Entscheidungsstichwort (Thema)
Vollziehungsfrist für eine einstweilige Anordnung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Vollziehung einer einstweiligen Anordnung durch Vollstreckung ist unstatthaft, wenn die Vollstreckung nicht innerhalb der Monatsfrist des § 929 Abs 2 ZPO eingeleitet worden ist. Die Einleitung des Vollzugs innerhalb der Monatsfrist entfällt nicht, obwohl eine öffentlich-rechtliche Körperschaft grundsätzlich nach Art 20 Abs 3 GG an Recht und Gesetz gebunden ist (vgl LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 4.1.2007 - L 11 B 509/06 AS ER).
2. Bei wiederkehrenden Leistungen muss allerdings die Fälligkeit der konkreten Teilleistung berücksichtigt werden (vgl VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 17.12.1999 - 7 S 2505/99 -; OLG Koblenz, Urteil vom 24.8.1978 - 13 UF 268/78 -, offen gelassen in LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 11.1.2006 - L 7 SO 4891/05 ER-B -; aA OLG Karlsruhe, Urteil vom 2.10.1991 - 2a UF 169/91 -; OLG Köln, Urteil vom 10.07.1985 - 26 UF 83/85 -; OLG Köln, Urteil vom 6.11.1984 - 4 UF 193/84 -).
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 08. Juni 2007 aufgehoben und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Antragsteller begehren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes.
Die seit 2006 verheirateten Antragsteller zu 1) und 2) beantragten unter dem 10. Januar 2007 für sich und die Kinder der Antragstellerin zu 1), die 1999 geborene Antragstellerin zu 3) und den 2003 geborenen Antragsteller zu 4), Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II). Die Familie bewohnt gemeinsam eine Mietwohnung mit drei Räumen. Der Antragsteller zu 2) ist gegenüber den Kindern A. (geb. 1994) und A1. (geb. 2001), die beide nicht bei ihm leben, zum Unterhalt verpflichtet.
Mit Bescheid vom 17. Januar 2007 lehnte die Antragsgegnerin Leistungen ab, weil Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II nicht vorliege. Hiergegen legten die Antragsteller Widerspruch ein und begründeten ihn hauptsächlich damit, dass unzulässigerweise das gesamte Arbeitslosengeld ohne den gepfändeten Unterhalt herangezogen worden sei.
Am 30. März 2007 bewilligte die Bundesagentur für Arbeit, Agentur für Arbeit Gotha dem Antragsteller zu 2) für die am 11. März 2007 aufgenommene selbständige Tätigkeit einen Gründungszuschuss bis 10. Dezember 2007 nach § 57 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) von monatlich 1.509,90 €. Der Bescheid enthält den Hinweis, dass der Betrag eine Pauschale von 300.- € zur sozialen Sicherung enthalte.
Mit Antrag vom 11. April 2007 begehrten die Antragsteller erneut Grundsicherungsleistungen. Mit Bescheid vom 03. Mai 2007 lehnte die Antragsgegnerin sie ab, da Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II weiterhin nicht vorliege. Dagegen legten die Antragsteller Widerspruch ein. Über beide Widersprüche hat die Antragsgegnerin bislang nicht entschieden.
Am 07. Mai 2007 haben die Antragsteller beim Sozialgericht Gotha den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Mit Beschluss vom 08. Juni 2007 verpflichtete dieses die Antragsgegnerin, Leistungen nach dem SGB II ab 07. Mai 2007 bis 30. November 2007 ohne Anrechnung des Gründungszuschusses in gesetzlicher Höhe zu bewilligen. Der Beschluss wurde den Beteiligen mit Empfangsbekenntnis (EB) zugestellt und zwar den Prozessbevollmächtigten der Antragsteller am 12. Juli 2007 und der Antragsgegnerin am 11. Juli 2007.
Die Antragsgegnerin hat am 18. Juli 2007 Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts eingelegt. Das Sozialgericht hat ihr nicht abgeholfen (Verfügung vom 19. Juli 2007) und sie dem Thüringer Landessozialgericht vorgelegt.
Unter dem 11. September 2007 haben die Antragsteller um “Übersendung einer vollstreckbaren Ausfertigung des Beschlusses vom 09. Juli 2007„ gebeten. Die Antragsgegnerin hat die einstweilige Anordnung des Sozialgerichts bis heute nicht umgesetzt.
Die Antragsgegnerin geht davon aus, dass der Gründungszuschuss der Sicherung des Lebensunterhaltes und der sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung diene. Er sei Einkommen. Die Unterhaltsverpflichtungen des Ehemanns seien bei der Einkommensberechnung berücksichtigt worden.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 08. Juni 2007 aufzuheben und den Antrag abzulehnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie habe vergeblich versucht, den Beschluss vom 08. Juni 2007 durch Vorlage beim Jugendamt und Schulverwaltungsamt umzusetzen. Gegenstand des Verfahrens seien die Bescheide vom 17. Januar und 11. April 2007. Bei verschiedenen Gläubigern seien erhebliche Zahlungsrückstände aufgelaufen, so dass sie dringend auf die Leistungen angewiesen seien. Nach den Angaben im Aussetzungsverfahren (Az.: L 9 AS 983/07 ER) sieht der Antragsteller zu 2) aufgrund der Nichtbewilligung der Leistungen nach dem SGB II seine Existenzgründun...