Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragspsychotherapeutische Versorgung. Plausibilitätsprüfung. Prüfzeit. Belastungsgrenze eines vollzeitig beschäftigten Psychotherapeuten

 

Orientierungssatz

1. Die Kombination von verschiedenen Leistungen, die im Anhang 3 des einheitlichen Bewertungsmaßstabes für ärztliche Leistungen (juris: EBM-Ä 2005) nicht gesondert aufgeführt ist, kann nur anhand der Anmerkungen zu einer Position des EBM-Ä 2005 überprüft werden (vgl BSG vom 11.12.2013 - B 6 KA 36/13 B = juris RdNr 5).

2. Die Belastungsgrenze eines vollzeitig beschäftigten Psychotherapeuten ist bei etwa 36 zeitabhängigen psychotherapeutischen Leistungen von mindestens 50-minütiger Dauer pro Woche erreicht (vgl BSG vom 25.8.1999 - B 6 KA 14/98 R = BSGE 84, 235 = SozR 3-2500 § 85 Nr 33).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 24.10.2018; Aktenzeichen B 6 KA 43/17 R)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichtes Gotha vom 28. Mai 2014 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert beträgt 3.030,68 €.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über Honorarkürzungen im Rahmen der von der Beklagten durchgeführten Plausibilitätsprüfung für die Quartale I bis IV/2006.

Der Kläger ist Diplom - Psychologe und als psychologischer Psychotherapeut zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.

Mit Schreiben vom 1. März 2010 teilte die Beklagte ihm mit, dass sie seine Abrechnung für die vorgenannten Quartale einer Plausibilitätsprüfung unterzogen und hierbei Auffälligkeiten festgestellt habe, so dass derzeit eine Tiefenprüfung erfolge. Mit Bescheid vom 17. Juni 2010 forderte die Beklagte aufgrund festgestellter Rechtswidrigkeiten der Abrechnung vom Kläger 3.030,68 € für die vier Quartale zurück. Er habe in den Quartalen an zahlreichen Tagen eine Arbeitszeit von mehr als 12 Stunden, in den ersten beiden Quartalen davon Tage mit mehr als 14 und in den letzten beiden Quartalen mit mehr als 13 Stunden, aufzuweisen. Außerdem liege seine Gesamtarbeitszeit in alles Quartalen über der Grenze von 780 Stunden im Quartal, was bereits für die Rechtswidrigkeit der Abrechnung sprechen könne. Die Beklagte legte exemplarisch für verschiedene Tage in den Quartalen den gesamten zeitlichen Aufwand sowie den Zeitaufwand für zeitgebundene Sitzungen nach der Psychotherapie-Richtlinie und psychotherapeutische Gespräche dar. Hieraus berechnete sie allein für diese Leistungen tägliche Arbeitszeiten von über 12 Stunden. Sie verwies außerdem auf die Fallzahlen des Klägers. So habe er im Quartal I/2006 143 Patienten behandelt, die Fachgruppe im gleichen Quartal durchschnittlich 64 Patienten. Den konkreten Rückforderungsbetrag bestimmte sie aus dem Anteil der Tagesarbeitszeit von über 12 Stunden je Quartal. Dem Bescheid war eine Auflistung der in den Quartalen ermittelten Tagesarbeitszeiten (ohne Quartalsleistungen) beigefügt, wobei die über 12 Stunden liegenden gesondert ausgewiesen waren.

Der Kläger legte dagegen Widerspruch ein. Er bestelle die Patienten jeweils zu vollen Stunde ein, was bedeute, dass er nach Ablauf der psychotherapeutischen Sitzungen, laut Leistungslegende des EBM mit einer Mindestdauer von 50 Minuten, noch circa fünf bis zehn Minuten zur Verfügung habe, um sich gedanklich auf den nächsten Patienten vorzubereiten. Alle notwendigen Dokumentationen würden während der laufenden Therapiesitzung durchgeführt. Da er die Sitzungen im Ein-Stunden-Takt durchführe, könne er innerhalb eines 12-Stunden-Zeitraums 12 Patienten behandeln und habe zusätzlich jeweils zwischen zwei Patienten eine Pause von 5 Minuten, um Nahrung zu sich zu nehmen und sich zu regenerieren. Für Freiberufler sei eine Arbeitszeit von 12 Stunden nicht ungewöhnlich. Er könne nachweisen, dass er bei allen Patienten die Leistung ordnungsgemäß erbracht habe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 14. Februar 2011 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück und führte aus, dass nicht einzelne zur Abrechnung gelangte Leistungen auffällig, jedoch in der Summierung die Leistungsabrechnungen in den Quartalen auch für einen psychologischen Verhaltenstherapeuten als unrechtmäßig anzusehen seien. Die antragspflichtigen Leistungen nach der Psychotherapie-Richtlinie seien eindeutig mit einer Zeitvorgabe von 70 Minuten versehen. Diese 70 Minuten berücksichtigten die notwendigen Vor- und Nacharbeiten.

Das Sozialgericht Gotha hat die Klage dagegen mit Urteil vom 28. Mai 2014 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die auf der Grundlage des § 87 Abs. 2 Satz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) vom Bewertungsausschuss im Anhang 3 des EMB festgelegten Prüfzeiten Bestandteil des EMB seien und damit normativen Rechtscharakter hätten, mit der Folge, dass sie nur einer eingeschränkten gerichtlichen Prüfung zugänglich seien. Dem Bewertungsausschuss stehe wie jedem anderen Normsetzer eine Gestaltungsfreiheit und ein Beurteilungsspielraum zu, der grundsätzlich von der Rechtsprechung zu respektieren sei und in den nur in Ausnahmefä...

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