Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozessfähigkeit im sozialgerichtlichen Verfahren bei Einlegung eines Rechtsmittels gegen eine die Prozessfähigkeit des Kläger betreffende Entscheidung. Fähigkeit zur freien Willensbildung. Beweiswürdigung
Orientierungssatz
1. Für ein Rechtsmittel, mit dem ein Kläger eine Entscheidung angreift, in dem es um die Frage seiner Prozessfähigkeit geht, ist er als prozessfähig zu behandeln (vgl LSG Halle vom 3.2.2012 - L 5 AS 276/10 B ER).
2. Zum Begriff der Prozessunfähigkeit.
Normenkette
SGG §§ 71, 72 Abs. 1; BGB § 104 Nr. 2
Tenor
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Altenburg vom 28. Januar 2016 aufgehoben.
Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung in der Hauptsache vorbehalten.
Gründe
I.
Zwischen den Beteiligten ist in der Hauptsache streitig, ob bei der Rente des Klägers zusätzliche Kindererziehungszeiten zu berücksichtigen sind.
Die Beklagte bewilligte dem 1947 geborenen Kläger mit Bescheid vom 11. Dezember 2000 ab 15. August 1999 eine Rente wegen Berufsunfähigkeit. Sie wurde wegen Überschreitens der Hinzuverdienstgrenzen zunächst nicht ausgezahlt. Im Dezember 2003 beantragte der Kläger die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung und Feststellung von Kindererziehungszeiten für die Töchter G. (geboren …) und A. (geboren …). Mit Bescheid vom 31. März 2004 stellte die Beklagte die Rente wegen Berufsunfähigkeit wegen einer Berücksichtigungszeit vom 1. Juni 1977 bis 10. Januar 1981 für die Erziehung von G. neu fest. Weitere Zeiten könnten nicht als Kindererziehungszeiten anerkannt werden, weil ein anderer Elternteil das Kind überwiegend erzogen habe. Für A. könne die Zeit vom 1. Februar 1988 bis 2. Oktober 1992 nicht als Berücksichtigungszeit anerkannt werden, weil sie entweder dem anderen Elternteil zuzuordnen bzw. dort bereits als Kindererziehungszeit anerkannt sei. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 28. November 2005).
Hiergegen hat der Kläger persönlich am 30. Dezember 2005 beim Sozialgericht (SG) Altenburg Klage erhoben. Am 17. Februar 2006 hat die Anwaltskanzlei W. seine Vertretung angezeigt. Im Februar 2010 hat er selbst Prozessunfähigkeit vorgetragen und ein “fachärztliches Kurzgutachten„ des Facharztes für Psychiatrie Dipl.-Med. L. vom 26. August 2004, eine Bescheinigung der Dipl.-Med.-Sch. vom 1. Juli 2009 (“Es besteht derzeit und auf unbestimmte Zeit Verhandlungs- und Prozessunfähigkeit„) und ein “Gutachten„ des Internisten und Rheumatologen Dr. A. vom 6. Juli 2009 eingereicht (“unter Stresssituationen deutlich in seiner Konzentration eingeschränkt„…„aus medizinischer Sicht„ bescheinige er … “bei Weiterbestehen der geschilderten Situation eine Prozess- und Verhandlungsunfähigkeit„). Das SG hat im März 2010 das Amtsgericht Jena gebeten, die Prüfung der Bestellung eines Betreuers zu prüfen. Im Juli 2010 haben die Rechtsanwälte L. und R. die Vertretung des Klägers angezeigt. In ihrem Gutachten vom 25. September 2010 für das Amtsgericht - Vormundschaftsgericht hat die Fachärztin für Öffentliches Gesundheitswesen Dr. G. u.a. ausgeführt, die Einrichtung einer Betreuung für den Betroffenen sei nicht empfehlenswert. Er scheine durchaus in der Lage zu sein, sich alternative Hilfsmöglichkeiten zu erschließen, die eine Betreuung entbehrlich machten, nämlich die erfolgte Vollmachtverteilung an seine Tochter und die Vertretung durch seinen Rechtsanwalt. Die Einrichtung einer Betreuung durch das Amtsgericht - Vormundschaftsgericht Jena ist nicht erfolgt.
Im April 2014 hat der Kläger die Rentenberater S. & Kollegen mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt. Nach Bestimmung eines Termins zur mündlichen Verhandlung am 21. April 2015 hat er selbst mit Schriftsatz vom 2. April 2015 mitgeteilt, er sei wegen Krankheit verhandlungsunfähig und könne den Termin nicht wahrnehmen; er bitte um Entscheidung durch Gerichtsbescheid. Beigefügt war dem eine Bescheinigung des Dr. A. vom 5. Juni 2014. Danach leidet er an einem “psychosomatischen Schmerzsyndrom„, sei verhandlungsunfähig und könne Prozesse nicht vorbereiten. Es bestehe eine chronisch reaktive Depression und er sei gehunfähig und hilflos. Die Rentenberater S. & Kollegen haben am 7. Mai 2015 auf Wunsch des Klägers das Mandat niedergelegt. In der Folgezeit hat dieser wiederholt bekräftigt, er sei krankheitsbedingt prozessunfähig und ihm stehe ein besonderer Vertreter zu.
In einem anderen Verfahren des Klägers (Az.: S 15 P 3085/13) hat das SG das im Verfahren Az.: S 28 SB 3802/11 nach Aktenlage erstellte neurologisch-psychiatrische Gutachten des Dr. B. vom 3. April 2013 beigezogen (Diagnosen: u.a. Anpassungsstörung mit depressiven Verstimmungen und herabgesetztem Antrieb). Der Kläger hat sich dort nach Anhörung zu einer Entscheidung mit Gerichtsbescheid im August 2015 auf Prozessunfähigkeit berufen. In diesem Verfahren hat das SG mit Beweisanordnung vom 19. August 2015 Dipl.-Med. L. mit der Erstellung eines Gutachtens zur Frage der Prozessfähigkeit des Klägers beauftragt. Die B...