Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. sachlicher Zusammenhang. Unaufklärbarkeit des Unfallereignisses. Beweislast. haftungsbegründende Kausalität. Gesundheitserstschaden. Sportplatzaufsicht einer Lehrerin während eines Sportfestes. ungeklärter Zeitpunkt des Zeckenbisses
Leitsatz (amtlich)
1. Die Anerkennung eines Zeckenbisses als Arbeitsunfall setzt voraus, dass das Ereignis Zeckenbiss/Erstkontakt mit der Zecke örtlich und zeitlich derart bestimmbar ist, dass die konkret ausgeübte berufliche Verrichtung bzw Handlungstendenz im Zeitpunkt des Zeckenbisses festgestellt werden kann. Selbst eine möglicherweise hohe Wahrscheinlichkeit reicht zur Annahme des erforderlichen Vollbeweises nicht aus.
2. Allein der Nachweis festgestellter positiver IgM-Antikörper reicht für die Annahme eines Gesundheits(erst)schadens nicht aus.
Normenkette
SGB VII § 8 Abs. 1 Sätze 1-2, § 9
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 30. November 2016 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung eines Ereignisses vom 1. Juni 2012 als Arbeitsunfall.
Die Klägerin war an diesem Tag im Rahmen des Sportfestes der Staatlichen Grundschule K. als aufsichtsführende Lehrerin eingesetzt. Bei einem routinemäßigen Hausarztcheck am 6. Juni 2012 erfolgte eine Kontrolle des Borreliose-Titers, welcher im Hinblick auf Borrelien auffällige Werte ergab. Daraufhin erstattete die Schule der Klägerin am 2. Juli 2012 eine Unfallanzeige. Die Klägerin sei auf dem Sportplatz von einer Zecke gebissen worden. In einem Telefongespräch am 24. September 2012 teilte die Klägerin mit, dass sie die Zecke selber entfernt habe und eine leichte Rötung entstanden sei. Anschließend sei sie nicht zum Arzt gegangen. Am 6. Juni 2012 sei sie wegen eines Routine Checks beim Arzt gewesen. Sie habe dort sofort Antibiotika bekommen. Seit Ende August 2012 habe sich ihre Sehkraft erheblich verschlechtert. Zugleich wies sie auf eine durchgemachte Erkrankung an Borreliose vor 13 Jahren hin. Nach Beiziehung von Behandlungsunterlagen holte die Beklagte eine beratungsärztliche Stellungnahme von Frau Dr. W-F. ein. Diese äußerte erhebliche Zweifel, ob der Zeckenbiss vom 1. Juni 2012 bereits wenige Tage später zu einem positiven Ergebnis im Hinblick auf eine Borrelien-Infektion führen könne. Antikörper würden sich nur langsam im Verlauf von vier bis sechs Wochen entwickeln, sodass der positive Titer-Befund nicht als Folge des kurz zurückliegenden Zeckenbisses im Rahmen des Sportfestes angesehen werden könne. Auch in der Folgezeit habe sich eine typische Symptomatik nicht entwickelt.
Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 6. Februar 2013 die Anerkennung des Ereignisses vom 1. Juni 2012 als Arbeitsunfall ab. Ein Gesundheitsschaden in Form einer Borrelieninfektion als Folge des Ereignisses könne nicht nachgewiesen werden. Ein Unfall sei nicht bewiesen. Die labortechnischen Befunde würden für eine länger zurückliegende Infektion sprechen. Ein Widerspruch der Klägerin hiergegen wurde mit Widerspruchsbescheid vom 30. Juli 2013 zurückgewiesen.
Hiergegen hat die Klägerin am 29. August 2013 beim Sozialgericht Altenburg Klage erhoben. Schriftsätzlich hat sich die Klägerin am 25. Februar 2014 dahingehend eingelassen, dass die Zecke am Abend beim Duschen entfernt worden sei und nicht während des Sportfestes. Nach dem Sportfest sei sie ins Auto gestiegen, nach Hause gefahren und nicht mit Grünflächen oder Pflanzen in Berührung gekommen. Auf Antrag der Klägerin hat das Sozialgericht nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ein Gutachten der Neurologin Frau Dr. S. eingeholt. Diese führt in ihrem Gutachten vom 4. Februar 2015 aus, dass es hinsichtlich des zeitlichen Verlaufs bezüglich der Infektion fraglich sei, ob tatsächlich eine Übertragung der im Zeckendarm lebenden Borrelien in der relativ kurzen Zeit stattgefunden haben kann. Die Klägerin habe angegeben, die Zecke am gleichen Tag entfernt zu haben. Nach der Literatur benötige eine Zecke in der Regel 16 - 24 Stunden, um die Erkrankung zu übertragen. In 80% der Fälle komme es nach dem Zeckenstich zur Ausbildung eines Erythema migrans. Eine derartige kreisrunde Rötung sei nicht beobachtet und auch vom Hausarzt am 6. Juni 2012 nicht beschrieben worden. Bereits am 6. Juni 2012 hätten sich erhöhte Borrelien-IgM-Antikörper gezeigt. Bei den IgM-Antikörpern handele es sich um die Sofortreaktion des Körpers auf eine Infektion. Die Frage, wann die ersten Antikörper messbar seien, werde unterschiedlich beantwortet. Die Zeiträume variierten zwischen zwei bis sechs Wochen. Teilweise werde auch das Auftreten im Zeitraum von Tagen angenommen. Die Vielzahl der von der Klägerin geklagten allgemeinen Beschwerden sei zu unspezifisch, um von einer Borrelieninfektion auszugehen. Die Liquordiagnostik im Hinblick auf eine Neuroborreliose in der Fachklinik St. sei negativ gewese...