Orientierungssatz
1. Die Auslegung und Anwendung einer neuen gesetzlichen Vorschrift, durch die eine vom bisherigen Rechtszustand abweichende Regelung der Rechtslage erfolgt und zu der es eine höchstrichterliche Rechtsprechung des zuständigen obersten Gerichtshofes des Bundes noch nicht gibt, weist stets "besondere Schwierigkeiten" rechtlicher Art auf, die einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid entgegenstehen (Anschluss an BSG vom 30.8.2001 - B 4 RA 87/00 R = BSGE 88, 274 = SozR 3-5050 § 22b Nr 1).
2. Die durch § 70 Abs 2 S 2 SGB 6 idF vom 16.12.1997 erfolgte Beschränkung der Berücksichtigung von Entgeltpunkten für zeitgleich zusammenfallende Kindererziehungszeiten mit Beitragszeiten auf die jeweilige Beitragsbemessungsgrenze (Anl 2b SGB 6) verstößt nicht gegen Art 3 Abs 1 GG .
Verfahrensgang
SG Nordhausen (Gerichtsbescheid vom 02.03.2000; Aktenzeichen S 4 RA 1003/99) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung gegen denGerichtsbescheid des Sozialgerichts Nordhausen vom2. März 2000 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Bewertung von Kindererziehungszeiten mit Entgeltpunkten; davon abhängig begehrt die Klägerin auch eine höhere Rente.
Die im Jahre 1939 geborene Klägerin hat am 2. Mai 1965 eine Tochter Ines geboren und dieses Kind in den ersten zehn Lebensjahren selbst erzogen.
Im November 1998 beantragte sie die Gewährung einer Altersrente für Frauen wegen Vollendung des 60. Lebensjahres. Diesem Antrag entsprechend wurde ihr mit Bescheid vom 19. Januar 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. August 1999 Altersrente für Frauen ab März 1999 (nach Vollendung des 60.Lebensjahres) bewilligt. In Anlage 3 des Bescheides vom 19. Januar 1999 („Entgeltpunkte für Beitragszeiten”) sind die Pflichtbeiträge für Kindererziehung für die Monate Juli 1965 bis Mai 1966 nur mit jeweils begrenzten Werten berücksichtigt.
Mit der bei dem Sozialgericht Nordhausen erhobenen Klage hat die Klägerin die Erhöhung ihrer Entgeltpunkte „ohne Begrenzung auf die jeweiligen Höchstwerte nach Anlage 2 b” des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) begehrt. Sie hat zwar anerkannt, dass die Beklagte mit ihrem Bescheid den gesetzlichen Regelungen entsprochen habe; § 70 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sei jedoch verfassungswidrig. Diese Vorschrift entspreche nicht den Vorgaben, die das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 12. März 1996 (Az.: 1 BvR 609/90 und 692/90) dem Gesetzgeber gemacht habe. Sie sei gegenüber allen anderen Rentenbeziehern benachteiligt, bei denen für die Kindererziehungszeiten für jeden Kalendermonat 0,0833 Entgeltpunkte ohne Begrenzung angerechnet werden. Wegen der gesetzlich vorgesehenen Begrenzung könne sie nicht im gleichen Umfang wie die Vergleichsgruppe von den Kindererziehungszeiten profitieren. § 70 Abs. 2 Satz 2 SGB VI verstoße somit gegen den in Art. 3 des Grundgesetzes (GG) verankerten Gleichbehandlungsgrundsatz.
Trotz der ausdrücklich von der Klägerin vorgebrachten Bedenken gegen eine solche Verfahrensweise hat das Sozialgericht Nordhausen die Klage mit Gerichtsbescheid vom 2. März 2000 ohne mündliche Verhandlung abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Es sei von den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit zu klären, warum nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen werde, wenn ihr durch die Beitragsbemessungsgrenze die Vorteile der Kindererziehungszeiten genommen werden. Die vom Gesetzgeber gewählte Ausgestaltung des so genannten additiven Modells mit der gesetzlich näher bestimmten Begrenzung verstoße gegen verfassungsrechtliche Grundsätze.
Sie beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Nordhausen vom 2. März 2000 aufzuheben und die Beklagte in Abänderung des Rentenbescheides vom 19. Januar 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. August 1999 zu verurteilen, die für sie ermittelten sonstigen Beitragszeiten für die Monate Juli 1965 bis Mai 1966 um jeweils 0,0833 Entgeltpunkte für Kindererziehungszeiten ohne Begrenzung nach Anlage 2 b des SGB VI zu erhöhen,
hilfsweise
das Verfahren auszusetzen und hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des § 70 Abs. 2 Satz 2 SGB VI die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Nach Ansicht der Beklagten sind weder der angefochtene Rentenbescheid noch der angefochtene Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Nordhausen zu beanstanden. Die Vorschrift den § 70 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sei verfassungsgemäß.
Ergänzend wird auf den wesentlichen Inhalt der Verwaltungs- und Gerichtsakten Bezug genommen, der zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden ist.
Entscheidungsgründe
Gegen die Zulässigkeit der Berufung bestehen keine Bedenken.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Die Kindererziehungszeiten der Klägerin könne nicht mit mehr Entgeltpunkten bewertet werden als dies in dem an...