Entscheidungsstichwort (Thema)
sozialgerichtliches Verfahren. Entschädigung eines medizinischen Sachverständigen. Zeitaufwand
Leitsatz (amtlich)
1. Ein zusätzlicher Zeitansatz für eine Literaturrecherche kommt nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen in Betracht und setzt immer voraus, dass im Gutachten eine Auseinandersetzung mit der wissenschaftlichen Lehre erfolgt ist.
2. Anamnese, Befunddarstellungen und Literaturliste gehören nicht zur Sachverständigenbeurteilung im engeren Sinne.
Tenor
Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Sozialgerichts Meiningen vom 13. August 2007 aufgehoben und die dem Beschwerdegegner zu zahlende Vergütung auf 872,24 Euro festgesetzt.Urteil:
Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.
Gründe
I.
In dem Klageverfahren S. E. ./. Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland (Az.: S 5 RJ 758/04) beauftragte der Vorsitzende der 14. Kammer des Sozialgerichts Meiningen mit Beweisanordnung vom 14. Juni 2005 den Beschwerdegegner - Chefarzt einer Urologischen Klinik - mit der Erstellung eines Gutachtens aufgrund ambulanter Untersuchung. Übersandt wurden ihm insgesamt 162 Blatt Akten (72 Blatt Verwaltungsakte, 29 Blatt Gutachtenheft, 61 Blatt Gerichtsakte), davon 36 Blatt mit medizinischem Inhalt.
Der Beschwerdegegner fertigte unter dem 15. Juli 2005 sein Gutachten aufgrund der ambulanten Untersuchung am 28. Juni 2005 auf insgesamt 20 Blatt. In seiner Kostenrechnung vom gleichen Tag machte er insgesamt 1.106,23 Euro geltend (16 Stunden Zeitaufwand zu einem Stundensatz von 60,00 €, Schreibauslagen 25,50 Euro, besondere Leistungen 120,73 Euro). Bezüglich der Einzelheiten wird auf Blatt 4, 4a des Kostenhefts verwiesen. Mit Verfügung vom 18. August 2005 kürzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die Vergütung auf 872,24 € und legte dabei eine erforderliche Zeit von 12,5 Stunden zugrunde.
Am 26. August 2005 hat der Beschwerdegegner die richterliche Festsetzung beantragt und gerügt, dass von ihm geltend gemachten 7 Stunden für die Abfassung der schriftlichen Beurteilung nur 3,3 Stunden berücksichtigt worden seien. Die Anamnese, Zwischenanamnese, Beschreibung der einzelnen Untersuchungsergebnisse sowie die Zusammenfassung seinen nicht berücksichtigt worden, obwohl sie essentieller Teil des Gutachtens seien. Ohne sie hätte das Gutachten nicht erstattet werden können. Unter dem 9. Januar 2006 hat der Beschwerdeführer vorgetragen, ausgehend von der Rechtsprechung des Thüringer Landessozialgerichts sei der Zeitansatz von 3,3 Stunden für die Beurteilung von 10 Seiten angemessen.
Mit Beschluss vom 13. August 2007 hat das Sozialgericht die Vergütung für das erstattete Gutachten auf 1.082,24 Euro € festgesetzt und dabei 7 Stunden für die Erstellung der Beurteilung angesetzt. Die vollständige und sachgemäße Beantwortung der Beweisfragen habe nicht nur die 10 Seiten “Beantwortung der Fragen„ umfasst sondern auch die Darstellung der Grundlagen des Gutachtens, nämlich die Anamnese, Befunde und Angabe der beigezogenen Literatur. Nur sie hätten es dem Gericht und der Prüfärztin der Beklagten ermöglicht, das Gutachten auf Plausibilität und Verwertbarkeit zu prüfen und ggf. Ansatz für konkrete Kritik, ergänzende Fragen oder Untersuchungen zu bieten.
Dagegen hat der Beschwerdeführer am 30. August 2007 Beschwerde eingelegt und zur Begründung auf seine Ausführungen vom 9. Januar 2006 Bezug genommen.
Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Meiningen vom 13. August 2007 abzuändern und die Vergütung für das Gutachten vom 15. Juli 2005 auf 872,24 Euro festzusetzen.
Der Beschwerdegegner hat keinen Antrag gestellt und sich zur Sache nicht geäußert.
Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Verfügung vom 3. September 2007) und die Akten dem Thüringer Landessozialgericht vorgelegt.
II.
Die Beschwerde ist nach § 4 Abs. 3 des Gesetzes über die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetschern, Übersetzerinnen und Übersetzern sowie die Entschädigung von ehrenamtlichen Richterinnen, ehrenamtlichen Richtern, Zeuginnen, Zeugen und Dritten (Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz - JVEG -) zulässig. Zur Vollständigkeit wird darauf hingewiesen, dass die Rechtsmittelbelehrung im Beschluss des Sozialgerichts fehlerhaft war; eine Fristenregelung für die Beschwerde existiert nicht.
Die Beschwerde ist begründet.
Bei der Entscheidung sind alle für die Bemessung der Vergütung maßgeblichen Umstände zu überprüfen, unabhängig davon, ob sie der Beschwerdeführer angegriffen hat (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. u.a. Senatsbeschlüsse vom 19. Dezember 2007 - Az.: L 6 B 172/07 SF, 21. Dezember 2006 - Az.: L 6 B 22/06 SF in MedSach 2007, 180 f., 4. April 2005 - Az.: L 6 SF 83/05 in MedSach 2005, 137 ff., 27. Januar 2005 - Az.: L 6 SF 745/04, 17. Mai 2004 - Az.: L 6 SF 732/03, 1. August 2003 - Az.: L 6 SF 220/03 in MedSach 2004, 102 f; ebenso Bayerischer Verwaltungsgerichtshof ≪VGH≫, Beschluss vom 10. Oktober 2005 - Az.: 1 B 97.1352; Landess...