Entscheidungsstichwort (Thema)
Einheitliche Festsetzung der Rechtsanwaltsgebühren, wenn ein Bescheid nach § 96 SGG Gegenstand eines anhängigen Klageverfahrens wird
Orientierungssatz
1. Bei Bescheiden, die nach § 96 SGG automatisch Gegenstand eines Klageverfahrens werden, liegt dieselbe Angelegenheit i. S. von § 15 Abs. 2 RVG vor.
2. Der Urkundsbeamte und die im Festsetzungsverfahren zur Entscheidung berufenen Gerichte sind bei bewilligter Prozesskostenhilfe an diese und die Beiordnung gebunden. Sie dürfen diese nicht auf ihre Richtigkeit überprüfen und haben sie vielmehr ungeprüft zur Grundlage der Festsetzung zu machen.
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 27. Juli 2018 wird zurückgewiesen.
Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.
Gründe
I.
Die statthafte und zulässige Beschwerde (vgl. §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 1 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes - RVG) ist nicht begründet.
Das Sozialgericht hat zu Recht entschieden, dass die Vergütung für die Verfahren S 31 AS 111/14 und S 29 AS 3836/13 einheitlich festzusetzen ist und aufgrund der erfolgten Vergütung in dem Verfahren S 29 AS 3836/13 eine gesonderte Erstattung in diesem Verfahren nicht in Betracht kommt. Auf die zutreffenden Gründe des Sozialgerichts wird in entsprechender Anwendung des § 142 Abs. 2 Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) verwiesen. Das Sozialgericht hat in dem Beschluss zu Recht darauf hingewiesen, dass bei Bescheiden, die nach § 96 SGG automatisch Gegenstand eines Klageverfahrens werden, dieselbe Angelegenheit im Sinne von § 15 Abs. 2 RVG vorliegt. Dem steht nicht entgegen, dass dem Kläger vom Sozialgericht mit Beschluss vom 8. April 2014 PKH bewilligt worden war.
Entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführerin war das Sozialgericht Gotha und ist auch der Senat im Beschwerdeverfahren nicht deshalb daran gehindert, die beiden Hauptsacheverfahren als dieselbe Angelegenheit im Sinne des § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG anzusehen, weil in den jeweiligen Hauptsacheverfahren jeweils mit Beschluss vom 8. Februar 2014 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Beschwerdeführers bewilligt worden ist. Der Senat (vgl. Senatsbeschluss vom 18. Oktober 2018 - L 1 SF 1302/17 B -, juris) folgt insoweit nicht der in Rechtsprechung und Literatur (vgl. Landesarbeitsgericht Hamburg, Beschluss vom 26. Mai 2016 - 6 Ca 11/16, zitiert nach juris; Landesarbeitsgericht Nürnberg, Beschluss vom 22. Oktober 2015 - 2 Ca 118/15, zitiert nach juris; Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 23. Auflage 2017, § 15 Rn. 23) vertretenen Auffassung, wonach im Kostenfestsetzungsverfahren nach § 55 RVG aufgrund der Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) kein Raum mehr für eine eigenständige Überprüfung in dem Sinne ist, ob die Rechtsverfolgung kostengünstiger in einem statt in mehreren Verfahren hätte erfolgen müssen.
Zutreffend an dieser Auffassung ist, dass der zuständige Richter gegebenenfalls unter dem Gesichtspunkt der Mutwilligkeit für das Verfahren S 31 AS 111/14 die Bewilligung von Prozesskostenhilfe hätte ablehnen können. Dies schließt es aber nicht aus, im Kostenfestsetzungsverfahren nach § 55 RVG zu prüfen, ob dieselbe Angelegenheit im Sinne des § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG vorliegt. Der Urkundsbeamte und die im Festsetzungsverfahren zur Entscheidung berufenen Gerichte sind an die Bewilligung der PKH und die Beiordnung gebunden. Sie dürfen diese nicht auf ihre Richtigkeit überprüfen und haben sie vielmehr ungeprüft zur Grundlage der Festsetzung zu machen. Auch die Verfahrensgestaltung durch das Prozessgericht haben sie grundsätzlich der Vergütungsfestsetzung zugrunde zu legen. Daraus, dass das Prozessgericht nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, PKH wegen mutwilliger Aufspaltung des Verfahrens in zwei Verfahren zu versagen, kann aber bereits deshalb keine Bindung im Festsetzungsverfahren hergeleitet werden, weil § 15 Abs. 2 RVG ausdrücklich bestimmt, dass der Rechtsanwalt die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern kann. Es handelt sich um eine gebührenrechtliche Vorschrift. Diese würde in Verfahren mit PKH - Bewilligung leerlaufen, wenn man mit der zitierten Rechtsprechung davon ausginge, dass im Falle der Bewilligung von PKH eine Prüfung eines Verstoßes gegen die Verpflichtung zur kostensparenden Rechtsverfolgung nicht mehr vorgenommen werden dürfte. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beinhaltet darüber hinaus - wie eine Kostengrundentscheidung - nur die Übernahme der zur Rechtsverfolgung notwendigen Kosten. Der Einwand, es seien unnötige Kosten verursacht worden, bezieht sich ausschließlich auf die Höhe der festzusetzenden Kosten. Daher schließt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für beide Verfahren den Einwand der unnötigen Kostenverursachung und dessen Berücksichtigung im Festsetzungsverfahren nach § 55 RVG nicht aus (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 17. Juli 2014 - 7 WF 355/14, zitiert nach juris). Ferner ist zu beachten, dass der Rechtsanwalt gehalten ist, seinen Auftraggeber dahingehend zu beraten...