Verfahrensgang
SG Suhl (Beschluss vom 23.11.1993; Aktenzeichen S-4 (3)/Ar-316/93) |
Tenor
Der Beschluß des Vorsitzenden der 4. Kammer des Sozialgerichts Suhl vom 23. November 1993 wird abgeändert. Das Ordnungsgeld gegen den Zeugen … wird auf 150,00 DM, ersatzweise einen Tag Haft, festgesetzt. Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeführers für das Beschwerdeverfahren werden zu 1/3 erstattet.
Tatbestand
I.
Das Sozialgericht Suhl (SG) hat u.a. den Beschwerdeführer zum Termin zur mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme am 27. Oktober 1993, 13.00 Uhr, als Zeugen mit Postzustellungsurkunde geladen. Dem Zeugen wurde die Ladung am 02. Oktober 1993 persönlich unter der Anschrift Schulstraße 6, 98574 Schmalkalden, übergeben. Er wurde mit der Ladung auf die Folgen eines ungenügend entschuldigten Ausbleibens hingewiesen.
Nachdem der Zeuge am 27. Oktober 1993 bis zum Schluß der Beweisaufnahme um 14.00 Uhr nicht erschienen war, hat das Sozialgericht den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Beweisaufnahme vertagt.
Mit Verfügung vom 01. November 1993 hat das SG dem Zeugen Gelegenheit gegeben, Gründe für das Fernbleiben vorzutragen und glaubhaft zu machen.
Unter dem 26. Oktober 1993, beim SG am 19. November 1993 eingegangen, hat der Arbeitgeber des Zeugen erklärt, daß dieser den Termin am 27. Oktober 1993 auf Grund der Auftragslage nicht wahrnehmen könne, aber gewillt sei, zu dem Beweisthema Stellung zu nehmen.
Der Zeuge fügte handschriftlich hinzu, er habe aufgrund der Auftragslage am 27. Oktober 1993 nicht erscheinen können, da er bei Querfurt gearbeitet habe und dort hätte übernachten müssen.
Den Ordnungsgeldbeschluß hat der Vorsitzende der Kammer damit begründet, daß die Entschuldigung des Zeugen sein Fernbleiben nicht zu rechtfertigen vermöge, weil ihm die Ladung so frühzeitig zugestellt worden sei, daß er seine Arbeit darauf hätte einstellen können. Der bloße Umstand, an einem entfernten Ort arbeiten und übernachten zu müssen, greife ebenfalls nicht durch. Ansonsten würden Montagearbeiter generell von der Zeugnis- und Erscheinungspflicht befreit, was nicht im Sinne des Gesetzes sei (Beschluß des Vorsitzenden der 4. Kammer für Sozialrecht des Sozialgerichts Suhl vom 23. November 1993, dem Zeugen am 04. Dezember 1993 zugestellt).
Die Beschwerde hiergegen vom 21. Dezember 1993 hat der Zeuge damit begründet, er werde mit Sicherheit beim nächsten Termin erscheinen. Sein Arbeitgeber habe ein Entschuldigungsschreiben aufgesetzt und dem Gericht zugeleitet. Er wäre bereits zum 27. Oktober 1993 erschienen, doch sei er verhindert gewesen. Im übrigen könne er erklären, selbstverständlich seiner Zeugnispflicht nachkommen zu wollen. Der Vorsitzende hat der Beschwerde nicht abgeholfen und diese dem Landessozialgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Der Beschwerdeführer hat im Beschwerdeverfahren angegeben, sein monatliches Bruttoarbeitsentgelt betrage 2080,00 DM, das monatliche Nettoarbeitsentgelt 1690,00 DM. Ferner habe er monatliche Belastungen u.a. für einen Ehekredit in Höhe von 53,00 DM, für eine Lebensversicherung in Höhe von 50,00 DM und für einen Gasheizungskredit in Höhe von 90,00 DM.
Entscheidungsgründe
II.
Die Beschwerde ist – der Höhe nach teilweise – begründet.
Nach § 118 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) sind auf die Beweisaufnahme u.a. die §§ 380 und 381 der Zivilprozeßordnung (ZPO) entsprechend anzuwenden. Einem ordnungsgemäß geladenen Zeugen, der nicht erscheint, werden, ohne daß es eines Antrages bedarf, die durch das Ausbleiben verursachten Kosten auferlegt. Zugleich wird gegen ihn ein Ordnungsgeld und für den Fall, daß dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft festgesetzt (§ 380 Abs. 1 ZPO). Droht das Gesetz Ordnungsgeld an, ohne – wie hier – dessen Mindest- oder Höchstmaß zu bestimmen, so beträgt das Mindestmaß fünf, das Höchstmaß tausend Deutsche Mark (vgl. Artikel 6 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch – EGStGB). Droht das Gesetz Ordnungshaft an, ohne – wie hier – das Mindest- oder Höchstmaß zu bestimmen, so beträgt das Mindestmaß einen Tag, das Höchstmaß sechs Wochen. Die Ordnungshaft wird in diesem Fall nach Tagen bemessen (vgl. Artikel 6 Abs. 2 EGStGB). Wenn der Zeuge glaubhaft macht, daß die Ladung nicht rechtzeitig zugegangen ist, oder wenn sein Ausbleiben genügend entschuldigt ist, unterbleibt u.a. die Festsetzung eines Ordnungsmittels und die Auferlegung der Kosten (§ 381 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Erfolgt die Glaubhaftmachung oder die genügende Entschuldigung nachträglich, so werden die gegen den Zeugen getroffenen Anordnungen wieder aufgehoben (§ 381 Abs. 1 Satz 2 ZPO).
Bei der Festsetzung des Ordnungsgeldes (sowie der Auferlegung der durch das Ausbleiben verursachten Kosten) geht das Gesetz davon aus, daß sie sofort erfolgt, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen. Dies ergibt sich aus der in § 381 Abs. 1 Satz 2 ZPO für das Gericht begründeten Pflicht, unter Umständen die getroffenen Anordnungen nachträglich wieder aufzuheb...