Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Auslagenerstattung bei Anordnung des persönlichen Erscheinens. Entschädigung für Zeitversäumnis. SGB 2-Leistungsempfänger

 

Orientierungssatz

Fehlt es an entsprechenden Angaben, kann bei einem Prozessbeteiligten, der Empfänger von Leistungen nach dem SGB 2 ist, davon ausgegangen werden, dass ihm durch die gerichtliche Heranziehung kein Nachteil iS von § 20 JVEG entsteht (vgl LSG Erfurt vom 13.9.2018 - L 1 JVEG 487/17; LSG Erfurt vom 13.4.2005 - L 6 SF 2/05; LSG Essen vom 29.4.2009 - L 6 SB 161/08; SG Karlsruhe vom 26.10.2017 - S 1 KO 3624/17).

 

Tenor

Die Entschädigung des Erinnerungsführers für den Gerichtstermin am 7. August 2019 wird auf 10,20 Euro festgesetzt.

Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.

 

Gründe

I.

Der Erinnerungsführer machte im Hauptsacheverfahren L 4 AS 1384/18 einen Anspruch gegenüber dem beklagten Jobcenter geltend, ein Gutachten eines Unternehmensberaters aus dem Verwaltungsvorgang zu entfernen. Mit Ladung vom 5. Juli 2019 wurde der Erinnerungsführer zur mündlichen Verhandlung am Mittwoch, den 7. August 2019 um 10:30 Uhr, ohne Anordnung des persönlichen Erscheinens geladen. Ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom gleichen Tage fand die mündliche Verhandlung in der Zeit von 10:30 Uhr bis 10:48 Uhr statt. Das persönliche Erscheinen des Klägers wurde per Beschluss nachträglich angeordnet.

Mit seinem Antrag auf Erstattung von Fahrtkosten und Verdienstausfall für die Wahrnehmung des Gerichtstermins vom gleichen Tage machte der Erinnerungsführer neben Fahrtkosten in Höhe von 10,20 Euro (nachgewiesen durch Online-Ticket der Deutschen Bundesbahn) einen Verdienstausfall für 4,75 Stunden i. H. v. 2.975,00 Euro ausgehend von einem Stundenlohn von 500,00 Euro geltend. Auf Aufforderung der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle übersandte der Erinnerungsführer einen Steuerbescheid des Finanzamtes Ilmenau vom 28. Juni 2019 für das Jahr 2018, aus welchem sich ergibt, dass er aus Gewerbebetrieb als Einzelunternehmer Einkünfte i. H. v. 1.724,00 Euro im gesamten Jahr 2018 erzielte. Am 13. August 2019 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle eine Gesamtentschädigung i. H. v. 10,20 Euro fest. Es seien ausschließlich die Fahrtkosten in der nachgewiesenen Höhe von 10,20 Euro erstattungsfähig. Die Angaben zum Verdienstausfall seien nicht nachvollziehbar.

Am 15. August 2019 hat der Erinnerungsführer einen Antrag auf richterliche Festsetzung gestellt. Sein unternehmerischer Stundensatz betrage 500,00 Euro zuzüglich Umsatzsteuer. Ihm sei bekannt, dass das Gericht nicht den Stundensatz des Unternehmers voll erstatte, sondern nur 21,00 Euro die Stunde.

Der Erinnerungsführer beantragt sinngemäß,

die Entschädigung für die Wahrnehmung des Gerichtstermins am 7. August 2019 auf 109,95 Euro (99,75 Euro Verdienstausfall zuzüglich 10,20 Euro Fahrtkosten) festzusetzen.

Der Erinnerungsgegner hält ausschließlich eine Entschädigung der Fahrtkosten i. H. v. 10,20 Euro für angemessen. Ein Verdienstausfall sei nicht nachgewiesen. Der Erinnerungsführer sei Bezieher von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II und zugleich selbständig tätig. Bei dieser Sachlage bestehe keine Vermutung dahingehend, dass er überhaupt einen Verdienst- oder Gewinnausfall erlitten habe. Angesichts eines Jahresgewinns im Jahre 2018 von 1.724,00 Euro und des laufenden Bezugs von Grundsicherungsleistungen erscheine es nicht als glaubhaft, von einem Verdienst- oder Gewinnausfall für die Wahrnehmung des Gerichtstermins am 7. August 2019 auszugehen. Ein Anspruch auf Entschädigung für Zeitversäumnis nach §§ 19, 20 JVEG bestehe bei Beziehern von Grundsicherungsleistungen nicht.

Die Urkundsbeamtin hat der Erinnerung nicht abgeholfen und sie dem Senat vorgelegt.

II.

Zuständig für die Entscheidung ist nach dem Geschäftsverteilungsplan des Thüringer Landessozialgerichts in Verbindung mit dem Geschäftsverteilungsplan des 1. Senats der Berichterstatter des 1. Senats.

Auf die Erinnerung war die Entschädigung auf 10,20 Euro festzusetzen.

Nach § 4 Abs. 1 JVEG erfolgt die Festsetzung der Vergütung, der Entschädigung oder des Vorschusses durch gerichtlichen Beschluss, wenn der Berechtigte oder die Staatskasse die gerichtliche Feststellung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält (Satz 1).

Nach § 191 Halbs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) werden einem Beteiligten, dessen persönliches Erscheinen angeordnet worden ist, auf Antrag bare Auslagen und Zeitverlust wie einem Zeugen vergütet. Zeugen erhalten nach § 19 Abs. 1 S. 1 JVEG als Entschädigung Fahrtkostenersatz (§ 5 JVEG), Entschädigung für Aufwand (§ 6 JVEG), Entschädigung für sonstige Aufwendungen (§ 8 JVEG), Entschädigung für Zeitversäumnis (§ 20 JVEG), Entschädigung für Nachteile bei der Haushaltsführung (§ 21 JVEG) sowie Entschädigung für Verdienstausfall (§ 22 JVEG). Soweit die Entschädigung nach Stunden zu bemessen ist, wird sie nach § 19 Abs. 2 JVEG für die gesamte Zeit der Heranziehung einschließlich notwendige...

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