Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Entschädigung eines sachverständigen Zeugen. Voraussetzungen einer gutachterlichen Äußerung nach § 10 Abs 1 Anl 2 Nr 202 JVEG. Auslegung des Auftrags. verständiger Empfänger. Beurteilung einer außergewöhnlich umfangreichen Leistung gemäß § 10 Abs 1 Anl 2 Nr 201 JVEG. Umfang der Ausführungen. Indizwirkung. Abstellen auf Ausmaß der Arbeit
Orientierungssatz
1. Eine gutachterliche Äußerung iS der Nr 202 der Anl 2 zu § 10 Abs 1 JVEG setzt voraus, dass aus bestimmten Tatsachen konkrete Schlussfolgerungen gezogen, Kenntnisse von Erfahrungssätzen oder mit besonderem Fachwissen Tatsachen festgestellt werden (vgl LSG Erfurt vom 4.1.2010 - L 6 SF 53/09).
2. Der Anspruch auf Vergütung nach dem JVEG hängt nicht davon ab, wie der Beauftragte seinen Auftrag verstanden hat, sondern wie er ihn verstehen durfte. Behördliche oder gerichtliche Verlautbarungen sind grundsätzlich immer so zu verstehen, wie dies verständige Empfänger unter Würdigung aller ihnen bekannten Umstände aufzufassen pflegen (vgl LSG Erfurt vom 4.1.2010 - L 6 SF 53/09).
3. Der Senat teilt die Auslegung nicht, dass eine außergewöhnlich umfangreiche Leistung iS der Nr 201 der Anl 2 zu § 10 Abs 1 JVEG erst dann vorliegt, wenn der Befundbericht sechs Seiten erreicht (so zB LSG München vom 7.7.2016 - L 15 RF 23/16). Diese pauschalierende Herangehensweise berücksichtigt nicht, dass im Einzelfall eine hohe Zeilenzahl ebenso wenig aussagekräftig ist (zB bei dem ungefilterten Übernehmen aller in den Karteien befindlichen Informationen) wie eine geringe (so zu Recht LSG Essen vom 28.2.2001 - L 10 SB 50/00), die auch auf einer straffen Gliederung und Zusammenfassung beruhen kann.
4. Der Umfang der Ausführungen kann nur als Indiz herangezogen werden (vgl LSG Erfurt vom 27.2.2008 - L 6 B 134/07 SF). In der Hauptsache ist auf das Ausmaß der für die Erstellung des Befundscheins erforderlichen und ersichtlichen Arbeit abzustellen (ebenso LSG Essen vom 28.2.2001 - L 10 SB 50/00; SG Braunschweig vom 7.1.2011 - S 36 R 287/09), sofern sie durch die gerichtliche Anforderung gedeckt ist.
Tenor
Die Entschädigung für den Befundbericht vom 18. Dezember 2017 wird auf 48,20 Euro festgesetzt.
Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.
Gründe
Nach dem Geschäftsverteilungsplan des Thüringer Landessozialgerichts in Verbindung mit dem Geschäftsverteilungsplan des 1. Senats hat der Berichterstatter des 1. Senats über das Begehren des Erinnerungsführers, den Befundbericht vom 18. Dezember 2017 mit 65,20 Euro zu entschädigen, zu entscheiden.
Auf die nach § 4 Abs. 1 des Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetzes (JVEG) zulässige Erinnerung wird die Entschädigung für den Befundbericht vom 18. Dezember 2017 auf 48,20 Euro festgesetzt.
Der Erinnerungsführer ist sachverständiger Zeuge (§ 414 der Zivilprozessordnung ≪ZPO≫), denn er berichtete als früher behandelnder Arzt über vergangene Tatsachen und Zustände, die er kraft besonderer Sachkunde ohne Zusammenhang mit einem gerichtlichen Gutachtensauftrag wahrgenommen hatte (vgl. BSG, Urteil vom 26. November 1991 - 9a RV 25/90, nach Juris; ThürLSG Beschluss vom 30. November 2005 - L 6 SF 738/05; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Sozialgerichtsgesetz, 12. Auflage 2017, § 118 Rn. 10c).
Für einen sachverständigen Zeugen gelten die Vorschriften über den Zeugenbeweis einschließlich der Regelungen über deren Entschädigung nach § 19 JVEG sowie die Sonderregelungen in § 10 Abs. 1 JVEG, wenn er entsprechende Leistungen erbringt. Nach der Anlage 2 zu § 10 Abs. 1 JVEG wird die Ausstellung eines Befundscheins wie folgt entschädigt:
|
Nr. 200 ohne nähere gutachtliche Äußerung |
21,00 Euro |
Nr. 201 Die Leistung der in Nummer 200 genannten Art ist außergewöhnlich umfangreich: Das Honorar 200 beträgt |
bis zu 44,00 Euro |
Nr. 202 Zeugnis über einen ärztlichen Befund mit von der heranziehenden Stelle geforderter kurzer gutachtlicher Äußerung oder Formbogengutachten, wenn sich die Fragen auf Vorgeschichte, Angaben und Befund beschränken und nur ein kurzes Gutachten erfordern |
38,00 Euro. |
Hier ist der Befundbericht vom 18. Dezember 2017 nach Nr. 200 der Anlage 2 zu § 10 Abs. 1 JVEG mit 21,00 € zu honorieren. In einem Befundbericht werden üblicherweise formularmäßig standardisierte Fragen zur erhobenen Anamnese, den Befunden, ihre epikritische Bewertung und Stellungnahme zur Therapie anhand der vorliegenden Behandlungsunterlagen beantwortet. So liegt es hier.
Eine demgegenüber höher zu entschädigende gutachtliche kurze Äußerung nach Nr. 202 der Anlage 2 zu § 10 Abs. 1 JVEG ist nicht feststellbar. Eine gutachtliche Äußerung im Sinne der Nr. 202 der Anlage 2 zu § 10 Abs. 1 JVEG setzt voraus, dass aus bestimmten Tatsachen konkrete Schlussfolgerungen gezogen, Kenntnisse von Erfahrungssätzen oder mit besonderem Fachwissen Tatsachen festgestellt werden (vgl. Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 04. Januar 2010 - L 6 SF 53/09 -, Juris). Diesen Voraussetzungen genügt der Befundbericht vom 18. ...