Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Festsetzung eines dritten Ordnungsgeldes. wiederholte Fristversäumnis eines Sachverständigen. Erstattung eines schriftlichen Gutachtens. Auslegung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Festsetzung eines dritten Ordnungsgeldes gegen einen Sachverständigen ist unzulässig (Anschluss an OLG Dresden vom 15.2.2002 - W 84/02 ua = MDR 2002, 1088).

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 9. Januar 2007 aufgehoben.

Die Staatskasse trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 1.000 Euro festgesetzt.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

 

Gründe

I.

Die Beschwerde richtet sich gegen die wiederholte Festsetzung eines Ordnungsgeldes.

Mit Beweisanordnung vom 6. Juli 2004 beauftragte das Sozialgericht den Beschwerdeführer mit der Erstellung eines medizinischen Gutachtens und erinnerte ihn mit Verfügungen vom 24. November 2004, 18. Januar 2005, 27. Mai 2005, 12. September 2005 und 4. Januar 2006 an die Übersendung.

Mit Beschluss vom 16. Mai 2006 setzte das Gericht dem Beschwerdeführer nach § 118 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i.V.m. § 411 Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) eine Frist zur Niederlegung des Gutachtens auf der Geschäftsstelle des Sozialgerichts Gotha bis zum 31. Juli 2006 sowie mit Beschluss vom 3. August 2006 eine Nachfrist zur Niederlegung des Gutachtens bis zum 31. August 2006 und drohte zugleich für den Fall der Fristversäumnis eine "Ordnungsstrafe in Geld" in Höhe von 500,00 € an.

Mit Beschluss vom 5. September 2006 verhängte das Gericht das Ordnungsgeld in Höhe von 500,00 €, setzte dem Beschwerdeführer eine neue Frist zur Vorlage des Gutachtens bis zum 15. Oktober 2006 und drohte für den Fall der Fristversäumnis ein weiteres Ordnungsgeld in Höhe von 1.000,00 € an.

Mit Beschluss vom 2. November 2006, zugestellt am 16. November 2006, setzte das Gericht gegen den Beschwerdeführer ein Ordnungsgeld in Höhe von 1.000,00 € fest, setzte ihm eine neue Frist zur Vorlage des Gutachtens bis zum 25. Dezember 2006 und drohte ihm für den Fall der Fristversäumnis ein weiteres Ordnungsgeld in Höhe von 1.000,00 € an. Mit Beschluss vom 9. Januar 2007, zugestellt am 16. Januar 2007, setzte das Gericht ein weiteres Ordnungsgeld in Höhe von 1.000,00 € fest, setzte dem Beschwerdeführer eine neue Frist zur Vorlage des Gutachtens bis zum 31. Januar 2007 und drohte ihm ein weiteres Ordnungsgeld in Höhe von 1.000,00 € an.

Am 18. Januar 2007 übergab der Beschwerdeführer das Gutachten vom 4. September 2006 und beantragte die Überprüfung der "Notwendigkeit des 1.000,00 €-Bescheides".

Das Sozialgericht hat dem Beschwerdeführer unter dem 22. Januar 2007 mitgeteilt, dass es sein Schreiben vom 18. Januar 2007 als Beschwerde gegen den Beschluss vom 9. Januar 2007 auslege. Die Beschlüsse vom 5. September 2006 und vom 2. November 2006 seien bereits rechtskräftig geworden.

Der Beschwerdeführer hat mitgeeilt, es falle ihm schwer, Begründungen für die Beschwerden anzugeben. Seit einiger Zeit leide er unter einer inzwischen "existenziellen Erkrankung" und unter überdurchschnittlichem beruflichen Stress, sodass ihm beim Setzen von Prioritäten Fehler unterlaufen seien, die zu den Versäumnissen geführt hätten. Die Dinge seien ihm ganz einfach in beiden Fällen über den Kopf gewachsen und er habe dafür auch schon eine sehr nennenswerte Summe gezahlt.

Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 9. Januar 2007 aufzuheben.

Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Verfügung vom 22. Januar 2007) und die Akten dem Thüringer Landessozialgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Beschwerdeakte sowie der beigezogenen Prozessakte des Sozialgerichts Gotha (Az.: S 27 RJ 2132/03) Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet.

Die Festsetzung des dritten Ordnungsgeldes in Höhe von 1.000,00 Euro mit Beschluss vom 9. Januar 2007 war unzulässig.

Nach § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 411 Abs. 2 ZPO kann gegen den zur Erstattung eines Gutachtens verpflichteten Sachverständigen, der eine Frist versäumt, ein Ordnungsgeld festgesetzt werden (Satz 1). Das Ordnungsgeld muss vorher unter Setzung eine Nachfrist angedroht werden (Satz 2). Im Falle wiederholter Fristversäumnis kann das Ordnungsgeld in der gleichen Weise noch einmal festgesetzt werden (Satz 3).

Die Rechtsfrage, ob bei wiederholter Säumnis des Sachverständigen im selben Erstattungsfall mehr als zweimal ein Ordnungsgeld festgesetzt werden kann, ist in Rechtsprechung und Literatur strittig (dafür: Kammergericht ≪KG≫, Beschluss vom 27. April 1960 in NJW 1960, 1726 zu § 380 ZPO, dagegen: Oberlandesgericht ≪OLG≫ Karlsruhe, Beschluss vom 10. Mai 1967 in NJW 1967, 2166 zu § 380 ZPO, OLG Celle, Beschluss vom 20. März 1975 in OLGZ 1975, 372, OLG Koblenz, Beschluss vom 5. März 2001 - Az.: 3 W 131/01, nach juris). Die Frage wird im Wesentlichen...

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