Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz. Regelungsanordnung. Anordnungsgrund bei Geltendmachung abgetretener Leistungsansprüche wegen noch nachzuzahlender Betriebskosten durch den Zessionar. Geltendmachung eigener Hilfebedürftigkeit nach dem SGB 2. instanzielle Unzuständigkeit des Beschwerdegerichts bei erstmalig im Rahmen des Beschwerdeverfahrens gestellten Anträgen
Leitsatz (amtlich)
1. Zum Anordnungsgrund bei erfolgter Zession: Im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens nach § 86b Abs 2 S 2 SGG müssen, um Wertungswidersprüche zu vermeiden, Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch grundsätzlich demselben Rechtsverhältnis entspringen. Aus abgetretenen Forderungen kann für den Zessionar regelmäßig kein Anordnungsgrund hergeleitet werden. Dies gilt auch, wenn für den Zedenten - vor der Zession - grundsätzlich ein Anordnungsgrund anzunehmen gewesen wäre. Anderenfalls könnte das einstweilige Rechtsschutzverfahren so durch Abtretungen nach Belieben - inkassogleich - genutzt werden, um offene Forderungen auch anderer oder bei tatsächlich nicht bestehender Eilbedürftigkeit beizutreiben.
Auch soweit der Antragsteller als Zessionar, die Eilbedürftigkeit mit seiner eigenen Hilfebedürftigkeit nach dem SGB 2 begründet, ist er darauf zu verweisen, diese Hilfebedürftigkeit durch eine - gegebenenfalls gerichtliche - Geltendmachung des Leistungsanspruchs zu beseitigen und nicht übers Eck im Rahmen einer Befriedigung anderer Forderungen durch den Antragsgegner.
2. Über Anträge, die erst im Beschwerdeverfahren geltend gemacht werden, kann das Beschwerdegericht mangels instanzieller Zuständigkeit nicht entscheiden (Fortführung LSG Erfurt vom 22.2.2012 - L 4 AS 1825/11 B ER).
Tenor
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 29. Oktober 2012 wird zurückgewiesen.
Soweit der Antragsteller zu 1) mit Schriftsatz vom 17. März 2013 Leistungen nach dem SGB II begehrt hat, haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.
Im Übrigen tragen die Antragsteller auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert für das Verfahren vor dem Sozialgericht wird unter Abänderung des Beschlusses des Sozialgerichts Gotha vom 29. Oktober 2012 auf 1.907,06 Euro festgesetzt.
Für das Beschwerdeverfahren wird der Streitwert auf 22.855,75 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragsteller begehren von dem Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens Geldzahlungen.
Die Antragsteller sind Eigentümer eines Mietshauses in der M. A. 90 in E.. Von ihren Mietern, zumindest aber der Mieterin N. St., ließen sie sich deren Forderung aus Sozialhilfe, Wohngeld, Arbeitslosenhilfe, Arbeitslosengeld, Arbeitslohn und sonstiger Einahmen, Beihilfen und Guthaben unwiderruflich abtreten. Die Mieterin St. war - zumindest - in den Jahren 2009 und 2010 Mieterin der Antragsteller und zumindest zeitweise auch Leistungsempfänger des Antragsgegners. Der Antragsteller zu 1) ist aktuell nicht im Leistungsbezug, erstreitet diesen aber im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens (L 4 AS 283/13 B ER). Der Antragsteller zu 2) befindet sich nicht im Leistungsbezug.
Unter dem 25. Juni 2012 haben die Antragsteller unter Bezugnahme auf die Abtretungserklärung der Frau St. beim Sozialgericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung dahingehend beantragt, dass der Antragsgegner verpflichtet wird, die Forderung aus den Betriebskostenabrechnungen der Frau St. für 2009 (299,43 Euro) und 2010 (1.607,63 Euro) direkt an die Antragsteller zu zahlen.
Nachdem der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 16. Juli 2012 mitgeteilt hat, dass er für 2009 einen Betrag von 215,62 Euro und für 2010 einen Betrag von 483,31 Euro angewiesen hat, hat das Sozialgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 29. Oktober 2012 abgelehnt. Die Antragsteller würden für 2009 noch 299,43 Euro und für 2010 noch 763,31 Euro begehrten. Soweit der Antragsgegner diese Forderungen jedenfalls zum Teil beglichen hat, fehle es am Rechtschutzbedürfnis; im Übrigen fehle es an der Darlegung und Glaubhaftmachung der Eilbedürftigkeit und schließlich würde die Abtretungserklärung von Frau St. nicht den vorliegenden Streitgegenstand betreffen, so dass es auch an einem Anordnungsanspruch fehle.
Hiergegen wenden sich die Antragsteller mit ihrer Beschwerde vom 4. Dezember 2012. Mit Schriftsatz vom 13. März 2013 haben die Antragsteller den Streitgegenstand dann insoweit beziffert, dass für 2009 noch 83,81 Euro und für 2010 noch 280 Euro zu zahlen wären. Darüber hinaus haben die Antragsteller ausgeführt, für 2011 begehre man eine Betriebskostennachzahlung in Höhe von 120,75 Euro und im Übrigen eine Nutzungsentschädigung in Höhe von 1.470 Euro für die Monate November 2010 bis Januar 2011. Mit Schriftsatz vom 19. März 2013 haben die Antragsteller ihren Antrag dahingehend erweitert, noch weitere Zahlungen aus abgetretenen Ansprüchen (E. L. - 3.038,06 Euro; M. C. und D. R. - 3.102,85; O. M. - 6.062,72 Euro...