Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Berufskrankheit gem. BKV Anl 1 Nr 2108. arbeitstechnische Voraussetzung. arbeitsmedizinische Voraussetzung. haftungsbegründende Kausalität. Wahrscheinlichkeit. bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule. Männer. Mainz-Dortmunder-Dosismodell. Orientierungswert. Konsensempfehlungen. unterer Grenzwert. Mindestbelastungsdosis
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Bestimmung der für eine Krankheitsverursachung erforderlichen Belastungsdosis iSd BK Nr 2108 (Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule) ist in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BSG weiterhin das Mainz-Dortmunder-Dosismodell (MDD) heranzuziehen.
2. Der untere Grenzwert, bei dessen Unterschreitung nach gegenwärtigem Wissensstand ein Kausalzusammenhang zwischen beruflichen Einwirkungen und bandscheibenbedingter Erkrankung der LWS ausgeschlossen und deshalb auf einzelfallbezogene medizinische Ermittlungen verzichtet werden kann, ist bei Männern auf die Hälfte des im MDD vorgeschlagenen Orientierungswertes für die Gesamtbelastungsdosis von 25 MNh, also auf 12,5 MNh, festzusetzen.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 26. September 2017 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
Die Beteiligten haben für das gesamte Verfahren einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist zwischen den Beteiligten die Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2108 der Anlage 1 der Berufskrankheitenverordnung (BKV).
Der 1973 geborene Kläger durchlief zunächst vom 1. September 1989 bis 26. Februar 1993 eine Ausbildung zum Zerspanungsmechaniker bei der U E GmbH. Nach einer vom 27. Februar bis 31. März 1993 andauernden Arbeitslosigkeit war der Kläger vom 1. April 1993 bis 31. März 1997 bei der Bundeswehr als Sanitätssoldat tätig. Daran schloss sich eine Fortbildung zum geprüften Pharmareferenten, ein kurzer Zeitraum der Arbeitslosigkeit und bis zum 31. August 2002, unterbrochen von kurzen Arbeitslosigkeitszeiten, eine Tätigkeit als Pharmareferent an. Vom 1. September 2002 bis 31. Juli 2003 war der Kläger arbeitsuchend. Vom 1. August 2003 bis 4. Juli 2005 absolvierte er sodann eine Umschulung zur Fachkraft für Veranstaltungstechnik bei der Firma L & L in E, war anschließend bis zum 24. Juli 2005 erneut arbeitslos und vom 25. Juli 2005 bis 29. Februar 2008 selbständig als Fachkraft für Veranstaltungstechnik tätig. Eine Versicherung für Selbständige nach dem Siebten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) bestand nicht. Vom 1. März 2008 bis 29. Februar 2012 war der Kläger als Fachkraft für Veranstaltungstechnik und Marktaufseher in der Stadtverwaltung E „Kulturdirektion Veranstaltungen und Märkte“ tätig. Seit dem 1. März 2012 ist er als Sachbearbeiter bzw. Verwaltungsfachangestellter tätig. Laut Unfallanzeige vom 6. Juni 2011 erlitt der Kläger auf dem D in E beim Entladen von Gummifüßen und Betonsteinen ein Verhebetrauma und spürte starke Rückenschmerzen. Am 17. August 2011 wurde ein Bandscheibenvorfall in Höhe Lendenwirbelsäule (LWS) 4/5 links im H Klinikum E operativ behandelt. Vom 28. September bis 19. Oktober 2011 absolvierte der Kläger deshalb eine Reha-Maßnahme in einer Fachklinik in L1. Die Entlassung aus der Reha-Maßnahme erfolgte als arbeitsunfähig. Im Verlauf der weiteren Bearbeitung des Arbeitsunfalles beantragte er mit Schreiben vom 28. März 2012 die Anerkennung einer BK 2108. Die Beklagte zog ärztliche Befundberichte über den Kläger bei. Der Kläger legte eine Aufstellung seiner beruflichen Tätigkeiten seit 1989 vor. Der Beratungsarzt der Beklagten L2 verneinte in einer Stellungnahme vom 8. September 2012 das Vorliegen eines belastungskonformen Schadensbildes im Sinne der BK 2108. Vorzeitige Bandscheibenveränderungen seien nur isoliert im Segment L4/L5 gesichert. Dieses Schadensbild sei nicht belastungskonform. Der Gewerbearzt S führte in seiner Stellungnahme vom 5. November 2012 aus, dass eine Stellungnahme des Technischen Aufsichtsdienstes (TAD) zu den arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 2108 fehle. Anhand der Aktenlage sei eine BK 2108 nach den medizinischen Befunden mangels belastungskonformen Schadensbildes nicht festzustellen. Die Anerkennung einer BK 2108 werde daher nicht empfohlen. Daraufhin lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 5. Dezember 2012 die Anerkennung einer BK 2108 ab. Nach Auswertung der vorhandenen medizinischen Unterlagen bestehe eine vorzeitige Bandscheibenveränderung isoliert im Segment L4/L5, während alle übrigen Segmente der Lendenwirbelsäule keine vorzeitigen Bandscheibenveränderungen aufwiesen. Ein solches Krankheitsbild sei nicht anerkennungsfähig. Ein hiergegen durch den Kläger eingelegter Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid vom 6. Juni 2014 zurückgewiesen.
Mit seiner am 16. Juni 2014 vor dem Sozialgericht Gotha (SG) erhobenen Klage hat der Kläger die Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung...