Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitsförderung. Kurzarbeitergeldanspruch. Anzeige des Arbeitsausfalles. Nichtzahlung von Kurzarbeitergeld für einen Zeitraum von 3 Monaten. neuer Leistungsfall. keine Fortgeltung des Anerkennungsbescheides. Anzeigeerfordernis auch bei verordneter Betriebsschließung aufgrund der Corona-Pandemie. Nachsichtgewährung. Treu und Glauben

 

Orientierungssatz

1. Sind seit dem letzten Kalendermonat, für den Kurzarbeitergeld gezahlt wurde, drei Monate vergangen, ist eine erneute Anzeige des Arbeitsausfalls iS des § 99 Abs 1 SGB 3 erforderlich und sogleich endet auf diese Weise auch die Wirkung eines vorherigen, zeitlich über den dreimonatigen Unterbrechungszeitraum hinausgehenden Anerkennungsbescheides nach § 99 Abs 3 SGB 3.

2: Auch im Falle einer staatlich angeordneten Schließung von Betrieben (hier: Friseurbetriebe durch die CoronaVSonderV TH 3) ist die Anzeige des Arbeitsausfalls nach § 99 Abs 1 SGB 3 - etwa iS einer Nachsichtgewährung (vgl LSG Darmstadt vom 16.9.2022 - L 7 AL 193/21 = juris RdNr 34 und LSG Hamburg vom 18.1.2023 - L 2 AL 17/22 = juris RdNr 33 ) oder unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben nach § 242 BGB (vgl BSG vom 14.2.1989 - 7 RAr 18/87 = SozR 4100 § 66 Nr 2) - nicht ausnahmsweise entbehrlich.

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom 11. Januar 2022 wird zurückgewiesen.

2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Im Streit steht die Gewährung von Kurzarbeitergeld (Kug).

Der Kläger betreibt einen Friseursalon; ein Betriebsrat besteht nicht. Mit individualvertraglicher Vereinbarung führte er für die Arbeitnehmerinnen F und U Kurzarbeit ein. Am 23. März 2020 zeigte er ab März 2020 einen Arbeitsausfall für voraussichtlich zwei Arbeitnehmerinnen aufgrund des Coronavirus an. Mit Bescheid vom 30. März 2020 stellte die Beklagte fest, dass wegen der vorgetragenen und glaubhaft gemachten Tatsachen ein erheblicher Arbeitsausfall vorliege und die betrieblichen Voraussetzungen für die Gewährung von Kug erfüllt seien. Kug werde deshalb den von dem Entgeltausfall betroffenen Arbeitnehmern des Betriebs ab 1. März 2020 bis längstens 28. Februar 2021 bewilligt, sofern diese die persönlichen Anspruchsvoraussetzungen erfüllten und alle Anspruchsvoraussetzungen vorlägen. Der Bescheid enthielt unter anderem folgenden Hinweis: „Sind seit dem letzten Monat, für den Kug gewährt wurde, drei Monate verstrichen, so kann Kug nur nach erneuter Erstattung einer Anzeige über Arbeitsausfall gewährt werden ( § 104 Abs. 3 SGB III ).“

Die Beklagte bewilligte zuletzt Kug für den Monat April 2020 (Bescheid vom 18. Mai 2020). Am 2. Februar 2021 beantragte der Kläger für insgesamt drei Arbeitnehmerinnen (wie mit Antrag vom 23. März 2020 und zusätzlich für die Arbeitnehmerin Schäfer) Kug für den Monat Dezember 2020 i.H.v. 1.907,79 Euro (inkl. pauschalierte SV-Erstattung) sowie eine Verlängerung der Kurzarbeit um ein Jahr. Mit E-Mail vom 5. Februar 2021 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass der Bewilligung von Kug für Dezember 2020 die nicht erfolgte rechtzeitige Arbeitsausfallanzeige entgegenstehe. Am 8. Februar 2021 zeigte der Kläger mit Formularen datiert vom 15. Dezember 2020 und 5. Februar 2021 für den Gesamtbetrieb (drei Arbeitnehmerinnen) einen Arbeitsausfall für den Zeitraum Dezember 2020 bis Dezember 2021 an und wies darauf hin, den Antrag bereits am 15. Dezember 2020 übersandt zu haben.

Die Beklagte hob mit Bescheid vom 8. Februar 2021 die Entscheidung über die Bewilligung von Kug ab 1. Mai 2020 auf, da seit dem Monat April 2020 keine Kurzarbeit in Anspruch genommen worden sei. Aufgrund mehr als dreimonatiger Vollarbeit sei für die erneute Inanspruchnahme der Kurzarbeit eine neue Anzeige zum Arbeitsausfall erforderlich. Mit Bescheid vom 10. Februar 2021 stellte die Beklagte fest, dass wegen der vorgetragenen und glaubhaft gemachten Tatsachen ein erheblicher Arbeitsausfall vorliege und die betrieblichen Voraussetzungen für die Gewährung von Kug erfüllt seien. Kug werde deshalb den von dem Entgeltausfall betroffenen Arbeitnehmern des Betriebs ab 1. Februar 2021 bis längstens 31. Dezember 2021 bewilligt, sofern diese die persönlichen Anspruchsvoraussetzungen erfüllten und alle Anspruchsvoraussetzungen vorlägen. Die Anzeige über den Arbeitsausfall sei erst im Februar eingegangen, so dass Kug auch erst ab diesem Monat gewährt werden könne. Mit derselben Begründung lehnte die Beklagte mit weiterem Bescheid vom selben Tag den Antrag auf Kug für den Monat Dezember 2020 ab.

Die Widersprüche des Klägers wies die Beklagte hinsichtlich der Aufhebung der Bewilligung von Kug ab 1. Mai 2020 (Bescheid vom 8. Februar 2021, WS-Az.: …01171/21), hinsichtlich der Ablehnung des Antrags auf Kug für Dezember 2020 (Bescheid vom 10. Februar 2021, WS-Az.: …01172/21) und hinsichtlich des Beginns des neuen Bezugszeitraums ab Februar 2021 (Bescheid vom 10. Februar 2021, WS-Az.: …01173/21) als unbegründet zurück (Wider...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge