Entscheidungsstichwort (Thema)

Vergütung eines medizinischen Sachverständigengutachtens aus dem Schwerbehindertenrecht

 

Orientierungssatz

1. Die Zuordnung der Vergütung eines medizinischen Sachverständigengutachtens bestimmt sich nach § 9 Abs. 1 JVEG. Danach werden solche Gutachten entsprechend ihrer Schwierigkeit in den drei Honorargruppen M 1 bis M 3 eingeteilt.

2. Die Vergütung für die Erstattung eines Gutachtens im Schwerbehindertenrecht wird vom Gesetzgeber als Gutachten durchschnittlicher Schwierigkeit der Honorargruppe M2 zugeordnet. Ein Ermessen zur anderweitigen Zuordnung besteht nicht. Das gilt auch dann, wenn der Rentenversicherungsträger nach § 16 SGB 6 die Leistungen zur Teilhabe nach dem SGB 9 erbringt und damit nicht die Versorgungsverwaltung, sondern der Rentenversicherungsträger Prozessbeteiligter ist.

3. Allein die im sozialgerichtlichen Verfahren übliche Befassung mit Vorgutachten begründet keine Zuordnung in die für Gutachten mit hohem Schwierigkeitsgrad vorgesehene Vergütungsgruppe M 3.

 

Tenor

Das mit Beweisanordnung vom 5. Januar 2012 beauftragte Gutachten in dem Verfahren Az.: L 6 R 503/09 wird mit der Honorargruppe M2 vergütet.

Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.

 

Gründe

I.

Im Hauptsacheverfahren Az.: L 6 R 503/09 ist streitig, ob der Kläger Anspruch auf Integration in eine Werkstatt für Behinderte hat. In ihrem Gutachten vom 29. Mai 2007 führte die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. J. aus, es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass der geistig minderbegabte Kläger nicht zu Hilfsarbeiten am allgemeinen Arbeitsmarkt befähigt sei. Im Klageverfahren hat das Sozialgericht ein Gutachten des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. B. vom 7. Oktober 2008 eingeholt, nach dem der Kläger zu DDR-Zeiten Nischenberufe ausüben konnte und nur noch in der Lage sei, regelmäßig weniger als 3 Stunden täglich Arbeiten unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarkts zu verrichten. Mit Urteil vom 30. März 2009 hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, dem Kläger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form eines 3-monatigen Eingangsverfahrens in eine Werkstatt für Behinderte zu erbringen und ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 1. Januar 2007 in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Auf die Berufung hat der Senatsvorsitzende das Urteil mit Beschluss vom 15. Juli 2009 ausgesetzt. Hinsichtlich der Rente wegen voller Erwerbsminderung fehle es bereits an einer negativen Entscheidung; bei der Leistung zur Teilhabe habe das Sozialgericht die Einwände der Beklagten verfahrensfehlerhaft ignoriert. Am 6. Oktober 2011 hat der Kläger seine Klage auf Rente wegen Erwerbsminderung zurückgenommen.

Die Berichterstatterin des Senats hat den Antragsteller mit Beweisanordnung vom 5. Januar 2012 beauftragt, ein Gutachten zu folgenden Fragen einzuholen:

"1. Welche Krankheiten liegen bei dem Kläger vor?

2. Welche Behinderungen liegen bei dem Kläger vor?

Nach § 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit sechs Monate vor dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist.

3. Kann der Kläger trotz bei ihn vorliegenden Krankheiten und Behinderungen, unabhängig von den Besonderheiten des zuletzt innegehabten Arbeitsplatzes, die an diese Tätigkeiten typischerweise zu stellenden Anforderungen erfüllen?

Bezüglich der typischerweise zu stellenden Anforderungen verweise ich auf die sich in der Gerichtsakte befindenden Beschreibungen der Tätigkeit eines Helfers/in-Reinigung.

Wird diese Frage vereint, dann:

4. Kann der Kläger wegen Art und Schwere der bei ihm vorliegenden Behinderungen nicht, noch nicht oder noch nicht wieder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt beschäftigt werden? Aus welchen medizinischen Gründen ist dies so oder nicht so?

5. Kann der Kläger ein Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung in einer Werkstatt für behinderte Menschen erbringen?"

Der Antragsteller hat am 31. Januar 2012 (das Datum 8. August 2011 ist offensichtlich unrichtig) die richterliche Zustimmung für die Abrechnung mit dem Stundensatz M3 "entsprechend seines Ausbildungsstandes als Universitätsprofessor" beantragt. Auf Anfrage des Senatsvorsitzenden hat er unter dem 22. Februar 2012 angegeben, es gehe in seinem Fach bei strittigen Fragen regelmäßig darum, dass gutachterlich verschiedene Meinungen vertreten werden und ein Obergutachten zur Klärung der Widersprüche erstellt werden solle. Es handle sich um ein Gutachten mit hohem Schwierigkeitsgrad mit differenziell-prognostischen Aspekten. Der Kläger sei unter realistischen Bedingungen in der heutigen Zeit nie berufstätig gewesen; daher müsse jetzt ohne Arbeitsbelastung auf eine allgemeine Fähigkeit geschlossen werden.

Der Antragsgegner hat sich in der gesetzten Frist zum Antrag nicht geäußert.

II.

Der Antrag vom 31. Januar 2012 ist zulässig. Nach § 9 Abs. 1 des Ju...

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