Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Terminsgebühr. Umfang der anwaltlichen Tätigkeit. Bedeutung der Sache. Verfahrensgebühr
Leitsatz (amtlich)
1. Fertigt ein Rechtsanwalt nur einen kurzen Schriftsatz, ist der zeitliche Umfang der tatsächlich betriebenen und objektiv erforderlichen Tätigkeit auch unter Berücksichtigung der außergerichtlichen Aktivitäten unterdurchschnittlich.
2. Ausführungen, die einer Vielzahl von Verfahren ohne Individualisierung vorgetragen werden (hier: Rundungsregelung), können nur einen minimalen Aufwand verursachen.
3. Die Erfolgsaussichten der Klage sind bei der Prüfung der Bedeutung der Sache im Festsetzungsverfahren nicht relevant.
4. Zum Umfang der anwaltlichen Tätigkeit für eine Terminsgebühr nach Nr 3106 RVG-VV.
Tenor
Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Nordhausen vom 27. April 2010 wird zurückgewiesen.
Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.
Gründe
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren für ein Verfahren vor dem Sozialgericht Nordhausen streitig (Az.: S 11 AS 2710/08). Dort wandten sich die Kläger, eine Bedarfsgemeinschaft von vier Personen, gegen den Bescheid vom 24. Juni 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juli 2008 und begehrten die Berücksichtigung von tatsächlich angefallenen Heizkosten sowie die Rundung der gewährten Leistungen. In der 70 Minuten dauernden nichtöffentlichen Sitzung am 23. Januar 2009 verhandelte die 11. Kammer des Sozialgerichts insgesamt sechs Verfahren der Kläger (Az.: S 11 AS 2092/08, S 11 AS 2065/08, S 11 AS 2064/08, S 11 AS 2710/08, S 11 AS 2709/08), gewährte ihnen für alle Prozesskostenhilfe (PKH) ohne Ratenzahlung und ordnete den Beschwerdegegner bei. Nach der Niederschrift wies der Vorsitzende darauf hin, dass das Verfahrens Az.: S 11 2710/08 den gleichen Zeitraum betreffe wie das Verfahren Az.: S 11 AS 2092/08; er gehe von einer doppelten Rechtshängigkeit aus. Es sei unerheblich, dass verschiedene Widerspruchsbescheide vorlägen. Daraufhin nahm der Beschwerdegegner die Klage Az.: S 11 AS 2710/08 zurück.
In seiner Kostenrechnung vom 18. Februar 2009 machte er für dieses Verfahren einen Betrag von insgesamt 646,17 Euro geltend, der sich wie folgt errechnet:
|
Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV RVG |
170,00 Euro |
Gebührenerhöhung Nr. 1008 VV RVG |
153,00 Euro |
Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG |
200,00 Euro |
Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV RVG |
20,00 Euro |
Zwischensumme |
543,00 Euro |
Mehrwertsteuer |
103,17 Euro |
Gesamtbetrag |
646,17 Euro |
Unter dem 18. März 2009 wies die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UKB) die Zahlung von 334,99 Euro an und führte aus, bezüglich der Verfahrensgebühr sei die halbe Mittelgebühr angemessen. Die Bedeutung der Angelegenheit sei unterdurchschnittlich, "zumal der Streitgegenstand doppelt rechtsanhängig gewesen sein dürfte". Umfang und Schwierigkeit seien als unterdurchschnittlich zu werten; trotzdem habe sich der Beschwerdeführer mit dem Sachverhalt auseinander setzen müssen. Hinsichtlich der Terminsgebühr sei ebenfalls die halbe Mittelgebühr angemessen. Auf die Ausführungen zur Bedeutung der Angelegenheit für die Kläger und deren Einkommens- und Vermögensverhältnisse bei der Verfahrensgebühr werde Bezug genommen.
Auf die Erinnerung des Beschwerdegegners hat der Beschwerdeführer in seiner Erwiderung auf die Ausführungen der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UKB) verwiesen. Mit Beschluss vom 27. April 2010 hat das Sozialgericht die dem Beschwerdegegner zu erstattenden Kosten auf 646,17 Euro festgesetzt.
Gegen den ihm am 5. Juli 2010 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 12. Juli 2010 Beschwerde eingelegt und zur Begründung auf seine Erinnerungserwiderung und die Ausführungen der UKB verwiesen. Auf richterliche Aufforderung zur Konkretisierung hat er angegeben, in der Entscheidung des Sozialgerichts sei die doppelte Rechtshängigkeit unbeachtet geblieben. Im Übrigen folge er der Rechtsauffassung im Beschluss der Vorinstanz.
Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Nordhausen vom 17. April 2010 aufzuheben und die Vergütung des Beschwerdegegners auf 334,99 Euro festzusetzen.
Der Beschwerdegegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Zur Begründung trägt er vor, die Bedeutung der Angelegenheit sei für die Kläger weit überdurchschnittlich gewesen sei, weil es um deren soziokulturelles Existenzminimum nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) gegangen sei. Auch sei von einer durchschnittlichen Schwierigkeit auszugehen. Es sei nicht einzusehen, dass die Verfahrens- und Terminsgebühr entsprechend dem Hinweis des Senatsvorsitzenden gekürzt würden, weil er in der Klageschrift bzw. im Termin auf sachfremde Erwägungen verzichtet habe. Dies diene der Entlastung der Justiz.
Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Verfügung vom 8. September 2010) und sie dem Thüringer Landessozialgericht vorgelegt. Der Vorsitzende ...