Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch der an einer Makromastie der Brüste leidenden Versicherten auf eine Mammareduktionsplastik
Orientierungssatz
1. Nach § 27 Abs. 1 S. 1 SGB 5 haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn diese notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern.
2. Eine Makromastie der Brüste hat bei einer Versicherten keinen Krankheitswert, wenn sie keine entstellende Wirkung hat.
3. Eine psychische Belastung rechtfertigt keinen operativen Eingriff auf Kosten der Krankenversicherung. Hat diese Krankheitswert, so hat die Versicherte Anspruch auf Behandlung mit den Mitteln der Psychiatrie, nicht aber auf eine Mammareduktionsplastik.
4. Im Übrigen müssen zu einer etwaigen Leistungspflicht der Krankenkasse alle konservativen Behandlungsmöglichkeiten vollständig ausgeschöpft sein. Die begehrte Mammareduktionsplastik muss ultima ratio sein.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 26. November 2012 aufgehoben und die Klage der Klägerin abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist im Berufungsverfahren nunmehr noch streitig, ob die Beklagte der Klägerin die Kosten für eine operative Brustverkleinerung beidseits in Höhe von 4.560,27 Euro zu erstatten hat.
Die 1957 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Mit Schreiben vom 19. Februar 2009 beantragte sie bei der Beklagten die Kostenübernahme einer Brustverkleinerung. Zur Begründung führte sie aus, sie leide seit Jahren täglich an Schmerzen im Nackenbereich, an den Schultern, am Rücken und zeitweise auch an Kopfschmerzen. In den letzten zwei Jahren habe sie verschiedene Kurse, wie Rückenschule, Aquajogging, Schwimmen, Nordic-Walking und Ernährungskurse zur Gewichtsreduzierung sowie Pilateskurse besucht. Die behandelnde Orthopädin habe sie mit Massagen und Spritzen behandelt, die jedoch nur eine begrenzte bzw. kurzzeitige Schmerzlinderung zur Folge gehabt hätten. Es bestehe ein großer psychischer Leidensdruck wegen ständiger Schmerzen. Sie legte ein “Attest„ der behandelnden Orthopädin Dipl.-Med. M. sowie eine “Ärztliche Begutachtung„ des Brustzentrums V. des Klinikums O. in R., jeweils vom 12. Februar 2009, vor.
Dipl.-Med. M. führte in ihrem “Attest„ aus, die Klägerin leide an einem Lumbalsyndrom mit statischer Insuffizienz bei Übergangswirbel, an Osteochondrose und starker Spondylose mit schnabelförmiger Spangenbildung, einem Beckentiefstand links, einem Cervikalsyndrom sowie an einem vertebragenen Schmerzsyndrom der Brustwirbelsäule. Des Weiteren diagnostizierte sie eine Mammahyperplasie, die sich negativ auf die zum größten Teil statischen Beschwerden der Patientin auswirke bzw. die Fehlbelastung und damit die daraus sich entwickelnden degenerativen Veränderungen fordere. Eine Mammareduktionsplastik würde sich positiv auf die Statik auswirken und daher auch die orthopädischen Beschwerden positiv beeinflussen. Im “Gutachten„ des Brustzentrums V. wurde bei der Klägerin eine ausgeprägte Makromastie sowie eine erhebliche Ptosis Mammae (erschlaffte Brust, Maße: Abstand Jugulum/Mamille beidseits 35 cm, Abstand Mamille/Inframammärfalte beidseitig 18 cm) diagnostiziert. Beide Befunde hätten vom Ausmaß her krankhaften Charakter, da sie zu erheblichen statischen Problemen im Bereich der Halswirbelsäule geführt hätten. In den oberen Anteilen der BWS sei es zu Rundrückenbildung gekommen, was durch eine Hyperlordose im Bereich der LWS ausgeglichen werde. Zudem lasse sich ein erhebliches Einschneiden der BH-Träger im Bereich der Schulter erkennen. Bei der Klägerin (Größe 1,70 m, Gewicht 97 kg) sei es leider nicht möglich, durch eine allgemeine Gewichtsreduktion der Makromastie vorzubeugen bzw. diese dadurch zu beeinflussen. Bei einer Operation sei vorgesehen, etwa 800 g Brustdrüsengewebe von jeder Brustseite zu entfernen.
Die Beklagte holte daraufhin ein Gutachten des M. D. der Krankenversicherung Th. (MDK) ein. Dipl.-Med. M. diagnostizierte in dem Gutachten vom 24. März 2009 bei der Klägerin eine Adipositas (E66.9) und eine Spondylose, nicht näher bezeichnet (M47.99), und verneinte im Ergebnis die medizinischen Voraussetzungen für die Leistungsgewährung. Bisher existiere keine einzige wissenschaftliche Studie im Sinne der Evidence Based Medicine, welche einen Zusammenhang zwischen der Größe der Brüste und dem Auftreten von Wirbelsäulenbeschwerden belege. Die Klägerin habe mindestens 17 kg Übergewicht (BMI 33,6). Damit relativiere sich die angegebene Brustgröße bei lediglich geschätzten 800 g Resektionsgewicht je Seite. Die mitgeteilte Brustlast könne nicht im Sinne einer Gigantomastie gewertet werden, welche im seltenen Einzelfall operationsbegründend sein könne. Vor einer operativen Brustverkleinerung stehe eine allgemeine Gewichtsreduktion im Vordergrund. Es sei zu erwarten, dass mit Abnahme des Körpergewich...