Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässigkeit und Prüfungsumfang einer Beschwerde der Staatskasse gegen die Festsetzung von Rechtsanwaltsgebühren

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine Erinnerung der Staatskasse gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss ist auch dann zulässig, wenn die Staatskasse wegen einer Kostenerstattung Dritter durch eine möglicherweise überhöhte Auszahlung der Gebühren finanziell nicht belastet war.

2. Gegenstand der Überprüfung der Kostenfestsetzung der Rechtsanwaltsgebühren im Beschwerdeverfahren ist die gesamte Kostenfestsetzung, allerdings begrenzt durch den Antrag des Beschwerdeführers.

 

Normenkette

RVG § 33 Abs. 3, 4 S. 3, § 56 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Sätze 1-3, §§ 59, 60 Abs. 1 S. 1; BRAGO § 128 Abs. 3; VV RVG Nrn. 1002, 1006

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 16. August 2018 aufgehoben und der Vergütungsfestsetzungsbeschluss vom 21. September 2017 abgeändert. Die aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung der Beschwerdegegnerin für das Verfahren S 32 AS 3226/16 wird auf 810,03 EUR festgesetzt.

Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Höhe der aus der Staatskasse zu erstattenden Rechtsanwaltsvergütung für ein beim Sozialgericht Gotha anhängig gewesenes Verfahren der von der Beschwerdegegnerin vertretenen Klägerin.

Mit ihrer Klage begehrte die Klägerin unter Abänderung eines Bescheides vom 18. Juli 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. August 2016 höhere Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum 1. Juli bis 30. September 2016. In der mündlichen Verhandlung vom 21. März 2017, die von 09:40 Uhr bis 11:17 Uhr dauerte, erfolgte die Vernehmung von Zeugen. Das Sozialgericht wies sodann darauf hin, dass bereits nach dem jetzigen Beweisergebnis möglicherweise von einer Trennung der Klägerin und eines Zeugen im April 2016 ausgegangen werden müsse. Daraufhin erließ die Beklagte am 13. April 2017 einen Bewilligungsbescheid für die Zeit vom 1. Juli bis 30. September 2016 unter Herausnahme des Zeugen aus der Bedarfsgemeinschaft und Aufnahme in die Haushaltsgemeinschaft. Daraufhin erklärten die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt. Die Beklagte erklärte sich dem Grunde nach zur Übernahme der außergerichtlichen Kosten der Klägerin bereit.

Mit Beschluss vom 25. April 2017 bewilligte das Sozialgericht der Klägerin Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Beschwerdegegnerin.

Die Beschwerdegegnerin beantragte mit Vergütungsfestsetzungsantrag vom 5. Mai 2017 die Festsetzung folgender Gebühren:

Verfahrensgebühr gem. Nr. 3102 VV-RVG

300,00 EUR

Terminsgebühr gem. Nr. 3106 VV-RVG

280,00 EUR

Einigungsgebühr gem. Nr. 1006 VV-RVG

300,00 EUR

Post- und Telekommunikationspauschale gem. Nr. 7002 VV-RVG

 20,00 EUR

Tage- und Abwesenheitsgeld gem. Nr. 7005 VV-RVG

 25,00 EUR

Fahrtkosten 2 x 92,9 km gem. Nr. 7003 VV-RVG

 55,70 EUR

Zwischensumme

980,70 EUR

19 % Umsatzsteuer gem. Nr. 7008 VV-RVG

186,33 EUR

Gesamt

 1.167,03 EUR.

Mit Vergütungsfestsetzungsbeschluss vom 21. September 2017 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die Vergütung auf 1.167,03 EUR fest. Mit Kostennachricht vom 21. September 2017 wurde die Beklagte nach § 59 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) aufgefordert, den Betrag in Höhe von 1.167,03 EUR an die Staatskasse zu erstatten. Dies erfolgte am 9. Oktober 2017.

Mit Schriftsatz vom 22. Januar 2018 legte die Staatskasse Erinnerung gegen die Festsetzung der Vergütung der Beschwerdegegnerin vom 21. September 2017 ein. Sie beanstandete die Erstattung der Erledigungsgebühr.

Mit Beschluss vom 16. August 2018 hat das Sozialgericht die Erinnerung als unzulässig zurückgewiesen. Es mangele bereits an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis für die Staatskasse. Selbst im Falle einer stattgebenden Entscheidung sei diese nicht besser gestellt, weil die möglicherweise unzutreffend angewiesene und erstattete Gebühr aufgrund des Kostenanerkenntnisses des Beklagten ihm gegenüber im vollen Umfang zum Ausgleich zu bringen wäre. Hiergegen hat die Staatskasse am 28. August 2018 Beschwerde beim Sozialgericht eingelegt. Das Entstehen der Erledigungsgebühr nach Nr. 1006 VV-RVG setze eine qualifizierte erledigungsgerichtete Tätigkeit des Rechtsanwalts voraus. Diese liege hier nicht vor. Das Einlenken einer Behörde genüge für den Anfall der Erledigungsgebühr nicht.

Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen (vgl. Vermerk vom 26. Januar 2018) und sie dem Thüringer Landessozialgericht vorgelegt.

Mit Beschluss vom 20. November 2018 hat der Berichterstatter das Verfahren wegen grundsätzlicher Bedeutung dem Senat übertragen.

II.

Anzuwenden ist das RVG in der ab dem 1. August 2013 geltenden Fassung, denn die Beiordnung des Rechtsanwalts ist nach diesem Zeitpunkt erfolgt (§ 60 Abs. 1 Satz 1 RVG). Die Beschwerde ist nach § 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz RVG statthaft und zulässig. Der Beschwerdewert übersteigt 200,00 EUR.

Die Beschwerde der Staatskasse hat in der Sache Erfo...

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