Entscheidungsstichwort (Thema)
Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Berufsbild des Registrators. Begutachtung. Rechtspflicht zur Zulassung eines Dritten während der Begutachtung
Orientierungssatz
1. Zum Berufsbild des Registrators.
2. Die Verwertbarkeit eines Gutachtens ist nicht deshalb eingeschränkt, weil der Sachverständige die Anwesenheit der Tochter des zu Begutachtenden während der Begutachtung nicht gestattet.
3. Eine Rechtspflicht zur Zulassung eines Dritten während einer Begutachtung steht immer unter dem Vorbehalt, dass dadurch das Ergebnis der Exploration und Begutachtung nicht verfälscht werden darf. Die Anwesenheit vor allem von nahen Familienangehörigen oder Freunden kann nicht nur die Exploration, sondern auch die testpsychologische Diagnostik beeinflussen.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 16. Juli 2012 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung hat.
Die 1956 geborene Klägerin absolvierte von September 1972 bis Juli 1974 erfolgreich eine Ausbildung zum Bauzeichner (Facharbeiterzeugnis vom 15. Juli 1974) und war danach bis August 1975 als technische Zeichnerin tätig. Von August 1975 bis August 1978 absolvierte sie ein Studium, das sie als Ingenieur in der Fachrichtung Werkzeugmaschinenbau abschloss. Von August 1978 bis Dezember 1992 arbeitete sie als Konstrukteurin für Betriebsmittel, danach war sie arbeitslos. Vom 28. November 1994 bis 21. April 1995 war sie als Technikerin bei der N. M. Stahl- und Metallbau GmbH & Co. KG tätig. Unterbrochen durch Umschulungs-, Weiterbildungs- und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, bezog sie bis 31. Dezember 2004 Leistungen der Bundesagentur für Arbeit. Sie besuchte u.a. die Lehrgänge “Modulares Trainingszentrum für kaufmännische und IT - Branchenlösungen" (1. November 2007 bis 25. März 2008), “Trainingsmaßnahme -Medienkompetenz" (9. Februar 2004 bis 31. März 2004)) und "Fachkraft für Multimedia" (24. September 2001 bis 23. September 2002).
Im Januar 2009 beantragte sie die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte holte ein onkologisches Gutachten des Dr. J. vom 12. März 2009 (Diagnosen: essenzielle Thrombozythämie, Hypertonie; Leistungsbild: leichte bis mittelschwere überwiegend sitzende Tätigkeiten vollschichtig möglich) ein und lehnte mit Bescheid vom 19. März 2009 die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab. Im Widerspruchsverfahren holte sie ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten der Dr. H. vom 13. Mai 2009 ein (Diagnosen: mittelgradige depressive Episode im Rahmen einer Anpassungsstörung, Dorsolumbalgien ohne Anhalt für zervikalen oder lumbalen Wurzelreiz oder spinale Symptomatik, Verdacht auf ISG-Blockierung rechts, Ausschluss eines Polyneuropathiesyndroms; Leistungsbild: leichte Arbeiten unter Beachtung von Einschränkungen sechs Stunden und mehr) und wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 15. Juli 2010 zurück.
Im Klageverfahren hat das Sozialgericht (SG) diverse Befundberichte mit entsprechenden medizinischen Anlagen beigezogen, ein internistisch-sozialmedizinisches Gutachten des Dr. Sch. vom 7. Februar 2012 und ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten des Dr. B. vom 10. Februar 2012 eingeholt. Zusammenfassend nennt Dr. Sch. folgende Diagnosen: Vermehrung der Blutplättchenzahl, medikamentös ausreichend kompensiert, ohne bisherige Manifestation von thromboembolischen Ereignissen (essenzielle Thrombozythämie bei myeloproliferativem Syndrom), Bluthochdruck, medikamentös ausreichend behandelt, ohne Anhalt für eine Herzbeteiligung, normale linksventrikuläre Pumpfunktion, vorbefundlich Herzrhythmusstörungen, medikamentös behandelt (paroxysmales Vorhofflimmern), Neigung zu Magenschleimhautentzündungen, unter bedarfsweise eingesetzter Medikation ausreichend therapiert, Ausschluss einer Lungenfunktionsstörung bei angegebener Belastungsatemnot, Übergewichtigkeit, intermittierende Blockierung des rechten Kreuz-Darmbein-Gelenkes, Lendenwirbelsäulen-(LWS-)Syndrom mit wurzelreizähnlicher Symptomatik im rechten Bein ohne wesentliche Funktionseinschränkungen und ohne Zeichen einer Nervenwurzelirritation zum Untersuchungszeitpunkt, Kopfschmerz vom Spannungstyp, aktuell Ausschluss einer Erkrankung aus dem entzündlich-rheumatischen Formenkreis, aktuell kein Hinweis auf eine leistungslimitierende Gesundheitsstörung auf psychiatrischem bzw. neurologischem Fachgebiet. Die Klägerin könne körperlich leichte Tätigkeiten sechs Stunden und mehr täglich ausüben. Für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Technikerin bestehe ein über sechsstündiges Leistungsvermögen.
Mit Urteil vom 16. Juli 2012 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung nach § 43 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) lägen nicht vor. Nach den Feststellung...