Entscheidungsstichwort (Thema)
Rente wegen Todes. Witwenrente. widerlegbare Vermutung. Versorgungsehe. kurze Ehedauer. Versorgungsabsicht. Überlebenswahrscheinlichkeit. unheilbare Erkrankung
Leitsatz (amtlich)
Für die Beurteilung der Beweggründe einer Heirat (§ 46 Abs 2a SGB 6) ist nicht wesentlich, ob das Überleben des Versicherten über ein Jahr nach der Eheschließung wahrscheinlicher war als sein Tod und ob die Eheleute von einer Ehe über ein Jahr ausgehen konnten, denn statistische Wahrscheinlichkeiten sagen hierzu nichts aus.
Normenkette
SGB VI § 46 Abs. 2a, 2 S. 1 Nr. 2; ZPO § 292 S. 1; SGG § 202 S. 1
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 25. November 2010 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin Anspruch auf eine große Witwenrente hat.
Sie lebte vor der Eheschließung (18. Juni 2008) mit ihrem Ehemann, dem 1940 geborenen Versicherten, über 30 Jahre unverheiratet zusammen. Sie selbst bezog eine monatliche Rente von ca. 800 Euro, der Versicherte von ca. 900 Euro. 2001 wurden bei dem Versicherten im Universitätsklinikum J. Ösophagusvarizen festgestellt.
Am 15. Januar 2007 wurde der Versicherte in der Notaufnahme des Universitätsklinikums J. - Klinik und Poliklinik für Innere Medizin II - aufgenommen. Im Entlassungsbericht vom 18. Januar 2007 wurden u.a. die Diagnosen Ösophagusvarizen Grad II (I98.20) und alkoholtoxische Leberzirrhose (K70.3) aufgeführt. Nach dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. St. vom 30. April 2010 zeigte sich bereits damals eine portalvenös dekompensierte Leberzirrhose im Child-Pugh Stadium B. Eine erneute stationäre Behandlung erfolgte in der Klinik und Polyklinik für Innere Medizin II vom 24. Mai bis 14. Juni 2008. Der Entlassungsbericht vom 14. Juni 2008 enthält u.a. die Diagnosen ethyltoxische Leberzirrhose Child-Pugh B (K70.3), Ösophagusvarizen Grad II (I98.20), Verdacht auf komplette Pfortaderthrombose (I81) und Neubildung unsicheren oder unbekannten Verhaltens-Leber, Gallenblase und Gallengänge (D37.6 DD).
Am 12. Juni 2008 reichte die Klägerin beim Standesamt des Wohnorts J. die für eine Eheschließung erforderlichen Unterlagen ein und heiratete den Versicherten am 18. Juni 2008.
Vom 14. bis 15. August 2008 wurde bei dem Versicherte eine suchttherapeutische Abstinenzabklärung für eine mögliche Lebertransplantation in den H.-B.-Kliniken Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums J. durchgeführt. Im Entlassungsbericht vom 15. August 2008 werden u.a. eine Alkoholabhängigkeit und hepatische Enzephalopathie aufgeführt. Aus psychiatrischer Sicht bestünden auch unter Berücksichtigung der Enzephalopathie starke Zweifel, dass der Versicherte der Verantwortung als potenzieller Organempfänger für einen langfristigen Transplantationserfolg gerecht werden könne; die Transplantation werde als bedenklich eingestuft. Der Arztbrief derselben Klinik vom 16. September 2008 (Aufenthalt 8. bis 12. September 2008) bestätigte dies, führte allerdings aus, es bestehe auch keine Kontraindikation. Der Entlassungsbericht des Universitätsklinikums J. - Klinik und Poliklinik für Innere Medizin II - vom 9. Oktober 2008 (stationärer Aufenthalt vom 27. August bis 8. September 2008) berichtete über eine dekompensierte äthyltoxische Leberzirrhose (Child-Pugh C) mit hepatischer Enzephalopathie Grad II. Eine Lebertransplantation sei angesichts der Zweifel der Klinik für Psychiatrie nicht vorgesehen.
Nachdem die Eheleute in J. keine Möglichkeit für ein betreutes Wohnen fanden, zogen sie in die neu eröffnete F.-Wohnanlage in G..
Nach dem Arztbrief des W. G. eGmbH vom 14. April 2009 wurde der Versicherte dort ab 26. November 2008 stationär behandelt (Diagnosen: äthyltoxische Leberzirrhose Child-Pugh C mit hepatorenalem Syndrom, spontan bakterielle Peritonitis, Verdacht auf multifokales HCC ≪Hepatocellular carcinoma≫). Er verstarb dort am XX. Januar 2009.
Die Klägerin beantragte am 26. Januar 2009 die Gewährung einer Witwenrente und gab an, ihr und dem Versicherten sei die Unheilbarkeit der Krankheit mit konventioneller Behandlung zum Zeitpunkt der Eheschließung bekannt gewesen. Allerdings seien sie bis August 2008 von der der Möglichkeit einer Lebertransplantation ausgegangen. Zu ihrer Vorbereitung habe sich der Versicherte zweimal in der Klinik für Psychiatrie aufgehalten. Der fortschreitende körperliche Verfall ab Oktober 2008 habe sie nicht mehr ermöglicht. Der Zeitpunkt des Todes sei aber nicht voraussehbar gewesen. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 25. März 2009 ab. Mit ihrem Widerspruch trug die Klägerin vor, die Ehe habe vor allem die notwendigen Pflege in häuslicher Umgebung und ein stabiles Umfeld sichern sollen. Nicht alle Einrichtungen mit betreutem Wohnen bzw. Pflegeeinrichtungen respektierten eine langjährige Lebenspartnerschaft als Grundlage gemeinsamen Wohnens. Mit Widerspr...