Entscheidungsstichwort (Thema)
Verweisbarkeit einer Schreibkraft/Sachbearbeiterin bei beantragter Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit
Orientierungssatz
1. Bei einem vor dem 2. 1. 1961 geborenen Versicherten ist bei der Entscheidung über die Gewährung von Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB 5 dessen Verweisbarkeit aufgrund des noch vorhandenen Leistungsvermögens zu bestimmen.
2. Hat eine Versicherte zuletzt bei der Stadtverwaltung als Schreibkraft und Sachbearbeiterin gearbeitet, so ist sie nach dem Mehrstufenschema des BSG verweisbar auf die Tätigkeit einer Poststellenmitarbeiterin bzw. einer Registratorin.
3. Bei dieser Tätigkeit handelt es sich um eine kaufmännisch-verwaltende Tätigkeit auf der Ebene der Angestellten mit einer Ausbildung von bis zu zwei Jahren.
4. Eine als Schreibkraft und Sachbearbeiterin tätig gewesene Versicherte kann sich innerhalb von drei Monaten in die Tätigkeit einer Registratorin einarbeiten.
5. Das Risko, einen Arbeitsplatz innerhalb des gesamten Bundesgebietes zu finden, trägt nicht die Renten-, sondern die Arbeitslosenversicherung.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Meiningen vom 30. Juli 2012 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung hat.
Die 1956 geborene Klägerin hat im Zeitraum vom September 1973 bis 1975 eine Lehre zum Facharbeiter für Fernschreibverkehr absolviert, die Prüfung jedoch nach ihren Angaben nicht bestanden. Sie war von 1975 bis September 1978 als Fernschreiberin und von Oktober 1978 bis 1990 als Sachbearbeiterin und Sekretärin in einer Berufsschule beschäftigt. 1990 wurde die Klägerin in die Stadtverwaltung E. übernommen und arbeitete dort als Sekretärin und Sachbearbeiterin. Sie besuchte von Mai 1991 bis Juni 1992 einen Qualifikationslehrgang zur Sekretärin. Nach der im Verwaltungsverfahren eingeholten Arbeitgeberauskunft vom 27. November 2008 wurde sie zuletzt nach der Entgeltgruppe 5 des TVöD (ehemals Vergütungsgruppe VII des BAT-Ost) entlohnt. Seit dem 8. August 2008 ist sie dauerhaft arbeitsunfähig erkrankt.
Die Klägerin beantragte am 6. November 2008 bei der Beklagten Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, da sie an Bluthochdruck, Diabetes und orthopädischen Beschwerden leide. Die Beklagte zog den Reha-Entlassungsbericht des Reha-Zentrums B. St. vom 17. Oktober 2007 (Diagnosen: Cervicobrachialgien überwiegend myotendinotischer Genese, deutliches funktionseinschränkendes LWS-Syndrom bei Überlastung, deutliche Adipositas mit Überlastungserscheinung seitens des Bewegungsapparates, Arterielle Hypertonie, Diabetes mellitus; vollschichtig leistungsfähig als Teamassistentin) sowie das MDK-Gutachten vom 19. November 2008 bei und holte ein internistisches Gutachten des Dr. L. vom 7. Januar 2009 (Diagnosen: arterieller Hypertonus bei alimentär bedingter Adipositas, Diabetes mellitus Typ 2b, Hyperurikämie, degenerativer Wirbelsäulen- und Schultergelenkschaden; eine Tätigkeit als Sekretärin vollschichtig möglich) sowie ein orthopädisches Gutachten des Dipl.-Med. W. vom 26. Januar 2009 (Diagnosen: rezidivierendes Cervicalsyndrom, rezidivierendes Lumbalsyndrom, beginnende Coxarthrose beidseits, aktuell Schulter-Arm-Syndrom; leichte körperliche Arbeiten im Wechselrhythmus 6 Stunden und mehr möglich) ein. Mit Bescheid vom 24. April 2009 lehnte sie den Rentenantrag der Klägerin ab.
Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Eine von der Beklagten angebotene psychosomatische Rehabilitationsmaßnahme lehnte sie ab. Die Beklagte bewilligte ihr daraufhin eine orthopädische Rehabilitationsmaßnahme und zog im Anschluss den Reha-Entlassungsbericht des Reha-Zentrums B. Sch. vom 22. Dezember 2009 (Diagnosen: rezidivierendes pseudoradikuläres Lumbalsyndrom bei LWS-Fehlstatik, rezidivierendes Cervicocephalsyndrom beidseits bei HWS-Fehlstatik und muskulärer Dysbalance, Chondropathia patellae beidseits bei beginnender Gonarthrose beidseits, Diabetes mellitus Typ II, Entwicklung körperlicher Symptome aus psychischen Gründen; eine Tätigkeit als Sachbearbeiterin/Sekretärin 6 Stunden und mehr möglich) bei und wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 13. April 2010 zurück.
Mit ihrer am 12. Mai 2010 vor dem Sozialgericht Meiningen (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, sie könne die von der Beklagten benannten Verweisungstätigkeiten gesundheitlich nicht ausüben. Da sie Berufsschutz genieße, komme eine andere Verweisungstätigkeit nicht in Betracht. Es liege Erwerbsunfähigkeit im Hinblick auf die Bewegungseinschränkung im Bereich der Hände vor.Sie hat dem SG ihr Zeugnis über den Abschluss als Sekretärin, den Arbeitsvertrag vom 23. August 1991 sowie eine Dienstzeitberechnung vorgelegt. Die Beklagte ist dem entgegen getreten und hat die Auffassung vertreten, die Klägerin genieße zw...