Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. Schädel-Hirn-Trauma. weitere Unfallfolgen: Substanzschaden im linken Großhirn im Sinne einer Parenchymläsion und eines posttraumatischen Kopfschmerzes. hirnorganisches Psychosyndrom. haftungsbegründende Kausalität. Verletztenrente. Anspruchsbeginn: Ende des Verletztengeldanspruchs aus derselben Beschäftigung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zu den Voraussetzungen für die Annahme einer Verschiebung der Wesensgrundlage bei einem posttraumatischen Kopfschmerz.

2. Der Anspruch auf Verletztenrente kann erst mit dem Ende des Verletztengeldanspruchs aus derselben Beschäftigung beginnen.

 

Orientierungssatz

Zur (bejahten) Anerkennung eines Substanzschadens im linken Großhirn im Sinne einer Parenchymläsion und eines posttraumatischen Kopfschmerzes (ICD-10 G44.3) als weitere Unfallfolgen.

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom 4. Februar 2019 und der Bescheid der Beklagten vom 10. Februar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. November 2015 dahingehend abgeändert, dass als weitere Folge des Arbeitsunfalls vom 6. September 2010 ein Substanzschaden im linken Großhirn (substantieller Parenchymschaden) und ein posttraumatischer Kopfschmerz festgestellt werden. Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

Von den außergerichtlichen Kosten des Klägers hat die Beklagte in beiden Instanzen 1/3 zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung weiterer Unfallfolgen aufgrund eines von der Beklagten als Arbeitsunfall anerkannten Ereignisses vom 6. September 2010 und ein Anspruch des Klägers auf Gewährung einer Verletztenrente streitig.

Der Kläger war zum Zeitpunkt des Unfallereignisses am 6. September 2010 Altersrentner und in einer Agrargenossenschaft geringfügig mit einer monatlichen Vergütung von 400 Euro beschäftigt. Am Unfalltag durchfuhr der Kläger mit einem Jeep einen Graben, kam zum Stehen und verspürte seitdem Kopfschmerzen und ein Krankheitsgefühl. Der am Vormittag des 7. September 2010 aufgesuchte Hausarzt M1 diagnostizierte eine Schädel- und Gesichtsprellung. Er veranlasste am Folgetag eine Klinikeinweisung wegen eines Verdachts auf eine Hirnblutung. Daraufhin befand sich der Kläger vom 8. bis 28. September 2010 in stationärer Behandlung im S1-Klinikum. Ausweislich eines CT-Befundes vom 8. September 2010 wurde ein akutes subdurales Hämatom diagnostiziert. Anschließend erfolgte die Verlegung zur Absolvierung einer Rehabilitationsmaßnahme nach L. In einem Fragebogen vom 19. September 2010 schilderte der Kläger den Unfallhergang dergestalt, dass er am Unfalltag plötzlich einen Graben durchfahren und nicht mehr rechtzeitig habe bremsen können. Er habe deswegen starke Stauchungen und Prellungen sowie Verletzungen im Kopfbereich erlitten. Nach Entlassung aus der Reha-Maßnahme in L am 3. November 2010 stellte sich der Kläger wiederholt bei Ärzten wegen anhaltender Kopfschmerzen vor. Ein CT-Befund vom 18. Januar 2010 erbrachte keinen Nachweis eines erneuten Subduralhämatoms. Ein MRT-Befund des Schädels vom 26. Januar 2011 ergab im Vergleich zum Vor-CT vom 8. September 2010 eine annähernd vollständige Resorbierung der subduralen Einblutungen. Verblieben seien noch geringe Hämosiderinauflagerungen bei Zustand nach subduralen Einblutungen. Die Neurologin und Psychiaterin T berichtete in einem Behandlungsbericht vom 23. Mai 2011 über einen anhaltenden Dauerkopfschmerz. Ebenso lassen sich dem Zwischenbericht des H1-Klinikums vom 10. Oktober 2011 anhaltende Kopfschmerzanfälle entnehmen. Am 26. Oktober 2011 erfolgte eine Untersuchung im Schmerzzentrum des Klinikums B. Dort wurde ein atypischer posttraumatischer gemischter Kopfschmerz diagnostiziert. Vorgeschlagen wurde die Durchführung einer multimodalen stationären Schmerztherapie. Diese erfolgte im Klinikum B im Zeitraum 7. bis 22. November 2011. Ab dem 16. Januar 2012 befand sich der Kläger aufgrund einer akuten Hirnblutung im H2 Klinikum E in neurochirurgischer Behandlung. Im Rahmen der Behandlung erfolgte eine Hämatomabsaugung. Ein CT des Kopfes vom 18. Januar 2012 ergab einen Zustand nach intrakranieller Blutung unter Falithrom mit Hämatomausräumung. Vom 27. Januar bis 17. Februar 2012 schloss sich eine Rehabilitationsmaßnahme in L an.

Nach Anhörung des Klägers erstellte der Chirurg W1 am 30. Juli 2012 im Auftrag der Beklagten ein Gutachten zur Klärung der Zusammenhangsfrage. Darin führte er aus, dass das Ereignis vom 6. September 2010 geeignet gewesen sei, eine Hirnblutung wesentlich teilursächlich zu verursachen. Begünstigt worden sei die Blutung durch die langjährig vorbestehende gerinnungshemmende Therapie. Die MdE wurde auf 50 v. H. geschätzt. In einem neurologischen Zusatzgutachten vom 21. September 2012 diagnostizierte die Nervenärztin R ein hirnorganisches Psychosyndrom, einen posttraumatischen Kopfschmerz, eine reaktive Depression und einen Zustand nach Subduralblutung als Unfallfolg...

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