Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Klimakur am Toten Meer. Kostenübernahme. Augenerkrankung (chronisch-rezidivierende Uveitis
Orientierungssatz
Zum Anspruch eines an einer Augenerkrankung (chronisch-rezidivierende Uveitis) leidenden Kindes auf Übernahme der Kosten für eine Klimatherapie am Toten Meer in Israel.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer so genannten Klimatherapie am Toten Meer, deren wichtigstes Element das Sonnenbaden im Liegen ist.
Der 1988 geborene und bei der Beklagten familienversicherte Kläger leidet an einer chronisch-rezidivierenden Uveitis. An beiden Augen erfolgte 1993 bzw. 1994 eine Glaskörperausschneidung und Entfernung der getrübten Linsen. Später wurde der Nachstar am rechten Auge operativ entfernt. Von 1995 an hielt sich der Kläger bis 2000 einmal jährlich zu einer stationären Klimakur in Israel auf.
Unter dem 16. September 2000 beantragte die Mutter des Klägers die erneute Durchführung der Kur. Ausweislich der von der Beklagten eingeholten Auskunft des behandelnden Augenarztes Dr. S vom 17. Januar 2001 sind bei schwerem Verlauf einer Uveitis totalis am rechten Auge im April und November 2000 Rezidive mit Entzündungszellen in der Vorderkammer und vermehrt Glaskörperschlieren aufgetreten.
Nach dem Gutachten des Dr. F (Medizinischer Dienst der Krankenversicherung im Freistaat Sachsen ≪MDK Sachsen≫) vom 7. Februar 2001 ist der therapeutische Effekt einer Klimatherapie am Toten Meer wissenschaftlich nicht erwiesen. Angesichts der dort erheblichen UV-Exposition bestehe ein Risiko in der intensiven, intermittierenden und unzureichend kontrollierten Sonnenbestrahlung am Toten Meer. Trotz der seit 1995 durchgeführten Maßnahmen seien Rezidive aufgetreten. Eine medizinische Behandlung am Wohnort sei ausreichend.
Mit Bescheid vom 27. Februar 2001 lehnte die Beklagte die Gewährung der Klimakur am Toten Meer ab.
Die Beklagte holte auf den Widerspruch u. a. ein Gutachten des Dipl.-Med. M vom 14. Mai 2001 (MDK Sachsen-Anhalt) ein. Danach sind bei dem chronisch rezidivierenden Verlauf der Erkrankung trotz der seit 1995 durchgeführten jährlichen Reha-Maßnahmen am Toten Meer ca. sechs-monatlich Rezidive aufgetreten. Unter Behandlung mit lokalen Steroiden bzw. ohne Gabe von systemischer Stereoidmedikation kamen sie zur Abheilung. Die Sehschärfe sei wiedererlangt worden. Es stehe mit der UVA-1-Lichttherapie eine neue Methode für die Behandlung einer chronisch-endogenen Uveitis zur Verfügung.
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15. Juni 2001 zurück.
Auf die Klage hat das Sozialgericht Gotha neben einem Befundbericht des behandelnden Augenarztes Dr. S vom 22. Juli 2001 u. a. ein Sachverständigengutachten des Dr. B vom 18. September 2001 eingeholt (Diagnosen rechtes Auge: Pseudophakie, Zustand nach YAG-Kapsulotomie, Zustand nach Vitrektomie bei chronischer Uveitis; Diagnosen linkes Auge: Kontaktlinsenträger bei Aphakie bei Zustand nach Katarakt-Operation bei Zustand nach Vitrektomie bei chronischer Uveitis). Zum Untersuchungszeitpunkt am 17. September 2001 liege keine akute Entzündung mit Notwendigkeit des therapeutischen Intervenierens vor. Eine Therapie mit Cortison sei wegen der Nebenwirkungen nicht wünschenswert, sodass beim Auftreten von Rezidiven und einer Verschlimmerung eine ausreichende Therapie in Deutschland ohne Inkaufnahme ernster Nebenwirkungen derzeit nicht möglich sei.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 29. November 2001 abgewiesen.
Mit seiner Berufung macht der Kläger geltend, die Notwendigkeit der Therapie sei wiederholt vom behandelnden Augenarzt bescheinigt worden. Sie sei ohne Inkaufnahme von Nebenwirkungen in Deutschland nicht möglich. Zur Vorbeugung von Rezidiven und zur Stabilisierung des Immunsystems sei eine Klimatherapie notwendig. Sein Gesundheitszustand habe sich verschlechtert, weil es zu Eintrübungen im Glaskörper des Auges gekommen sei. Es seien bisher sieben Klimakuren in Israel durchgeführt worden, die stets zu einer Verbesserung des Gesundheitszustandes geführt hätten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 29. November 2001 und den Bescheid der Beklagten vom 27. Februar 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Juni 2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Klimatherapie am Toten Meer in Israel für mindestens vier und höchstens sechs Wochen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf den Inhalt ihrer angefochtenen Entscheidungen sowie auf die Gründe des in erster Instanz ergangenen Urteils.
Der Senat hat u. a. Krankenunterlagen der Augenklinik der L-M-Universität M, der Augenklinik der E-K-Universität T und des Universitätsklinikums L, Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde, beigezogen sowie ein augenfachärztliches Sachverständigengutachten des Prof. Dr. S vom 6. November 2002 sowie seine ergänzende Stellungnahmen vom 5. Februar und 25. Juni 2003 eingeholt. Der Sachverständige hat die gleichen Diagnosen wie Dr. B ges...