Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankenhaus. Beteiligtenstreit im Gleichordnungsverhältnis. Anspruch auf Zusatzentgelt

 

Orientierungssatz

1. Eine Klage eines Krankenhauses auf Zahlung der Krankenhausbehandlungskosten eines Versicherten gegen einen Krankenversicherungsträger ist ein Beteiligtenstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt, kein Vorverfahren durchzuführen und keine Klagefrist zu beachten ist (vgl BSG vom 16.12.2008- B 1 KN 3/08 KR R = BSGE 102, 181 = SozR 4-2500 § 109 Nr 15).

2. Das Krankenhaus hat gegenüber der Krankenkasse bei der Vergütung der Krankenhausbehandlung durch Fallpauschalen und Zusatzentgelte einen Vergütungsanspruch nur für eine erforderliche Krankenhausbehandlung.

3. Bei der intravenösen Immunglobulin-Therapie (IVIG) zur Behandlung einer chronisch inflammatorischen demyelinisierenden Polyneuropathie (CIPD) handelt es sich um keinen off-label-use iS des § 35c Abs 1 SGB 5. Nur bei einer lebensbedrohlichen Erkrankung kommt ein off-label-use von Sandoglobulin in Betracht, soweit keine andere Therapie verfügbar ist. Eine geeignete Therapie steht mit der intravenösen Applikation von Gammunex zur Verfügung.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 20. November 2013 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Vergütung von Zusatzentgelten für zwei stationäre Krankenhausbehandlungen streitig.

Die Klägerin betreibt ein nach § 108 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) zugelassenes Krankenhaus, in dem der bei der Beklagten versicherte C. B. (im Folgenden: Versicherter) vom 12. bis 18. November 2009 und vom 15. bis 18. Dezember 2009 wegen chronisch inflammatorischer demyelinisierend Polyneuropathie (CIDP) stationär behandelt wurde. Die Klägerin stellte der Beklagten mit Endabrechnung vom 23. November 2009 für die Behandlung vom 12. bis 17. November 2009 12.741,42 € (Fallpauschale - German Diagnosis Realatad Group Version 2009 ≪G-DRG≫ B71D ≪Erkrankungen an Hirnnerven und peripheren Nerven ohne komplexe Diagnose, ohne Komplexbehandlung der Hand, ohne äußerst schwere oder schwere CC, außer bei Para-/Tetraplegie≫) in Rechnung. Darin enthalten war das Zusatzentgelt ZE93.16 in Höhe von 10.614,84 €. Mit Endabrechnung vom 22. Dezember 2009 stellte die Klägerin der Beklagten für die Behandlung vom 15. bis 17. Dezember 2009 11.401,64 € (G-DRG B17C ≪Erkrankungen an Hirn- und peripheren Nerven ohne Komplexbehandlung der Hand oder mit komplexer Diagnose, ohne schwere CC oder außer bei Para-/Tetraplegie oder ohne komplexe Diagnose mit äußerst schwerer oder schwerer CC, außer bei Para-/Tetraplegie oder ohne schwere CC, bei Para-/Tetraplegie≫) in Rechnung; darin enthalten war das ZE93.14 in Höhe von 8.365,64 €. Die Beklagte zahlte die in Rechnung gestellten Beträge und beauftragte den M. D. der K. Thüringen ... (MDK) mit der Überprüfung der Behandlungsfälle. In seiner Stellungnahme vom 24. Februar 2010 führte er aus, die Behandlung (vom 12. bis 18. November 2009) sei mit Sandoglobulin® durchgeführt worden. Dieses sei für die Behandlung der vorliegenden Erkrankung nicht zugelassen. Die Voraussetzungen für einen Off-Label-Use lägen nicht vor, weil für die Diagnose CIPD Gamunex® zugelassen sei. In weiteren Stellungnahmen vom 26. März 2010 wies der MDK wieder auf die Zulassung von Gamunex® hin. Am 11. Mai 2010 verrechnete die Beklagte überzahlte Beträge in Höhe von 10.733,73 € und 8.459,34 €.

Am 3. November 2011 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht (SG) erhoben und ausgeführt, die Textdefinitionen für die Zusatzentgelte ZE93.16 und ZE93.14 und die sonstigen Vorgaben für die Berechnung der Zusatzentgelte seien unstreitig erfüllt. Der Abrechnung stehe nicht entgegen, dass zum Zeitpunkt der Behandlung das Human-Immunglobulin Sandoglobulin® nicht ausdrücklich für die Behandlung der CIPD zugelassen war. Für Sandoglobulin® bestehe eine Zulassung für die Substitutionstherapie bei primären Immunmangelkrankheiten, ferner für anderweitige Anwendungsgebiete wie die chronische lymphatische Leukämie oder die Behandlung des Guillian-Barré-Syndroms. Es sei fachlicher Konsens, dass die Gabe von Sandoglobulin® im Rahmen einer intravenösen Immunglobulin-Therapie (IVIG-Therapie) eine Standardtherapie bei der Behandlung der CIDP sei. Es werde in den Fachkreisen und den geltenden Leitlinien in der Regel nicht zwischen unterschiedlichen Formen der Human-Immunglobuline unterschieden. Das Zusatzentgelt vergüte die Gabe von Human-Immunglobulinen. Das von der Beklagten und dem MDK angeführte Gamunex® werde daher völlig identisch angewandt und sei von der Beklagten ebenso zu vergüten. Diese verkenne, dass die Anwendung von Arzneimitteln außerhalb der arzneimittelrechtlichen Zulassung für das Indikationsgebiet nicht per se vom Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ausgenommen sei. Es sei zunächst zwis...

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