Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufung. Zulassung. Berufungssumme. keine Berücksichtigung von Zinsen. Rechtsstreit über präoperative Kryokonservierung und Einlagerung von Sperma
Orientierungssatz
Die Berufung bei einem Rechtsstreit um die Übernahme der Kosten einer so genannten präoperativen Kryokonservierung und Einlagerung von Sperma ist nicht zuzulassen, wenn die Beschwer unter 1000 DM liegt. Dabei werden aus der Klageforderung zu berechnende Zinsen bei der Bestimmung der Berufungssumme nicht berücksichtigt.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Kläger wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Übernahme der Kosten einer sog. präoperativen Kryokonservierung und Einlagerung von Sperma.
Der 1975 geborene Kläger litt an einem Keimzellenmischtumor des rechten Hodens. Während der stationären Behandlung vom 24. Februar bis 6. März 1999 im Kreiskrankenhaus R. wurde ihm am 24. Februar 1999 der rechte Hoden entfernt. Am 11. März 1999 beantragte die Stationsärztin Dr. S. von der Urologischen Abteilung des Kreiskrankenhauses R. fernmündlich bei der Beklagten die Kostenübernahme für die Kryokonservierung der Samenzellen des Klägers.
Die Beklagte holte zwei Stellungnahmen des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) Thüringen ein und lehnte mit Bescheid vom 18. März 1999 die Kostenübernahme für die Kryokonservierung der Samenzellen ab. Der Kläger ließ diese am gleichen Tage in der Klinik für Hautkrankheiten des H. Klinikums E. durchführen und den Samen einlagern. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 18. Mai 1999). Das H. Klinikum E. stellte dem Kläger unter dem 7. Juni 1999 insgesamt 932,00 DM (= 476,52 €) für die Kryokonservierung und die Einlagerung in Rechnung.
Das Sozialgericht Nordhausen hat die auf Erstattung dieser Kosten gerichtete Klage mit Urteil vom 22. Mai 2000 ohne mündliche Verhandlung zurückgewiesen. Nach der beigefügten Rechtsmittelbelehrung kann das Urteil innerhalb eines Monats nach seiner Zustellung mit der Berufung angefochten werden.
Am 1. September 2000 haben die Prozessbevollmächtigten des Klägers "Berufung" gegen das Urteil eingelegt.
Sie machen u.a. geltend, das Sozialgericht habe zu Unrecht eine unmittelbare Herleitung des Kostenerstattungsanspruchs aus § 27 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) in verfassungskonformer Auslegung verneint. Die Zeugungsunfähigkeit des Klägers stelle eine Krankheit dar; die Zeugungsunfähigkeit werde durch Einfrieren und Einlagern der Samenzellen zumindest partiell verhindert, sodass die Verhütung einer Verschlimmerung bzw. Linderung von Krankheitsbeschwerden im Sinne der Vorschrift vorliege. Das Sperma sei für zwei Jahre eingelagert worden, so dass sich unter Einbeziehung von Zinsen in Höhe von 144,77 € eine Beschwer von 621,30 € ergebe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom 22. Mai 2000 und den Bescheid der Beklagten vom 18. März 1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Mai 1999 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten für die Kryokonservierung und die Einlagerung zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich im Wesentlichen auf die Gründe des erstinstanzlichen Urteils.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Prozess- und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist nicht statthaft und daher nach § 158 Satz 1 Alt. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen (§ 158 Satz 2 SGG). Der Senat war auf Grund der Tatsache, dass das Sozialgericht seine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung getroffen hat, nicht gehindert, durch Beschluss zu entscheiden. § 158 Abs. 1 und 2 SGG enthält keine entsprechende Einschränkung (vgl. Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 7 Auflage 2002, § 158 Rdnr. 6). Die Beteiligten sind mit Verfügung vom 4. September 2003 wegen des beabsichtigten Beschlusses angehört worden.
Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG in der hier anzuwendenden und bis zum 1. Januar 2002 maßgeblichen Fassung bedarf die Berufung der Zulassung im Urteil des Sozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 1.000 DM nicht übersteigt.
So ist es im vorliegenden Fall. Nach dem Vorbringen des Klägers und der von ihm überreichten Rechnung vom 7. Juni 1999 sowie der "Ersatzrechnung" vom 14. Juli 2003 beträgt seine Beschwer 932,00 DM. Weitere Kosten hat er nicht belegt und sind auch für den Senat nicht ersichtlich. Insbesondere hat der Kläger trotz gegenteiliger Behauptung und entsprechender Nachfrage des Senats nicht nachgewiesen, dass eine Einlagerung des Spermas nicht für ein Jahr (Gesamtkosten: 408,00 DM) sondern für zwei Jahre (Gesamtko...