Entscheidungsstichwort (Thema)

Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Baumaschinistenausbildung in der DDR. Gleichstellungsbescheid der IHK. Baggerfahrer. Verweisbarkeit. Pförtner an der Nebenpforte. Mehrstufenschema. Wettbewerbsfähigkeit. Tarifvertragliche Einordnung. Baugeräteführer. Facharbeiter. Gerichtsbescheid

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Ausbildung zum Baumaschinisten in der DDR von September 1966 bis August 1968 begründet keine Zuordnung zum Leitberuf des Facharbeiters nach dem Mehrstufenschema des BSG (entgegen LSG Berlin vom 25.8.2003 - L 16 RJ 86/02).

2. Wird der Baumaschinist durch einen Gleichstellungsbescheid der IHK dem erst seit August 1991 eingeführten Baugeräteführer gleichgestellt, entfaltet diese Entscheidung keine Bindungswirkung dergestalt, dass der Kläger als Facharbeiter einzustufen ist. Dieser Bescheid ist von einer absolut unzuständigen Behörde erlassen und damit nichtig und entfaltet im Rechtsverkehr keine Bindungswirkung.

3. Zur Einstufung eines Baggerfahrers.

 

Orientierungssatz

1. Zur Zulässigkeit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid.

2. Zur Verweisungstätigkeit eines Pförtners an der Nebenpforte.

 

Normenkette

SGB VI § 240; SGG § 105 Abs. 1 S. 1

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gotha vom 18. Februar 2013 abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit für den Zeitraum 1. Februar 2010 bis 1. August 2012 zusteht.

Der 1949 geborene Kläger erlernte in der Zeit vom 1. September 1966 bis zum 20. August 1968 den Beruf des Baumaschinisten (Facharbeiterzeugnis vom 28. August 1968). In der Folge erwarb er mehrere Zusatzprüfungen und Berechtigungsscheine und war für verschiedene Arbeitgeber als Kranführer, Gabelstaplerfahrer und Baggerfahrer und zuletzt für die … GmbH & Co. KG als Baumaschinenwart tätig (Arbeitsvertrag vom 28. Februar 2000). Nach der Arbeitgeberauskunft vom 27. April 2010 arbeitete er als Baumaschinist und Bediener eines Radbaggers im Tiefbau. Er wurde zunächst in die Berufsgruppe M IV 3 des Baurahmentarifvertrages mit einem Tariflohn von 22,06 DM/Stunde brutto eingestuft und später in die Lohngruppe 1 der Lohntabelle für das Baugewerbe in H. und nachfolgend in die Lohngruppe 2 dieser Lohntabelle (12,50 €/Stunde) eingruppiert. Seit dem 13. August 2008 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt.

Er beantragte im Januar 2010 die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte zog u.a. ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der … e.V. vom 3. März 2009 bei (Diagnosen: Impingement-Syndrom der linken Schulter, arterielle Hypertonie, Hyperlipidämie, Myokarditis) und holte ein orthopädisches Gutachten des Dr. K. vom 17. Februar 2010 mit ergänzender Stellungnahme vom 17. März 2010 ein (Diagnosen: Zervikobrachialsyndrom links mit nachfolgender Operation, Abtragen der Retrospondylophyten und Einbau eines Gages C5/C6, C6/C7, Lumbalgien mit Ausstrahlung zum rechten Hüftgelenk, Hypertonie; Leistungsbild: nach Abschluss der Rekonvaleszenz leichte bis mittelschwere Tätigkeiten im Umfang von sechs Stunden und mehr mit Einschränkungen; die bisherige Tätigkeit als Baumaschinenführer insbesondere Bagger- und Kranfahrer sei nicht mehr möglich). Sie lehnte den Rentenantrag mit Bescheid vom 4. Mai 2010 ab und wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 16. November 2010 zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass der Kläger seinen Hauptberuf als Baumaschinist zwar nicht mehr ausüben könne. Ihm sei jedoch eine Tätigkeit als Pförtner an der Nebenpforte sozial und medizinisch zumutbar.

Im Klageverfahren hat das Sozialgericht (SG) u.a. Beweis erhoben durch Einholung eines orthopädischen Gutachtens des Dr. H. vom 20. März 2012 (Diagnosen: Chronisches Halswirbelsäulen-Syndrom bei Zustand nach Versteifungsoperation HW 4/5 und HW 5/6 von ventral mit leichten bis mittelgradigen Funktionseinschränkungen der Halswirbelsäule; Chronisches Lendenwirbelsäulen-Syndrom bei Zustand nach Dekompressionsoperation LW 4/5 und LW 5/SW1 rechts mit leichten bis mittelgradigen Funktionseinschränkungen der Lendenwirbelsäule; Zustand nach arthroskopischer Akromioplastik und Bursektomie bei Impingement-Sydrom der linken Schulter ohne aktuelle Funktionseinschränkung), nach dem der Kläger noch leichte körperliche Tätigkeiten unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich verrichten kann. Sie sollten möglichst in wechselnden Körperhaltungen und überwiegend in sitzender Stellung ohne schwere Hebe- und Trageleistungen, ohne Überkopfarbeiten, ohne Zwangshaltungen von Halswirbelsäule und Lendenwirbelsäule sowie in geschlossenen Räumen ohne Nässe, Kälte und Zugluft ausgeübt werden. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Bagger- und Kranführer sei nicht mehr möglich.

Mit Bescheid vom 31. Juli 2012...

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