Entscheidungsstichwort (Thema)
Schwerbehindertenrecht. Beschäftigungspflicht der Arbeitgeber. Anrechnung Beschäftigter auf die Zahl der Pflichtarbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen. Antrag auf Zulassung der Anrechnung bei Teilzeitbeschäftigung von weniger als 18 Stunden wöchentlich. Form der Antragstellung. Zulassung der Anrechnung für die Vergangenheit
Orientierungssatz
1. Die Prüfung der Anrechnung nach § 75 Abs 2 S 3 SGB 9 erfolgt regelmäßig auf Antrag des Arbeitgebers oder des schwerbehinderten Beschäftigten, wobei ein Antrag auf Zulassung der Anrechnung schon darin zu sehen ist, wenn der Arbeitgeber in der Jahresmeldung die teilzeitbeschäftigten schwerbehinderten Beschäftigten auf die Pflichtarbeitsplätze tatsächlich anrechnet.
2. Die Entscheidung über die Zulassung der Anrechnung ist auch für die Vergangenheit möglich.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 18. April 2017 hinsichtlich der Zeit von Januar bis April 2014 aufgehoben und die Klage insoweit abgewiesen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt 3/4 der Kosten des Verfahrens. Die Klägerin trägt 1/4 der Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Anrechnung des Arbeitsplatzes einer schwerbehinderten Arbeitnehmerin auf einen Pflichtarbeitsplatz bei einer wöchentlichen Arbeitszeit unter 18 Stunden nach § 75 Abs. 2 Satz 3 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) für das Jahr 2013 und die Zeit von Januar bis April 2014.
Die Klägerin beschäftigte im Anzeigejahr 2013 monatlich durchschnittlich 22 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (vgl. Blatt 100 der Gerichtsakte).
Nachdem die Klägerin die Anzeige für das Jahr 2013 nach § 80 Abs. 2 SGB IX bei der Beklagten eingereicht hatte (vgl. Blatt 11 der Gerichtsakte), wies die Beklagte sie unter dem 2. April 2014 darauf hin, dass die Bearbeitung der Anzeige nicht möglich sei, weil die Unterlagen unvollständig eingereicht worden seien. Sie werde bis zum 23. April 2014 gebeten, die berichtigten bzw. ergänzenden Unterlagen vorzulegen (vgl. Blatt 12 der Gerichtsakte).
Daraufhin führte die Klägerin aus, dass die Arbeitnehmerin seit dem 3. Januar 2011 beschäftigt sei und im Anzeigejahr 2013 eine Wochenarbeitszeit unter 18 Stunden verrichtet habe (Schreiben vom 3. April 2014, vgl. Blatt 97 und 98 der Gerichtsakte).
Weiter teilte die Klägerin der Beklagten im Mai 2014 mit, für die Arbeitnehmerin sei die Anrechnung auf einen Pflichtarbeitsplatz notwendig. Diese sei 1952 geboren und in ihrer Person sei ein Grad der Behinderung von 90 festgestellt worden. Die Arbeitnehmerin sei als Callcenter-Agentin seit dem 1. Oktober 2009 beschäftigt. Die wöchentliche Beschäftigung von unter 18 Stunden sei wegen der Art und Schwere der Behinderung notwendig, weil die nachfolgend aufgeführten Erkrankungen vorlägen (Antrag der Klägerin vom 14. Mai 2014, vgl. Blatt 3 und 4 der Verwaltungsakte).
Unter dem 25. Juni 2014 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass gebeten werde, den Sachverhalt für das Kalenderjahr 2013 erneut zu prüfen (vgl. Blatt 1 Rückseite der Verwaltungsakte).
Die Beklagte entsprach dem Antrag der Klägerin teilweise. Die Anrechnung auf einen Pflichtplatz gelte mit Wirkung ab dem 14. Mai 2014. Dem Wunsch auf Anrechnung in der Anzeige zum Schwerbehindertenrecht für das Jahr 2013 könne nicht entsprochen werden. Eine rückwirkende Anerkennung sei nicht möglich (Bescheid vom 4. Juli 2014, vgl. Blatt 8 der Verwaltungsakte).
Die Klägerin legte gegen den Bescheid am 4. Juli 2014 Widerspruch ein (vgl. Blatt 12 der Verwaltungsakte).
Während des Widerspruchsverfahrens teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass bei der Überprüfung der Anzeige Unstimmigkeiten festgestellt worden seien. Die von der Klägerin im Verzeichnis der Schwerbehinderten angegebene Arbeitnehmerin sei aufgrund ihrer geringfügigen Beschäftigung (unter 18 Stunden pro Woche) nicht anrechenbar und hätte gestrichen werden müssen. Falls bis zum 22. September 2014 keine Einwände vorgebracht würden, gehe sie davon aus, dass die Klägerin mit der vorgenommenen Korrektur einverstanden sei (Schreiben vom 1. September 2014, vgl. Blatt 16 der Gerichtsakte).
Die Klägerin widersprach der Streichung (vgl. Blatt 17 der Gerichtsakte).
Sie begründete den Widerspruch gegen den Bescheid vom 4. Juli 2014 im Wesentlichen damit, dass ein Antragserfordernis oder eine in die Zukunft gerichtete Berücksichtigung der gesetzlichen Grundlage nicht zu entnehmen sei.
Die Beklagte half dem Widerspruch dahin ab, dass sie die Anrechnung des Arbeitsplatzes der Arbeitnehmerin ab dem 1. Mai 2014 vornahm und wies den Widerspruch im Übrigen als unbegründet zurück. Die Anrechnung erfolge grundsätzlich mit Wirkung ab dem Monat der Antragstellung. Das Gesetz regele das Verfahren der Anrechnung nur unvollkommen (Widerspruchsbescheid vom 5. März 2015, vgl. Blatt 52 der Verwaltungsakte; Vermerk der Übergabe an die Poststelle fehlt).
Der Frei...