Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. grobe Gesetzeswidrigkeit der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verwaltungsverfahren
Orientierungssatz
Das angerufene Gericht kann nur eine Entscheidung über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den eröffneten Rechtszug treffen. Rechtszug ist kostenrechtlich zu verstehen. Er beginnt mit der Einreichung der Klage und endet mit dem Wirksamwerden des Schlussurteils, bzw mit dem Abschluss eines Vergleichs oder der Rücknahme der Klage. Ein Vorverfahren ist - auch kostenrechtlich - nicht Teil des gerichtlichen Verfahrens. Daher ist die PKH-Bewilligung für ein Verfahren bei einer Verwaltungsbehörde vor Klageerhebung nicht denkbar und unwirksam. Gleiches gilt für einen Beschluss, in dem sich - wie hier - die PKH-Bewilligung zusätzlich zum Klageverfahren auch auf das vorgeschaltete Verwaltungsverfahren erstreckt. Dann ist dieser Teil nichtig.
Tenor
Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts Altenburg vom 14. November 2014 aufgehoben und die dem Beschwerdeführer aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung für das Verfahren S 28 SB 2737/11 auf 583,89 Euro festgesetzt.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.
Gründe
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren streitig. Der 1970 geborene Kläger hatte am 27. Mai 2010 bei der Beklagten die Feststellung seiner Schwerbehinderung beantragt. Gegen die ablehnenden Bescheide hatte der ihn auch im Widerspruchsverfahren vertretende Beschwerdeführer beim Sozialgericht Altenburg (SG) am 22. Juli 2011 Klage erhoben (S 28 SB 2737/11) und Prozesskostenhilfe (PKH) unter seiner Beiordnung beantragt. Das SG zog diverse medizinische Unterlagen bei und holte ein psychiatrisches Gutachten des Sachverständigen K. vom 23. Oktober 2013 ein, wonach ein Grad der Behinderung (GdB) von 30 vorliegt. Mit Schriftsatz vom 29. Januar 2014 erklärte sich die Beklagte bereit, dem Kläger einen GdB von 30 zuzuerkennen. Mit Beschluss vom 11. Februar bewilligte das SG dem Kläger Prozesskostenhilfe (PKH) "ab 27.05.2010" und ordnete den Beschwerdeführer bei. In der 10 Minuten dauernden mündlichen Verhandlung am 12. Februar 2014 nahm dieser nach der Niederschrift für den Kläger "dieses Anerkenntnis der Beklagten" an und erklärte den Rechtsstreit für erledigt.
In seinem Antrag vom 12. Februar 2014 beantragte der Beschwerdeführer für das Verfahren die Festsetzung einer Vergütung von 1.040,66 Euro (erhaltene Beratungshilfe 99,96 Euro): Geschäftsgebühr Nr. 2401, 2400 VV-RVG 120,00 Euro Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV-RVG 250,00 Euro Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG 200,00 Euro Einigungsgebühr Nr. 1006, 1005 VV-RVG 190,00 Euro Fahrtkosten Nr. 7003 VV-RVG 180 km x 0,30 Euro 54,00 Euro Tage- und Abwesenheitsgeld Nr. 7005 VV-RVG 20,00 Euro Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV-RVG 40,00 Euro Zwischensumme 874,00 Euro Umsatzsteuer 166,06 Euro Gesamtbetrag 1.040,06 Euro
Mit Beschluss vom 20. Februar 2014 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) die Vergütung auf 718,76 Euro fest: Geschäftsgebühr Nr. 2401, 2400 VV-RVG 120,00 Euro Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV-RVG 170,00 Euro Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG 200,00 Euro Fahrtkosten Nr. 7003 VV-RVG 180 km x 0,30 Euro 54,00 Euro Tage- und Abwesenheitsgeld Nr. 7005 VV-RVG 20,00 Euro Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV-RVG 40,00 Euro Umsatzsteuer 114,76 Euro Gesamtbetrag 718,76 Euro. Sie führte u.a. aus, der Beschwerdeführer habe aufgrund der Tätigkeit im Verwaltungsverfahren einen geringeren Aufwand gehabt. Die Mittelgebühr der Nr. 3103 VV-RVG sei angemessen. Eine Erledigungsgebühr komme nicht in Betracht, weil keine über die Klageeinlegung hinausgehende Tätigkeit vorliege.
In seiner Erinnerung vom 27. Februar 2014 hat der Beschwerdeführer vorgetragen, die Verfahrensdauer (ca. drei Jahre) hätte sogar eine weit höhere Verfahrensgebühr als 170,00 Euro gerechtfertigt. Er habe aufgrund seiner Annahme des Anerkenntnisses und der Erledigungserklärung auch Anspruch auf die Erledigungsgebühr.
Der Beschwerdegegner hat am 12. August 2014 Erinnerung eingelegt und beantragt, die Vergütung auf 433,16 Euro festzusetzen. Eine Erstattung der Geschäftsgebühr Nr. 2400 VV-RVG komme trotz der fehlerhaften Festsetzung im Beschluss vom 11. Februar 2014 nicht in Betracht. Die Terminsgebühr könne angesichts der Dauer der Verhandlung nur in Höhe der halben Mittelgebühr und die Pauschale Nr. 7002 VV-RVG in Höhe von 20,00 Euro festgesetzt werden. Eine Erledigungsgebühr scheide aus.
Mit Beschluss vom 14. November 2014 hat das SG die Vergütung des Beschwerdeführers auf 433,16 Euro festgesetzt. Eine Geschäftsgebühr Nr. 2400 VV-RVG sei trotz des offensichtlich unrichtigen Bewilligungsdatums im PKH-Beschluss nicht anzusetzen. Die offensichtlich falsche Datenbenennung würde gegen § 119 der Zivilprozessordnung (ZPO) verstoßen. Es sei nicht davon auszugehen, dass dies im Sinne des "Verbots einer reformatio in peius" nicht zulässig sei. D...