Entscheidungsstichwort (Thema)
Fahrtkostenerstattung nur für kürzeste Wegstrecke. Grundsätze der Kostenerstattung für Begleitperson. Kein Vertrauensschutz bei hausärztlichem Attest über Erfordernis einer Begleitperson
Leitsatz (redaktionell)
1. Im Rahmen der Fahrtkostenerstattung von Zeugen muss grundsätzlich die Reiseroute ausgewählt werden, durch die die Gesamtentschädigung am niedrigsten ausfällt. Bei Kraftfahrzeugen ist dies regelmäßig bei der kürzesten Strecke der Fall.
2. Fahrtkosten für Begleitpersonen werden ersetzt, soweit sie notwendig sind. Ob dies tatsächlich der Fall ist, ist eine Tatfrage und im Zweifelsfall vom Gericht nach freiem Ermessen zu entscheiden.
Normenkette
JVEG § 5 Abs. 2, § 7 Abs. 1 S. 2
Tenor
Die Entschädigung der Antragstellerin anlässlich der Untersuchung am 20. April 2005 wird auf 120,00 EUR festgesetzt.
Der Beschluss ist unanfechtbar.
Tatbestand
I.
In dem Berufungsverfahren der Antragstellerin gegen die Landesversicherungsanstalt Thüringen (Az.: L 6 RJ 924/02) beauftragte der Berichterstatter des 6. Senats des Thüringer Landessozialgerichts den Direktor der Klinik für innere Medizin/Kardiologie am Herzzentrum der Universität L., Prof. Dr. S., mit Beweisanordnung vom 11. Februar 2005 mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens aufgrund ambulanter ggf. stationärer Untersuchung.
Das Anschreiben an die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin enthält u.a. folgenden Passus: „Kosten für den Transport mit einem Kranken- oder Mietwagen oder für eine Begleitperson können nur erstattet werden, wenn der ärztliche Sachverständige die Notwendigkeit bescheinigt”. In dem ebenfalls übersandten Formular „Hinweise zur Entschädigung” ist unter 1 e) vermerkt: „Für eine notwendige Begleitperson kann nur dann Kostenerstattung erfolgen, wenn der Gutachter die Notwendigkeit der Begleitung bescheinigt und Sie dem Begleiter zum Ersatz verpflichtet sind”.
Der Sachverständige untersuchte die Antragstellerin am 20. April 2005. In der „Bescheinigung des Gutachters” wird eine Untersuchung von 9:00 bis 16:00 Uhr angegeben. Bei der Frage, ob eine Begleitperson aus gesundheitlichen Gründen oder wegen körperlicher Gebrechen erforderlich sei, ist „Mutter” eingetragen. Der Sachverständige kam in seinem Gutachten vom 13. Mai 2005 zu dem Ergebnis, die Antragstellerin könne noch mindestens sechs Stunden täglich arbeiten.
Mit ihrem am 28. April 2005 eingegangenen „Antrag auf Erstattung von Fahrkosten” machte die Antragstellerin 114,00 EUR Fahrtkosten für eine Gesamtstrecke von 456 km, Aufwand und Zehrkosten von 12,00 EUR sowie Verdienstausfall für eine Begleitperson (Mutter M. K.), belegt durch die Verdienstbescheinigung der Rechtsanwälte Dr. V. und R. vom 21. April 2005, für die um 6:00 Uhr angetretene und um 19:00 Uhr des gleichen Tages beendete Reise, geltend.
Mit Verfügung vom 29. April 2005 veranlasste der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die Zahlung von 120,00 EUR. Auf seine Anfrage vom gleichen Tage, weshalb eine Begleitperson erforderlich gewesen sei, trugen die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin vor, aus gesundheitlichen Gründen sei ihr die Reise nach L. nur in Begleitung möglich gewesen. Sie reichten ein Attest der Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin Dr. B. vom 10. Mai 2005 ein, nach dem der Antragstellerin aufgrund von erheblichen psychischen und physischen Beschwerden (reduzierter Kräfte- und Allgemeinzustand, kardiale Problematik, chronische Bronchitis und momentan zusätzlich starken Beschwerden durch Morbus Meulengracht in Form von Kopfschmerzen, Schlappheit, Oberbauchschmerzen, anhaltendem Juckreiz) die Vorstellung in L. nur in Begleitung einer ihr vertrauten Person möglich gewesen sei. Mit Verfügung vom 26. Mai 2005 lehnte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle unter Hinweis auf das Gutachten vom 13. Mai 2005 eine Erstattung der Kosten für die Begleitung ab.
Am 20. Juni 2005 haben die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin die Festsetzung der Vergütung beantragt. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat auf dem Schriftsatz unter dem 22. Juni 2005 „Ich helfe nicht ab” verfügt und die Akten dem erkennenden Senat zugeleitet.
Auf Anfrage hat der Sachverständige Prof. Dr. S. unter dem 30. Juni 2005 mitgeteilt, die Patientin könne eigenständig öffentliche Verkehrsmittel benutzen und wäre daher in der Lage gewesen, die Anreise und den Termin zur Untersuchung alleine zu bewältigen. Der Senat hat das Gutachten des Prof. Dr. S. vom 13. Mai 2005 und das neurologisch-psychiatrische Gutachten des Dr. O. vom 28. Juli 2005 zu dem Verfahren beigezogen.
Die Antragstellerin ist der Ansicht, die Begleitung ihrer Mutter sei notwendig gewesen. Dies ergebe sich aus dem Attest der behandelnden Ärztin Dr. B. vom 10. Mai 2005. Das Ergebnis der Beurteilung des Prof. Dr. S. habe sie nicht vorab beurteilen können. Insofern müsse ihr Vertrauensschutz zugestanden werden. Zu erstatten seien auch die von dem Antragsgegner in der Höhe bezweifelten Fahrtkosten für 456 km. Die von diesem berechnete (kürzere) Fahrtstre...