Verfahrensgang

SG Altenburg (Urteil vom 18.11.1997; Aktenzeichen S 16 RJ 1224/97)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen dasUrteil des Sozialgerichts Altenbürg vom18. November 1997 wird zurückgewiesen. Die Klage gegen den Bescheid vom 9. Dezember 1998 wird abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob bei der Berechnung der Erwerbsunfähigkeitsrente des Klägers Beitragszeiten von 1971 bis 1976 während einer Haft im Beitrittsgebiet zu berücksichtigen sind.

Der 1939 geborene Kläger war vom 11. September 1958 bis August 1978 aus nicht politischen Gründen in der Strafvollzugseinrichtung (StVE), heute Justizvollzugsanstalt (JVA), … inhaftiert und arbeitete in der in Streit stehenden Zeit in einem Betrieb der … Bekleidungswerke. In seinen bei der … GmbH, Landesdepot Sachsen-Anhalt, gelagerten Lohnkonten werden als gesetzliche Abzüge „Lohnsteuer” und „SV-Beitrag” (= Sozialversicherungsbeitrag) vermerkt. Nach dem Entlassungsschein vom 2. September 1978 wurden vom 11. September 1958 bis 31. August 1978 durch die Verwaltung Strafvollzug Gebühren zur Aufrechterhaltung der Rentenanwartschaft entrichtet.

Auf den Antrag vom Februar 1996 gewährte die Beklagte dem Kläger mit Rentenbescheid vom 9. August 1996 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit für die Zeit vom 1. Januar 1996 bis 31. Dezember 1998; sie berücksichtigte bei der Rentenberechnung seine Haftzeiten nicht.

Mit seinem Widerspruch trug der Kläger vor, er habe während seiner Haftzeit arbeiten müssen; bei Arbeitsverweigerung seien harte Strafen verhängt worden. Nach dem Strafvollzugsgesetz der ehemaligen DDR sei Gefangenenarbeit in der Produktion eine Versicherungspflichtige Tätigkeit gewesen. Er reichte eine „Arbeitsbescheinigung” der JVA … vom 27. Februar 1997 ein, nach der er vom 23. Oktober 1959 bis 29. August 1978 – mit Unterbrechungen – „beitragspflichtig” war. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18. Juni 1997 mit der Begründung zurück, eine Anerkennung der Haftzeiten als Beitragszeiten könne nicht erfolgen, da für Zeiten des Arbeitseinsatzes während des Strafvollzuges nach dem Recht der DDR grundsätzlich keine Beiträge zu zahlen waren. Da der Kläger halb- bis untervollschichtig leistungsfähig sei, bestehe kein Anspruch auf Invalidenrente. Eine Vergleichsberechnung nach dem Rentenüberleitungsgesetz sei nicht durchzuführen.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 18. November 1997 abgewiesen.

Mit seiner Berufung hat der Kläger sein Begehren auf die Zeit vom 26. August 1971 bis 31. Dezember 1976 beschränkt und ausgeführt, in dieser Zeit habe er sozialversicherungspflichtige Arbeitsleistungen erbracht. Von den … Bekleidungswerken seien nachweislich Sozialversicherungsbeiträge an den damaligen Träger der Rentenversicherung abgeführt worden. Er habe damals selbst entscheiden können, ob er arbeiten wollte. Er habe einen schriftlichen Arbeitsvertrag mit dem Personalleiter abgeschlossen, der ihm dann bei der Entlassung abgenommen worden sei (Angaben in der Sitzung vom 20. Oktober 1999). Später hat er sich dahingehend eingelassen, es habe sich um einen mündlichen Arbeitsvertrag gehandelt und bei der Entlassung seien ihm die schriftlichen Belehrungen über Arbeitseinsatz abgenommen worden (Angaben in der Sitzung vom 15. März 2000). Die Lohnbescheinigungen der Arbeitseinsatzbetriebe seien von der Anstalt konfisziert worden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 18. November 1997 aufzuheben und den Rentenbescheid der Beklagten vom 9. August 1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Juni 1997 und den Bescheid vom 9. Dezember 1998 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, die dem Kläger gewährte Rente wegen Erwerbsunfähigkeit unter Berücksichtigung einer Beitragszeit vom 26. August 1971 bis 31. Dezember 1976 zu berechnen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und die Klage gegen den Bescheid vom 9. Dezember 1998 abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, es sei kein Beweis erbracht worden, dass tatsächlich Beiträge an den Träger der Rentenversicherung abgeführt worden seien. Dagegen sprächen die gesetzlichen Regelungen der ehemaligen DDR und die ausdrückliche gesetzliche Gleichstellung solcher Tätigkeiten mit Versicherungspflichtigen Tätigkeiten.

Während des Berufungsverfahrens hat die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 9. Dezember 1998 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit über den 31. Dezember 1998 ohne zeitliche Begrenzung gewährt.

Der Senat hat unter anderem Stellungnahmen der Landesversicherungsanstalt Sachsen-Anhalt vom 27. Juli 1998 und der … GmbH vom 8. Juni 1998 sowie eine Auskunft der JVA … erstellt von der Zeugin … vom 16. November 1999 eingeholt und die Zeugin in der Sitzung vom 15. März 2000 vernommen. Diesbezüglich wird auf die Niederschrift der Sitzung vom 15. März 2000 verwiesen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Prozess- und der beigezogenen Verwaltungsakte der Bekla...

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