Verfahrensgang
SG Nordhausen (Urteil vom 28.08.2001; Aktenzeichen S 7 VJ 1346/98) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom28. August 2001 und der Bescheid des Beklagten vom 3. Dezember 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Dezember 1998 aufgehoben. Der Beklagte wird verurteilt, bei der Klägerin ein therapieresistentes epileptisches Anfallsleiden mit erheblicher geistiger sowie motorischer Behinderung als Impfschaden anzuerkennen und ihr auf Grund dessen ab 1. Januar 1991 eine Beschädigtenversorgung nach einer MdE von 100 v.H. zu zahlen.
Der Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Anerkennung eines therapieresistenten epileptischen Anfallsleidens, erhebliche geistige Behinderung und leichte motorische Behinderungen als Folgen einer Polioschutzimpfung und die Zahlung einer Beschädigtenversorgung.
Die am 9. November 1976 geborene Klägerin wurde am 12. November 1976 gegen Tuberkulose (BCG) geimpft. Am 17. Januar 1977 erfolgte eine Polioimpfung mit Polio-Typ I-Viren. Eine weitere Impfung erfolgte am 14. Februar 1977 gegen Polio mit Typ III-Viren. Etwa drei Tage nach der zweiten Polioimpfung am 17. Februar 1977 beobachtete die Mutter der Klägerin abends nach dem Baden der Klägerin ein „Zucken des linken Armes” und ein „eigenartiges abwesendes Lächeln”. Daraufhin konsultierte sie am 18. Februar 1977 den Kinderarzt Dr. H., der keine weiteren medizinischen Maßnahmen veranlasste. Im Verlauf der nächsten vier Wochen beobachtete die Mutter der Klägerin weitere Zuckungen am Arm. Die Klägerin wurde am 14. März 1977 gegen Polioviren-Typ-II geimpft. Darüber hinaus erfolgte eine Dreifachimpfung gegen Diphterie-Pertussis-Tetanus (DPT). Acht Tage nach dieser Impfung kam es zu Zuckungen in beiden Armen. Bei der Klägerin war ein auffallend abwesender Blick zu beobachten. Am 26. April 1977 kam es zu einem starken Krampfanfall, der etwa 1 Stunde anhielt. Die Mutter der Klägerin stellte daraufhin das Kind dem Pädiater Dr. R. vor, der es umgehend in die Kinderklinik M. einwies. Seit dieser Zeit befand sich die Klägerin in ständiger stationärer und ambulanter Betreuung durch die Kinderklinik. Am 13. Juni 1977 und am 11. Juli 1977 erfolgte eine Impfung gegen Diphtherie und Tetanus. Ebenfalls am 13. Juni 1977 wurde die Klägerin von der Impfung gegen Pocken und Pertussis (Keuchhusten) befreit. Am 10. April 1978 erfolgte eine weitere Polioimpfung mit Typ-Trivalent-Viren sowie am 8. Mai 1981 gegen Tetanus. Am 23. Mai 1978 erfolgte eine Dauerbefreiung von der Masernschutzimpfung.
In einem Arztbrief vom 20. September 1977 des Kreiskrankenhauses M. wird beschrieben, dass die Klägerin im Mai 1977 wegen einer symptomatischen Epilepsie stationär aufgenommen worden sei. Nach einem Arztbrief des Kreiskrankenhauses M. vom 25. Juli 1979 wurde die Klägerin wegen des Anfallsleidens mehrfach stationär aufgenommen.
Die Klägerin beantragte bereits in der ehemaligen DDR die Anerkennung eines Impfschadens nach Poliomyelitisschutzimpfung. Daraufhin wurde ein Verfahren bei der damaligen Impfschadenskommission des Bezirkes eingeleitet. In diesem Zusammenhang wurden verschiedene Befunde beigezogen. Nach einem Bericht des Kreisarztes S. vom 31. Januar 1983 sei ein kausaler Zusammenhang zwischen der durchgeführten Impfung und der aufgetretenen symptomatischen Epilepsie zu verneinen. Nach einem Protokoll der Impfschadenskommission des Bezirks E. vom 7. März 1983 entschied sich die Kommission „nach eingehender Prüfung der Unterlagen” für eine Anerkennung des Zusammenhangs zwischen durchgeführter Schutzimpfung und Gesundheitsschädigung. Bei dem bestehenden Grundleiden und den durchgeführten Schutzimpfungen trotz Kontraindikation sei eine Zusatzschädigung nie sicher auszuschließen. Davon ausgehend, dass im Zweifelsfalle im Interesse des Geschädigten entschieden werden solle, bestätigte die Bezirkskommission den Zusammenhang. Trotz einer weiteren Prüfung und eines Protokolls der Impfschadenskommission des Bezirks E. vom 8. August 1984 wurde durch den Leiter der Hauptabteilung Hygiene und staatliche Hygieneinspektion Dr. T. ein ursächlicher Zusammenhang verneint. Im Anschluss daran wurde durch den Rat des Kreises M. mit Datum vom 12. Dezember 1984 die Anerkennung eines Impfschadens abgelehnt.
Unter dem 30. Juni 1992 beantragte die Klägerin eine Überprüfung, ob die Krampfanfälle mit nachfolgender Hirnschädigung durch die Impfung verursacht worden seien. Die Klägerin stellte außerdem unter dem 3. Juli 1992 einen förmlichen Antrag auf Gewährung von Versorgung wegen Impfschäden und legte die Sozialversicherungsausweise vor. Der Beklagte zog die Akten über das Antragsverfahren aus den Jahre 1983 und 1984 und die Krankenhausunterlagen über die Entbindung der Klägerin bei.
Nach einer versorgungsärztlichen Äußerung vom 24. Juli 1996 lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 3. Dezember 1996 die Anerkennung eines Impfschaden...