Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Einigungsgebühr. gemeinsame Einigung in mehreren Rechtsstreiten
Orientierungssatz
Bei einer gemeinsamen Einigung in mehreren Rechtsstreitigkeiten derselben Beteiligten entsteht die Einigungsgebühr grundsätzlich in jedem Verfahren (Entgegen LSG Essen vom 6.10.2016 - L 19 AS 646/16 B = AGS 2017, 17 und OVG Münster vom 1.2.2016 - 8 E 651/15 = AGS 2016, 269).
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Nordhausen vom 12. Juli 2017 wird zurückgewiesen.
Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Höhe der aus der Staatskasse zu erstattenden Rechtsanwaltsvergütung für ein beim Sozialgericht Nordhausen anhängig gewesenes Verfahren, in dem der Beschwerdegegner die Kläger vertrat. Im Hauptsacheverfahren S 23 AS 4147/11 begehrten die Kläger unter Abänderung eines Bewilligungsbescheides vom 7. September 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. April 2011 höhere Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. September bis 31. Dezember 2009. Zugleich begehrten sie in dem Verfahren S 23 AS 4148/11 unter Abänderung eines Bescheides der Beklagten vom 10. September 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. April 2011 für den Zeitraum 1. September 2010 bis 28. Februar 2011 und im Verfahren S 28 AS 4145/11 höhere Leistungen für den Zeitraum 1. März 2011 bis 30. Juli 2011.
Das Sozialgericht gewährte den Klägern mit Beschlüssen jeweils vom 3. April 2014 in den Verfahren S 23 AS 4145/11, S 23 AS 4147/11 und S 23 AS 4148/11 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung des Beschwerdeführers.
In den Verfahren fand am 3. April 2014 ein gemeinsamer Erörterungstermin statt. Die Verfahren wurden getrennt geladen. Ausweislich der Niederschrift fand eine gemeinsame Erörterung und Zeugeneinvernahme in der Zeit von 13:05 Uhr bis 13:59 Uhr statt. Sodann schlossen die Beteiligten auf Anraten des Sozialgerichts einen Vergleich. In diesem verpflichtete sich die Beklagte, an die Klägerin einen Betrag von 2.466,60 Euro - ohne einen nochmaligen Bescheid zu erteilen - zu zahlen und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zur Hälfte zu tragen.
Am 16. Mai 2014 beantragte der Beschwerdeführer jeweils in allen drei Verfahren die Festsetzung folgender Gebühren:
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Verfahrensgebühr (Nr. 3103 VV-RVG) |
170,00 EUR |
Terminsgebühr (Nr. 3106 VV-RVG) |
300,00 EUR |
Einigungsgebühr (Nr. 1006 VV-RVG) |
190,00 EUR |
Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen (Nr. 7002 VV-RVG) |
20,00 EUR |
Fahrtkosten anteilig (Nr. 7003 VV-RVG) |
12,50 EUR |
Zwischensumme |
732,70 EUR |
Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV-RVG) |
139,21 EUR |
Gesamtbetrag |
871,91 EUR |
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss (richtig Vergütungsfestsetzungsbeschluss) vom 18. August 2014 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) die zu zahlende Vergütung aus der Staatskasse jeweils wie folgt fest:
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Verfahrensgebühr (Nr. 3103 VV-RVG) |
170,00 EUR |
Terminsgebühr (Nr. 3106 VV-RVG) |
200,00 EUR |
Auslagenpauschale (Nr. 7002 VV-RVG) |
20,00 EUR |
Fahrtkosten (Nr. 7003 VV-RVG) |
12,50 EUR |
Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV-RVG) |
84,11 EUR |
Gesamtbetrag |
526,81 EUR |
Hinsichtlich der Terminsgebühr wurde die Mittelgebühr als angemessen erachtet. Eine Einigungsgebühr könne nicht in Ansatz gebracht werden. Im Erörterungstermin am 3. April 2014 sei in drei Parallelverfahren ein Vergleich geschlossen worden. In dem Verfahren S 23 AS 4145/11 sei die Einigungsgebühr in Höhe der Mittelgebühr aus der Staatskasse erstattet worden. Eine einheitliche Einigung bezüglich mehrerer Gegenstände führe nur zum Entstehen einer Einigungsgebühr.
Gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss hat der Beschwerdegegner am 29. Oktober 2014 Erinnerung eingelegt. Die Einigungsgebühr sei anzusetzen. Die Staatskasse ist der Erinnerung entgegengetreten und hat auf die Ausführungen in dem Vergütungsfestsetzungsbeschluss verwiesen.
Mit Beschluss vom 12. Juli 2017 hat das Sozialgericht den Vergütungsfestsetzungsbeschluss vom 18. August 2014 abgeändert und die in dem Verfahren S 23 AS 4147/11 aus der Staatskasse zu erstattenden Gebühren und Auslagen auf 752,91 EUR festgesetzt. Die Festsetzung der Terminsgebühr in Höhe der Mittelgebühr sei nicht zu beanstanden. Die Einigungsgebühr nach Nr. 1005, 1006 VV-RVG sei entgegen den Ausführungen im Vergütungsfestsetzungsbeschluss entstanden. Die erfolgte Protokollierung eines einheitlichen Vergleiches für alle drei geladenen Verfahren stehe dem nicht entgegen. Kostenrechtlich mache es keinen Unterschied, ob der Vergleich einheitlich oder separat für jedes geladene Verfahren protokolliert werde. Den Vorschriften über Betragsrahmengebühren nach § 3 RVG sei ein solcher Mehrvergleich fremd, da Streitwerte hier ohne Belang seien. Auch sehe das Vergütungsverzeichnis eine besondere Berücksichtigung von Mehrvergleichen nicht vor. Die Erledigung von weiteren, über den Prozessstoff hinaus reichenden Streitgegenständen, sei für die Entstehung einer Einigungsgebühr ohne Bedeutung...