Nrn. 2108 und 2110 sei daher auch unter Berücksichtigung der beruflichen Anamnese nicht wahrscheinlich.
Mit Bescheid vom 22. März 2006 lehnte die Beschwerdeführerin die Anerkennung der Lendenwirbelsäulenbeschwerden des Klägers als Berufskrankheit nach den Nrn. 2108 und 2110 ab. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Wirbelsäulenbeschwerden nach dem Ergebnis der Ermittlungen weder durch die berufliche Tätigkeit verursacht noch verschlimmert wurden. Insbesondere seien die medizinischen Voraussetzungen der geltend gemachten Berufskrankheiten nicht erfüllt. Es mangele an einem belastungskonformen Schadensbild.
Mit seiner nach erfolglosem Widerspruchsverfahren (Widerspruchsbescheid vom 16. Mai 2006) unter dem 12. Juni 2006 zum Sozialgericht Altenburg erhobenen Klage verfolgte der Kläger sein Begehren weiter.
Im Rahmen der medizinischen Sachaufklärung hat das Sozialgericht Befundberichte und Behandlungsunterlagen des Klägers eingeholt. Zudem hat das Gericht ein Sachverständigengutachten bei Dr. med. S. in Auftrag gegeben. Der Gutachter schätzte ein, dass eine Berufskrankheit im Sinne der Nr. 2108 und 2110 der BKV gegeben sei. Im weiteren Verfahrensgang hat die Beschwerdeführerin weitere Ermittlungen zu den arbeitstechnischen Voraussetzungen eingeleitet. In der Expositionsanalyse vom 25. Januar 2007 wird angenommen, dass im Rahmen einer gebotenen Gesamtbetrachtung hinsichtlich der Berufskrankheiten nach Nr. 2108 und 2110 der BKV im Zeitraum von Oktober 1993 bis Ende Juli 2005 eine gefährdende Belastung vorgelegen habe.
Mit Urteil vom 20. Mai 2008 hat das Sozialgericht - unter Aufhebung der angegriffenen Bescheide - die Beschwerdeführerin verurteilt, bei dem Kläger das Vorliegen der Berufskrankheiten nach den Nr. 2108 und 2110 der BKV anzuerkennen sowie Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30 vom Hundert zu gewähren. Die Beschwerdeführerin hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt (Az. L 1 U 727/08).
Mit Beschluss vom 19. August 2008 hat das Sozialgericht der Beschwerdeführerin die Zahlung von Verfahrenskosten in Höhe von 2.543,37 Euro an die Staatskasse auferlegt. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, dass die Vorschrift des § 192 Abs. 4 SGG im vorliegenden Rechtsstreit anwendbar sei, weil diese ohne Übergangsregelung zum 1. April 2008 in Kraft getreten sei und Gründe der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes ihrer Anwendung nicht entgegenstünden. Des weiteren seien auch die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Kostenauferlegung gegeben.
Gegen den Beschluss vom 19. August 2008 hat die Beschwerdeführerin am 5. September 2008 Beschwerde erhoben. Zu deren Begründung macht sie geltend, dass erkennbare und notwendige Ermittlungen im Verwaltungsverfahren nicht unterlassen worden seien. Insbesondere habe keine Veranlassung bestanden, das Vorliegen der a...