Entscheidungsstichwort (Thema)

Arznei- und Hilfsmittelliefervertrag. Auslegung nach dem objektivierten Willen des Gesetzgebers

 

Leitsatz (redaktionell)

Besteht ein für die Beteiligten geltender Arznei- und Hilfsmittellieferungsvertrag (AHLV) nach § 192 Abs. 5 SGB V, erfolgt die Abrechnung von Arzneimittellieferungen allein nach Maßgabe der Bestimmungen dieses AHLV. Ein Rückgriff auf die Grundsätze der Geschäftsführung ohne Auftrag oder bereicherungsrechtliche Grundsätze ist ausgeschlossen.

 

Normenkette

SGB V §§ 69, 129

 

Verfahrensgang

SG Nordhausen (Urteil vom 30.06.2003; Aktenzeichen S 6 KR 388/02)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen dasUrteil des Sozialgerichts Nordhausen vom30. Juni 2003 in der Fassung des Urteilsergänzungsbeschlusses vom 13. Oktober 2003 wird zurückgewiesen.

Das Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom 30. Juni 2003 in der Fassung des Urteilsergänzungsbeschlusses vom 13. Oktober 2003 wird hinsichtlich der Entscheidung über die Kosten abgeändert.

Der Kläger trägt die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens und die Kosten des Berufungsverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das Berufungsverfahren auf 239,84 Euro festgesetzt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch des Klägers auf Vergütung der von ihm an zwei Versicherte der Beklagten (BKK) gelieferten Arzneimittel streitig.

Der Kläger ist Apotheker und betrieb bis zum Frühjahr 2005 die S.-Apotheke in Bad L.

Der Kläger lieferte aufgrund ärztlicher Verschreibungen in sieben Fällen Arzneimittel an zwei Versicherte der Beklagten und reichte dieser die sieben ärztlichen Verschreibungen jeweils später als einen Monat nach Ablauf des Kalendermonats der Belieferung zur Bezahlung ein. Die Beklagte bezahlte die mit den eingereichten Verschreibungen jeweils geforderten Beträge in der Folgezeit. Sie ließ danach dem Kläger durch ihre Abrechnungsstelle so genannte Berichtigungsmitteilungen übersenden, denen Kopien der Verschreibungen in digitalisierter Form (sog. Images) mit dem jeweiligen Abzugsbetrag sowie dem Vermerk „Verordnung ungültig” beigefügt waren. Der jeweilige Abzugsbetrag errechnete sich aus dem Gesamtbetrag der Verschreibung abzüglich des fünfprozentigen Krankenkassenrabatts gemäß § 130 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V). Dabei belief sich der Abzugsbetrag der zwei Verschreibungen betreffenden Berichtigungsmitteilung vom 20. Oktober 2000 auf insgesamt 143,69 DM (entspricht 73,47 EUR), der vier Verschreibungen betreffenden Berichtigungsmitteilung vom 2. Juli 2001 auf insgesamt 292,13 DM (entspricht 149,36 EUR) sowie der eine Verschreibung betreffenden Berichtigungsmitteilung vom 6. Juli 2001 auf 33,27 DM (entspricht 17,01 EUR), mithin auf insgesamt 469,09 DM (entspricht 239,84 EUR).

Auf die jeweiligen Einsprüche des Klägers hin begründete die Beklagte die Absetzungen ausweislich der Angaben des Klägers damit, dass gemäß der Nummer 4.2 Abs. 1 des Arznei- und Hilfsmittellieferungsvertrags (AHLV) die Rezepte spätestens einen Monat nach Ablauf des Kalendermonats der Belieferung bei der Verrechnungsstelle einzureichen seien, was jedoch hinsichtlich der sieben berichtigten Verschreibungen nicht geschehen sei. Die tatsächliche Belastung des Kontos des Klägers über einen Gesamtbetrag von 73,47 Euro erfolgte am 25. Januar 2001 sowie über einen weiteren Gesamtbetrag von 166,37 Euro am 7. September 2001.

Am 18. März 2002 hat der Kläger Zahlungsklage bei dem Sozialgericht Nordhausen erhoben und zur Begründung geltend gemacht, die Beklagte sei trotz der Überschreitung der Abrechnungsfrist nicht zur Zahlungsverweigerung berechtigt, denn die Formulierung der Nummer 4.2. Abs. 1 AHLV begründe keinen Rechtsverlust. Wäre etwas Derartiges gewollt gewesen, hätte dies ausdrücklich geregelt werden müssen. Auch aus den gemäß § 69 Satz 3 SGB V entsprechend anwendbaren schuldrechtlichen Grundsätzen folge kein Recht der Beklagten, die Zahlung zu verweigern. Vielmehr seien die Sanktionen bei Vertragsverstößen abschließend in Nummer 5.3. Abs. 1 AHLV geregelt. Außerdem dürften die geforderten Beträge weder rechnerisch noch sachlich gemäß Nummer 4.7 Abs. 1 AHLV berichtigt werden. Schließlich sei die Beklagte auch unter dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag sowie unter bereicherungsrechtlichen Gesichtspunkten zur Zahlung verpflichtet. Dies ergebe sich ebenfalls aus § 69 Satz 3 SGB V. Der geltend gemachte Zinsanspruch gründe sich auf §§ 286 Abs. 2 Nr. 3, 291 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB).

Das Sozialgericht Nordhausen hat die Klage mit Urteil vom 30. Juni 2003 abgewiesen, die Erstattung der außergerichtlichen Kosten ausgeschlossen und zur Begründung ausgeführt, dass es sich bei der Fristbestimmung der Nummer 4.2. Abs. 1 AHLV um eine Ausschlussfrist handele, so dass der Zahlungsanspruch des Klägers, wenn er nach der vereinbarten Monatsfrist abrechne, wieder entfalle. Dies ergebe sich aus Sinn und Zweck der Vorschrift und bedürfe keiner ausdrücklichen Regelung. Etwas anderes ergebe sich auch ni...

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