Leitsatz (amtlich)
Gewerbetreibenden ist Prozesskostenhilfe unter den gleichen Voraussetzungen wie anderen Parteien zu gewähren.
Zusätzliche Anforderungen, wie z.B. ein generelles Erfordernis zur Bildung von Rückstellungen, andere unternehmerische Entscheidungen oder eine Pflicht zur Vorsorge durch einen allumfassenden Versicherungsschutz, können nicht verlangt werden (entgegen: OLG Nürnberg v. 4.12.2002 - 6 W 3409/02, MDR 2003, 593 = OLGReport Nürnberg 2003, 189; OLG Jena, Beschl. v. 9.9.2005 - 7 W 495/05, n.v.; ebenso: OLG Jena, Beschl. v. 27.6.2005 - 2 W 108/05, OLG-NL 2005, 186).
Verfahrensgang
LG Mühlhausen (Beschluss vom 13.10.2005; Aktenzeichen 6 (5) O 899/03) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten zu 1) wird der Beschluss des LG Mühlhausen vom 13.10.2005 - 6 (5) O 899/03, i.d.F. des Nichtabhilfebeschlusses vom 7.11.2005 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag an das LG Mühlhausen zurückverwiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das LG die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Beklagten zu 1) mit der Begründung abgelehnt, dass dieser nicht bedürftig sei. Da die Klage Ansprüche gegen den Beklagten zu 1) als Gewerbetreibenden betreffe, seien die Kosten der Rechtsverteidigung auch von dem Gewerbebetrieb aufzubringen und falls die Einnahmen hierfür nicht ausreichten, andere unternehmerische Entscheidungen zu treffen. Auch könne im Vorfeld einer denkbaren Klage von einem Gewerbetreibenden eine entsprechende Vorsorge, etwa durch Zahlungen an eine Rechtsschutzversicherung, verlangt werden.
Gegen diesen, seinem Prozessbevollmächtigten am 20.10.2005 zugestellten Beschluss des LG Mühlhausen hat der Beklagte zu 1) mit bei Gericht am 3.11.2005 per Fax eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt.
Mit der Beschwerde vertritt der Beklagte zu 1) die Auffassung, der Umstand, dass er als Vermittler gewerblich tätig sei, stehe der Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht entgegen. § 114 ZPO stelle auf eine "Partei" ab und schließe dabei Gewerbetreibende nicht aus. Im Übrigen könne auch durch den Abschluss einer Rechtsschutzversicherung keine Vorsorge für jede denkbare Klage getroffen werden. So sei insb. der Vertragsrechtsschutz generell ausgeschlossen, dieser aber auch vorliegend bei der negativen Feststellungsklage betroffen.
Das LG hat der sofortigen Beschwerde des Beklagten zu 1) mit Beschl. v. 7.11.2005 (Bl. 179 Rs. d.A.) nicht abgeholfen und diese dem OLG Jena zur Entscheidung vorgelegt. Ergänzend hat es hierbei zur Begründung ausgeführt, Gewerbetreibende seien verpflichtet, entsprechende Rücklagen für Prozesse in der I. Instanz zu bilden.
II. Die sofortige Beschwerde des Beklagten zu 1) ist zulässig, insb. auch form- und fristgerecht bei Gericht eingelegt und begründet worden (§§ 127 Abs. 2 S. 2, 3; 569 Abs. 1 S. 1 ZPO).
Sie hat auch in der Sache dahingehend Erfolg, dass der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag an das LG zurückzuverweisen ist.
Der von dem LG unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des 7. Zivilsenates des OLG Jena (Az. 7 W 495/05) vertretenen Rechtsansicht, nach der eine Bedürftigkeit des Beklagten zu 1) ausscheide, da die Rechtsverteidigung den Gewerbebetrieb beträfe und insoweit Rückstellungen zu treffen seien, oder falls die Einnahmen nicht ausreichen würden, andere unternehmerische Entscheidungen getroffen werden müssten, um die Prozesskosten als Betriebsausgaben aus dem Unternehmen selbst aufzubringen, vermag sich der Senat nicht anzuschließen.
Diese von der Rechtsprechung auch durch das OLG Nürnberg (OLG Nürnberg v. 4.12.2002 - 6 W 3409/02, MDR 2003, 593 = OLGReport Nürnberg 2003, 189) und das OLG Brandenburg (OLG Brandenburg v. 18.6.1996 - 10 WF 121/95, OLGReport Brandenburg 1997, 43 = FamRZ 1997, 681) vertretene Rechtsansicht findet nach Auffassung des Senates in den Vorschriften der §§ 114 ff. ZPO keine Stütze (so auch OLG Jena, Beschl. v. 27.6.2005 - 2 W 108/05, OLG NL 2005, 186). Schon nach dem Wortlaut des § 114 ZPO ist der "Partei" bei Erfüllung der weiteren gesetzlichen Voraussetzungen Prozesskostenhilfe zu gewähren, ohne Unterscheidung danach, ob die Rechtsstreitigkeit den privaten oder den betrieblichen Bereich der Partei betrifft. Auch Sinn und Zweck des Prozesskostenhilferechtes erfordern keine erhöhten Anforderungen an die Bedürftigkeit von Gewerbetreibenden und keine Differenzierung nach der Art des Erwerbseinkommens (so auch OLG Jena, Beschl. v. 27.6.2005 - 2 W 108/05, OLG NL 2005, 186). Schließlich können einem Gewerbetreibenden entgegen der vom LG vertretenen Auffassung auch keine allumfassenden Vorsorgemaßnahmen zur Abwehr jeglicher denkbarer Prozesse zugemutet werden. Abgesehen davon, dass der hierfür erforderliche Aufwand nach Auffassung des Senates nicht zumutbar wäre, kann Versicherungsschutz im Rahmen der allgemein üblichen angebotenen Rechtsschutzversicherungen nicht für alle Rechtsbereiche ...