Entscheidungsstichwort (Thema)

Asylbewerberleistung. Grundleistung. Anspruchseinschränkung nach § 1a Nr 2 AsylbLG. Verfassungsmäßigkeit. Nichtvollziehbarkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen. fehlende Mitwirkung bei der Passbeschaffung. Zurechnung des Verhaltens der sorgeberechtigten Eltern. unabweisbar gebotene Leistung. mindestens Deckung des physischen Existenzminimums. Einzelfallprüfung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Vorschrift des § 1a Nr 2 AsylbLG verstößt nicht gegen die Verfassung und ihre verfassungskonforme Auslegung erfordert nicht die Annahme, der unabweisbare Bedarf sei allein das uneingeschränkte soziokulturelle Existenzminimum (so schon Senatsbeschluss vom 17.1.2013 - L 8 AY 1801/12 B ER = ZfF 2013, 178).

2. Minderjährige müssen sich im Rahmen des § 1a Nr 2 AsylbLG das Verhalten der sorgeberechtigten Eltern zurechnen lassen. Etwas anderes folgt auch nicht aus der UNKRK (juris: UNKRÜbk).

3. Die unabweisbar gebotenen Leistungen sind regelmäßig die zur Sicherung des physischen Existenzminimums notwendigen Leistungen für Bedarfe nach den Abteilungen 1 bis 6 RBEG. Nach Maßgabe der jeweiligen konkreten Umstände des Einzelfalls können aber auch Bedarfe nach den Abteilungen 7 bis 12 notwendig sein.

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 26. März 2013 abgeändert, soweit das Sozialgericht zu einem Betrag zur persönlichen Verfügung von mehr als 16,08 Euro verurteilt hat. Auf Klage wird der Bescheid vom 26. November 2012 dementsprechend abgeändert; die Klage wird im Übrigen abgewiesen.

Der Beklagte hat den Klägerinnen 2/15 der außergerichtlichen Kosten für die erste Instanz und 1/5 der außergerichtlichen Kosten für das Berufungsverfahren zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerinnen begehren nach § 3 AsylbLG für August 2011 einen höheren Betrag zur persönlichen Verfügung.

Die Klägerinnen sind nach eigenen Angaben am 5. Oktober 2009 auf dem Landweg zusammen mit ihren Eltern in Deutschland eingereist. Ausweispapiere oder sonstige Identitätsdokumente existieren nicht. Die Namen der Eltern werden mit R. A. (im Folgenden Vater) und F. A. (im Folgenden Mutter), die der Klägerinnen wie im Rubrum angegeben. Des Weiteren wird angegeben, dass die Klägerin zu 1 am 27. September 1996 und die Klägerin zu 2 am 3. Januar 1995 in B. geboren wurden. Die Staatsangehörigkeit wird als A. angegeben. Gegenüber dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BMF) wurde ferner angegeben, dass die Eltern in B. geheiratet haben und die letzte Wohnanschrift B. Siedlung B., P. …, Wohnung 3 laute.

Am 12. Oktober 2009 stellten alle vier Personen einen Asylantrag. Es folgte ihre Zuweisung in die Gemeinschaftsunterkunft Sch. sowie eine Aufenthaltsgestattung nach § 63 AsylVfG für die Dauer des Asylverfahrens. Auf Anfrage des BMF überprüfte in der Folge die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in B.(im Folgenden: Botschaft) die Identität der vier Personen. Mit Schreiben vom 14. April 2010 teilte die Botschaft mit, dass keiner der vier Personen unter den angegebenen Personalien in der nationalen Datenbank festgestellt werden könne. Aussagen über die Staatsangehörigkeit seien daher nicht möglich. Eine Eintragung der Eheschließung sei ebenfalls nicht registriert und die angegebene Wohnanschrift existiere nicht, weshalb mit dieser Identität auch kein Personalausweis für den Vater ausgestellt worden sein könne. Eine entsprechende Registrierung sei daher nicht zu beschaffen.

Gestützt auf diese Auskunft der Botschaft lehnte das BMF unter dem 16. Juli 2010 die Asylanträge und die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft aufgrund der Einreise über einen sicheren Drittstaat und der unbestätigten Identität als offensichtlich unbegründet ab und forderte zur Ausreise binnen einer Woche auf. Der dagegen gerichtete Eilantrag zum VG Meinigen (1 E 20166/10 Me) ist unter dem 28. September 2010 als unbegründet abgelehnt worden; Beschwerde wurde nicht eingelegt. Ab 1. Februar 2011 war der Aufenthalt nur geduldet. Das Hauptsacheverfahren vor dem VG Meiningen mit dem Aktenzeichen 1 K 20165/10 Me wurde mit Beschluss vom 8. Februar 2013 rechtskräftig wegen Rücknahme der Klage als abgeschlossen eingestellt.

Bereits am 1. Februar 2011 wurden die Klägerinnen und ihre Eltern in einem sog. Ausreisegespräch in der Ausländerbehörde des Beklagten über ihre Ausreiseverpflichtung und die Bedeutung ihrer Pflicht zur Mitwirkung bei der Beschaffung von Heimreisepapieren belehrt. Sie haben dazu keine Angaben gemacht. Die vier Personen wurden aufgefordert, bis zum 1. März 2011 Pässe oder ähnliches der Ausländerbehörde vorzulegen bzw. nachzuweisen, dass sie bei der a. Botschaft vorgesprochen und Dokumente beantragt haben. Nach Angaben des Bevollmächtigten der Klägerinnen sprach der Vater im März 2011 im Konsulat A. in B. vor und füllte dort einen Passantrag aus. Aktenkundig ist dies nicht. Aktenkundig ist dagegen, dass anlässlich einer Vorführung in der Botschaft A. am 8. September 2011 ein Antrag auf Ausstellung von Passer...

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