Entscheidungsstichwort (Thema)
Entschädigung. Sachverständiger Zeuge. Befundbericht. Reformatio in peius. Verschlechterungsverbot. Erstmalige richterliche Festsetzung. Außergewöhnlich umfangreicher Befundschein. Gutachterliche Stellungnahme
Leitsatz (redaktionell)
Das Verbot der sog. „reformatio in peius” (Verschlechterungsverbot) gilt bei der erstmaligen richterlichen Festsetzung der Entschädigung sachverständiger Zeugen nicht.
Normenkette
JVEG § 4 Abs. 1 S. 1, § 19 Abs. 1, § 10 Abs. 1, § 12 Abs. 1
Tenor
Die Entschädigung des Antragstellers für den Befundbericht vom 14. Juli 2005 wird auf 27,44 Euro festgesetzt.
Der Beschluss ist unanfechtbar.
Gründe
Die Entscheidung über den Antrag erfolgt durch den Senat, denn der Einzelrichter (hier: der Senatsvorsitzende) hat das Verfahren mit Beschluss vom 29. November 2005 dem Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung übertragen.
Die Entschädigung des Antragstellers für den Befundbericht vom 14. Juli 2005 wird nach § 4 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetschern, Übersetzerinnen und Übersetzern sowie die Entschädigung von ehrenamtlichen Richterinnen, ehrenamtlichen Richtern, Zeuginnen, Zeugen und Dritten (Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz – JVEG) auf 27,44 Euro festgesetzt. Unerheblich ist, dass dieser Betrag unter dem Antrag liegt, denn der Senat ist an ihn nicht gebunden. Das Verbot der sog. „reformatio in peius” (Verschlechterungsverbot) gilt bei der erstmaligen richterlichen Festsetzung nicht (vgl. Senatsbeschlüsse vom 13. April 2005 – Az.: L 6 SF 2/05, 16. September 2002 – Az.: L 6 B 51/01 SF und vom 23. März 2000 – Az.: L 6 SF 726/99).
Nach § 19 Abs. 1 JVEG erhalten Zeugen u.a. Entschädigung für sonstige Aufwendungen (§ 7 JVEG). Der Antragsteller ist sachverständiger Zeuge, für den die Vorschriften über den Zeugenbeweis Anwendung finden (§ 414 der Zivilprozessordnung – ZPO), denn er berichtete als behandelnder Facharzt für Psychiatrie in seinem Befundbericht über Wahrnehmungen, die er kraft besonderer Sachkunde ohne Zusammenhang mit einem gerichtlichen Gutachtensauftrag machte (vgl. Meyer-Ladewig in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 8. Auflage 2005, § 118 Rdnr. 10c). Damit gilt für ihn zusätzlich die Sonderregelung des § 10 JVEG für Sachverständige und sachverständige Zeugen. Nach dessen Absatz 1 bemisst sich die Entschädigung des sachverständigen Zeugen für Leistungen, die in der Anlage 2 bezeichnet sind, nach dieser Anlage. Nach Nr. 200 der Anlage 2 wird für die Ausstellung eines Befundscheins oder Erteilung einer schriftlichen Auskunft ohne nähere gutachterliche Äußerung ein Honorar von 21,00 Euro gezahlt.
Dass der Antragsteller einen solchen Befundschein erstellt hat, ist zwischen den Beteiligten nicht streitig. Anhaltspunkte für einen außergewöhnlich umfangreichen Befundschein (Nr. 201) oder eine gutachterliche Stellungnahme (Nr. 202) liegen nicht vor.
Zusätzlich stehen dem Antragsteller für die von ihm übersandten Kopien diverser Unterlagen – insoweit unstreitig – 5,00 Euro zu. Eine Erstattung der Kosten für Mehrexemplare für seine Handakte (die er nicht beantragt, der Antragsgegner aber im Schriftsatz vom 4. November 2005 – ohne Begründung – ebenso wie der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle zugestanden hat) kommt allerdings nicht in Betracht (vgl. Hessisches LSG, Beschluss vom 11. April 2005 – Az: L 2/9 SF 82/04; Keller in jurisPR-SozR 26/2005 Anm. 6). Nach § 7 Abs. 2 JVEG werden für die Anfertigung von Ablichtungen und Ausdrucken 0,50 Euro je Seite für die ersten 50 Seiten gezahlt (Satz 1 Alt. 1); sie wird für Ablichtungen und Ausdrucke aus Behörden- und Gerichtsakten gewährt, soweit deren Herstellung zur sachgemäßen Vorbereitung oder Bearbeitung der Angelegenheit geboten war, sowie für Ablichtungen und zusätzliche Ausdrucke, die nach Aufforderung durch die heranziehende Stelle angefertigt worden sind (Satz 3). Eine gerichtliche Aufforderung nach § 7 Abs. 2 Satz 3 JVEG zur Fertigung von Kopien für die Handakte existiert nicht. Die frühere ausdrückliche Regelung in § 11 Abs. 2 des Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen (ZuSEG) ist mit der Geltung des JVEG ersatzlos entfallen.
Für Portoauslagen sind 1,44 Euro zu erstatten. Nach § 12 Abs. 1 JVEG sind, soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist, mit der Vergütung nach den §§ 9 bis 11 auch die üblichen Gemeinkosten sowie der üblicherweise verbundene Aufwand abgegolten (Satz 1); gesondert ersetzt werden die für die Vorbereitung und Erstattung aufgewendeten notwendigen besonderen Kosten, einschließlich der insoweit notwendigen Aufwendungen für Hilfskräfte sowie die für die Untersuchung verbrauchten Stoffe und Werkzeuge (Satz 2 Nr. 1). Bereits nach dem Wortlaut der Vorschrift („aufgewendeten”) können nur tatsächlich entstandene Portokosten ersetzt werden, nicht aber eine Pauschale für „Porto, Verpackung und Versand” (vgl. Senatsbeschlüsse vom 17. Mai 2004 – Az.: L 6 SF 732/03 und vom 11. März 2004 – Az.: L 6 SF ...