Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsweg. Zuständigkeit der Sozialgerichte für Schadensersatzklage einer Pflegekasse gegen die Anbieter von niederschwelligen Betreuungsangeboten wegen des Vorwurfs einer zu ihren Lasten begangenen Straftat. Falschangaben. rechtswidrige Anerkennung als niedrigschwelliges Betreuungsangebot. unrechtmäßig erbrachte und abgerechnete Leistungen

 

Orientierungssatz

Für die Schadensersatzklage einer Pflegekasse gegen die Anbieter von niedrigschwelligen Betreuungsangeboten wegen des Vorwurfs, aufgrund falscher Angaben rechtswidrig als niedrigschwelliges Betreuungsangebot nach § 45b Abs 1 S 6 Nr 4 SGB 11 anerkannt worden zu sein und deshalb unrechtmäßig Leistungen erbracht und abgerechnet zu haben, ist der Sozialrechtsweg eröffnet (vgl hierzu BSG vom 30.9.2015 - B 3 KR 22/15 B = SozR 4-1500 § 51 Nr 14; Aufgabe LSG Erfurt vom 7.11.2002 - L 6 B 8/02 KR = E-LSG B-244 sowie vom 9.8.2011 - L 6 B 201/07 KR).

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 21.07.2016; Aktenzeichen B 3 SF 1/16 R)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Meiningen vom 30. März 2015 aufgehoben und der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit für zulässig erklärt.

Die Beklagten tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.119,00 Euro festgesetzt.

Die weitere Beschwerde zum Bundessozialgericht wird zugelassen.

 

Gründe

I. Streitig ist, ob der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit gegeben ist.

In der Hauptsache begehrt die klagende Krankenversicherung von den Beklagten den Ersatz des Schadens in Höhe von 10.595,00 Euro in gesamtschuldnerischer Haftung, den diese der Klägerin nach deren Klagebegründung im Zeitraum vom 1. November 2011 bis zum 31. Mai 2013 aufgrund einer gemeinschaftlich begangenen gewerbsmäßigen Betrugshandlung verursacht haben sollen.

Dem liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde: Die Beklagten (Mutter, Vater und Sohn), gegen die die Staatsanwaltschaft M. unter dem Az.: XX wegen Betruges ermittelt, sollen gemeinschaftlich den Familienentlastenden Dienst S. K., … in … betrieben und beim Landesamt für Soziales und Familie in S. am 26. Januar 2007 einen Antrag auf Anerkennung eines niedrigschwelligen Betreuungsangebots nach § 45b Abs. 1 Satz 6 Nr. 4 des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI) gestellt haben. In diesem Antrag sollen die Beklagten bewusst und wahrheitswidrig angegeben haben, dass eine ausgebildete Heilerziehungspflegerin für den Familienentlastenden Dienst als hauptamtliche Pflegefachkraft tätig war. Das Landesamt für Soziales und Familie habe mit Datum vom 28. März 2007 einen Bescheid erlassen, wonach das niedrigschwellige Betreuungsangebot des Familienentlastenden Dienstes S. K. gem. § 2 der Thüringer Verordnung über die Anerkennung und Förderung niedrigschwelliger Betreuungsangebote sowie die Förderung von Modellvorhaben nach §§ 45b Abs. 3 und 45c Abs. 6 SGB XI als niederschwelliges Hilfe- und Betreuungsangebot nach § 45b Abs. 1 Ziffer 4 SGB XI anerkannt worden sei. Dieser Bescheid habe die - wenn auch rechtswidrige - Grundlage dafür gebildet, dass die Beklagten niedrigschwellige Betreuungsangebote erbringen durften und bei den Krankenkassen entsprechend abrechnen konnten. Unter dem 22. November 2013 sei der Bescheid durch das Thüringer Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit mit Wirkung für die Vergangenheit gem. § 48 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 des Thüringer Verwaltungsverfahrensgesetzes (ThürVwVfg) zurückgenommen worden, da zum Zeitpunkt der Anerkennung die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 der Verordnung nicht vorgelegen und die Beklagten hierüber durch falsche Angaben arglistig getäuscht hätten. Durch die Beklagten seien daher zu Unrecht Leistungen bei der Klägerin abgerechnet worden. In der irrigen Annahme, dass die zusätzlichen Betreuungsleistungen auf Grundlage des Bescheides vom 27. März 2007 durch die Beklagten erbracht worden seien und erbracht werden durften, habe die Klägerin die beantragten Leistungen entweder an den Familienentlastenden Dienst direkt oder aber über die Versicherten bzw. deren Angehörige ausgezahlt. Der insgesamt der Klägerin durch die zu Unrecht erfolgten Abrechnungen verursachte Schaden betrage 10.595,00 Euro.

Mit ihrer vor dem Sozialgericht Meiningen (SG) am 9. Februar 2015 erhobenen Klage hat die Klägerin vorgetragen, sie besitze ein besonderes Interesse an der Feststellung der Schadenersatzpflicht, um rechtzeitig im Wege der Zwangsvollstreckung auf die vorläufig gesicherten Vermögenswerte der Beklagten zugreifen zu können. Es bestehe des Weiteren ein rechtliches Interesse an der Feststellung, dass sich die Zahlungspflicht aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung ergebe, damit die Forderung in einem nicht auszuschließenden Insolvenzverfahren der Beklagten von einer etwaig zu erteilenden Restschuldbefreiung nicht erfasst werde. Der geltend gemachte Schadenersatzanspruch sei sowohl dem G...

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