Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Kostenersatz durch Erben. Bestimmtheit des Bescheides. Ersatzpflicht auch bei Leistung von Sozialhilfe vor Erwerb des Nachlassvermögens. Rechtmäßigkeit der Leistungsgewährung. fehlende Geltendmachung eines Anspruchsübergangs gegenüber unterhaltspflichtigen Angehörigen. Prüfungsumfang
Orientierungssatz
1. Ein Bescheid über den Kostenersatz durch Erben nach § 92c BSHG ist hinreichend bestimmt, wenn der Adressat die Höhe der Haftungsschuld erkennen kann. Dabei ist es unerheblich, an welcher Stelle des Bescheides der Verfügungssatz der Entscheidung aufgeführt wird, solange die aus dem Bescheid folgende Verpflichtung deutlich wird.
2. Die Ersatzpflicht nach § 92c Abs 1 S 2 BSHG besteht für die rechtmäßig innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren vor dem Erbfall geleistete Hilfe auch dann, wenn sie vor dem Erwerb des Nachlassvermögens durch den Hilfeempfänger gewährt worden ist (vgl OVG Münster vom 20.2.2001 - 22 A 2695/99 = OVGE MüLü 48, 175 = NJW 2002, 695 und OVG Berlin vom 23.6.2005 - 6 B 23.03 = FEVS 57, 517).
3. Nach der Systematik des BSHG sind Ansprüche gegen unterhaltsverpflichtete Angehörige, die nicht laufend ausgezahlt werden, nicht als bereites Einkommen oder Vermögen zu berücksichtigen. Vielmehr sind Unterhaltsansprüche neben der Gewährung der Hilfeleistungen an den Hilfebedürftigen vom Träger der Sozialhilfe gegenüber dem Unterhaltspflichtigen gem § 91 BSHG aus übergegangenem Recht geltend zu machen.
4. Das Erfordernis der Rechtmäßigkeit der Leistungsgewährung bedeutet nicht, dass der gesamte Leistungszeitraum in dem Sinne aufzurollen ist, dass für jeden Monat dieses Zeitraums die Rechtmäßigkeit der Leistungsgewährung zu überprüfen wäre. Entscheidend ist vielmehr, dass für einen oder mehrere Zeiträume Feststellungen zur Rechtmäßigkeit der Sozialhilfeleistungen getroffen werden können, deren Höhe mindestens die Höhe des geltend gemachten Erstattungsanspruchs erreicht (vgl BSG vom 23.3.2010 - B 8 SO 2/09 R = SozR 4-5910 § 92c Nr 1).
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom 21. Juli 2008 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Sie hat die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu erstatten.
Der Streitwert wird auf 6.591,62 Euro festgesetzt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um Kostenersatz nach 92 c Bundessozialhilfegesetz (BSHG; jetzt § 102 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB XII) für Sozialhilfeleistungen im Zeitraum vom 29. Mai 1991 bis 30. Juni 1996 in Höhe von 6.591,62 Euro.
Die 1953 geborene Klägerin ist Tochter des 1931 geborenen und 2001 verstorbenen Herrn E. G. Sie ist ausweislich des Erbscheins des Amtsgerichts Worbis vom 22. Oktober 2001 (VI 304/01) neben dem 1954 geborenen Bruder W. G., dem 1964 geborenen Bruder R. E. M., dem 1965 geborenen Bruder I. M. sowie ihren 1971 geborenen Geschwistern T. D. und A. S. Miterbin zu einem Sechstel.
Herr G. befand sich aufgrund einer Erkrankung an Multipler Sklerose seit 12. März 1990 in einem Pflegeheim, ab 1. März 1991 auf unbestimmte Zeit im Pflegeheim L. Dem Pflegegutachten des Dr. W. vom 11. Januar 1991 ist zu entnehmen, dass Herr G. als Pflegefall der Stufe drei einzuschätzen war.
Unter dem 18. Juli 1991 beantragte Herr G. bei dem Beklagten Leistungen der Sozialhilfe in Form von Hilfe in besonderen Lebenslagen zur Finanzierung des Heimaufenthaltes. Dabei gab er lediglich die Klägerin, Herrn W. G., Herrn T. G. (verh. D.) und Frau A. G. (verh. S.) an. Herr G. verfügte über kein nach § 88 BSHG einzusetzendes Vermögen. Er bezog laufend Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung, zunächst in Höhe von 749 DM monatlich, ab Juli 1991 in Höhe von 863 DM, ab Januar 1992 in Höhe von 944,98 DM, ab 1. Juli 1992 in Höhe von 1.045,47 DM, ab 1. Januar 1993 in Höhe von 1099,46 DM, ab 1. Juli 1993 in Höhe von 1.233,44 DM, ab 1. Januar 1994 in Höhe von 1.272,48 DM, ab 1. Juli 1994 in Höhe von 1.307,36 DM, ab 1. Januar 1995 in Höhe von 1.339,30 DM, ab 1. Juli 1995 in Höhe von 1.370,04 DM und ab 1. Januar 1996 in Höhe von 1.391,06 DM. Zunächst handelte es sich um eine Erwerbsunfähigkeitsrente. Ab 1. Juni 1996 erhielt er eine Regelaltersrente in Höhe von netto monatlich 1.407,59 DM. Der jeweilige Betrag ergibt sich nach Abzug der Beiträge zur Krankenversicherung.
Ab 1. Oktober 1991 wurde ihm Wohngeld in Höhe von monatlich 58 DM laufend gewährt.
Nach Prüfung der Leistungsfähigkeit der im Antragsformular angegebenen, unterhaltspflichtigen vier Kinder des Herrn G. gewährte zunächst der Beklagte als örtlich zuständiger Träger der Sozialhilfe Leistungen zur Pflege unter Anrechnung des Nettorenteneinkommens und ab Oktober 1991 des Wohngeldes auf den monatlichen Barbetrag nach § 21 Abs. 3 BSHG sowie die Pflegekosten; diese beliefen sich zunächst im Mai 1991 in Höhe von 2.108 DM, im Juni 1991 in Höhe von 2.040 DM, im Juli, August und Oktober 1991 in Höhe von monatlich 2...