Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. keine Kostenerstattung für eine operative Brustverkleinerung bei fehlendem Krankheitswert. Beeinträchtigung von Körperfunktionen oder entstellende Wirkung. keine Rechtfertigung für einen operativen Eingriff durch eine psychische Belastung

 

Orientierungssatz

1. Krankheitswert im Rechtssinne kommt nicht jeder körperlichen Unregelmäßigkeit zu. Erforderlich ist vielmehr, dass Versicherte in ihren Körperfunktionen beeinträchtigt sind oder dass sie an einer Abweichung vom Regelfall leiden, die entstellend wirkt (vgl BSG vom 28.2.2008 - B 1 KR 19/07 R = BSGE 100, 119 = SozR 4-2500 § 27 Nr 14).

2. Eine psychische Belastung rechtfertigt keinen operativen Eingriff auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung. Sie könnte, kommt ihr Krankheitswert zu, nur einen Anspruch auf Behandlung mit den Mitteln der Psychiatrie, nicht aber auf eine Mammareduktionsplastik begründen (vgl BSG vom 28.2.2008 - B 1 KR 19/07 R = aa0).

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 3. Dezember 2012 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist im Berufungsverfahren noch streitig, ob die Beklagte der Klägerin die Kosten für eine operative Brustverkleinerung beidseits zu erstatten hat.

Die 1962 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Sie ist 1,68 m groß, wog im September 2010 97,5 kg und hatte einen BMI von 35. Am 14. September 2010 beantragte sie bei der Beklagten eine Mammareduktionsplastik beidseits als Sachleistung und legte hierzu einen Arztbrief des … Kreiskrankenhauses G./O. vom 9. September 2010 vor, wonach sie an Makromastie und Ptosis (Hängebrust) nach Gewichtsreduktion mit Beschwerden leide. Zur weiteren Antragsbegründung trug sie vor, in den vorausgegangenen 8 Monaten aufgrund von Ernährungsumstellung 20 kg abgenommen zu haben.

Die Beklagte beauftragte den … T. e.V. (MDK) mit der Begutachtung der Klägerin. Dieser verneinte im Gutachten vom 26. Oktober 2010 (Dr. H.) die medizinische Notwendigkeit der beantragten Maßnahme. Die Klägerin leide an einer Mammahyperplasie mit erheblicher Ptosis, an einer Adipositas II. Grades (BMI von 35), an Epilepsie sowie einem Zustand nach Thrombose. Nach einer Gewichtsreduktion, die noch andauere, sei es zur Ausbildung von sehr schlaffen, hängenden Brüsten gekommen. Das Ess- und Ernährungsverhalten sei umgestellt worden und die Klägerin bewege sich viel. Täglich absolviere sie 8 bis 10 km mit Nordic Walking-Stöcken, seither sei es zu zunehmenden Beschwerden im Schulter- und Nackenbereich gekommen. Die Ptosis sei nicht krankheitswertig, es bestünden keine Hautveränderungen oder rezidivierende Entzündungen. Das Brustgewicht sei bezogen auf den Gesamtkörperbau und das Gesamtgewicht ebenfalls nicht als krankheitswertig oder erheblich von der Norm abweichend einzuschätzen. Zur Beschwerdelinderung sei eine weitere Gewichtsreduktion, etwa durch Ernährungsberatung und Bewegungstherapie (Rehasport/Funktionstraining) zu empfehlen. Besonders wichtig erscheine es, die richtige Technik des Nordic Walking zu erlernen, um einseitige Belastungen der Schultern sowie der Nackenmuskulatur zu vermeiden.

Die Beklagte hörte die Klägerin mit Schreiben vom 4. November 2010 zur beabsichtigten Ablehnung des Antrags an. Hierauf nahm diese zusammen mit ihrer Hausärztin Dr. St. mit Schreiben vom 16. November 2010 Stellung und trug vor, dass es durch die Gewichtsabnahme zu einem deutlichen Missverhältnis zwischen den Brüsten und dem übrigen Körper gekommen sei. Zudem leide sie seit Jahren an einer neurologisch-psychiatrisch mitbehandelten Depression. Die Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin sodann mit Bescheid vom 14. Dezember 2010 ab.

Den hiergegen mit Schreiben vom 12. Januar 2011 eingelegten Widerspruch begründete die Klägerin mit einem enormen Leidensdruck, verbunden mit Rücken- sowie Nackenschmerzen. Durch das Brustgewicht trete eine Fehlhaltung auf, die zu Verschleißerscheinungen an der Brust- und Halswirbelsäule führten. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 24. Februar 2011 zurück und führte zur Begründung aus, nach dem MDK-Gutachten liege kein krankheitswerter Körperzustand vor. Ein Zusammenhang zwischen der Brustgröße und den geklagten Wirbelsäulenbeschwerden sei nicht belegt, zumal eine Behandlung z.B. durch physiotherapeutische Maßnahmen bisher nicht erfolgt sei. Behandlungsbedürftig sei auch das Übergewicht der Klägerin mit einem BMI von 35. Es sei zu erwarten, dass durch eine allgemeine Gewichtsreduktion das Brustvolumen und -gewicht abnehmen werde. Somit sei sie auf ambulante Maßnahmen, z.B. fachorthopädische Behandlung, Gewichtsreduktion, Optimierung der Nordic-Walking-Technik, Rückenschule und muskelkräftigende Übungen für Rücken- und Schultergürtel, als zunächst ausreichende, aber auch erforderliche Maßnahmen zu verweisen.

Hiergegen hat die Klägerin am 23. März 2011 Klage ...

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