Entscheidungsstichwort (Thema)

Eine Angelegenheit der elterlichen Sorge ist nicht vergleichsfähig

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Vergleich kommt nur in echten Streitsachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit in Betracht. In Familiensachen kann ein Vergleich z. B. in Ehewohnungs- (§ 200 Abs. 1 FamFG) und in Haushaltssachen (§ 200 Abs. 2 FamFG) geschlossen werden. In die elterliche Sorge betreffenden Kindschaftssachen (§ 151 Nr. 1 FamFG), wozu auch das Verfahren nach § 1630 BGB gehört (Schlemm in: Bahrenfuss, FamFG, 3. Aufl. 2017, § 151, Rn. 3) reicht daher selbst eine familiengerichtlich gebilligte Elternvereinbarung nicht aus, um in den gesetzlichen Sorgestatus eingreifen zu können (OLG Köln, MDR 2013, 795; Keidel/Meyer-Holz, FamFG, 19. Auflage, § 36, Rn. 18).

 

Normenkette

FamFG § 36 Abs. 1 Sätze 2-3, § 156 Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

AG Gotha (Aktenzeichen 23 F 866/17)

 

Tenor

1. Die Vorlageverfügung des Amtsgerichts - Familiengericht - Gotha vom 19.6.2018 - Az. 23 F 866/17 - wird aufgehoben.

2. Das Verfahren wird zur weiteren Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens- unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats an das Amtsgericht - Familiengericht - Gotha zurückverwiesen.

3. Der Beschwerdewert wird auf 3 000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

A. Die Beteiligten haben am 09.05.2018 (Az. 23 F 866/17) vor dem Amtsgericht - Familiengericht - Gotha den nachfolgenden Vergleich geschlossen:

"I. Die Kindesmutter bevollmächtigt Frau D. und Herrn S. M., wohnhaft ..., ...., minderjährige Kind K. J., geboren am 12.10.2016, in folgenden Angelegenheiten allein zu vertreten:

1. Recht zur Antragstellung gegenüber Ämtern, Behörden und Einrichtungen, insbesondere zur Anmeldung in Kindertagesstätten und Schulen sowie zur Stellung von Anträgen auf Familienpflege bzw. Hilfe zur Erziehung gegenüber dem Jugendamt,-

2. Vermögenssorge

3. Gesundheitssorge.

II. Die Kindesmutter ist damit einverstanden, dass das Kind K. J. ihren ständigen Aufenthalt bei dem Ehepaar D. und S. M. hat.

III. Das Ehepaar M. ist verpflichtet, Entscheidungen von erheblicher Bedeutung in vorgenannten Teilbereichen unverzüglich der Kindesmutter schriftlich mitzuteilen. Die Eheleute M. werden die Kindesmutter darüber hinaus alle halbe Jahre mit einem kurzen Bericht schriftlich über die Entwicklung des Kindes informieren.

IV. Die Kindesmutter verpflichtet sich, einen Wohnortwechsel unverzüglich dem Ehepaar M. mitzuteilen und dem Jugendamt, damit die Berichte an die richtige Anschrift geschickt werden können und damit das Jugendamt Kontakt zur Kindesmutter aufnehmen kann.

V. Die Kindesmutter ist nur dann berechtigt, die vorerteilte Vollmacht schriftlich zu widerrufen, soweit die Bevollmächtigten ihrer Informationsverpflichtung nachweislich nicht nachgekommen sind".

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 9.5.2018 den von den Beteiligten geschlossenen Vergleich familiengerichtlich genehmigt, da er dem Kindeswohl am dienlichsten ist.

Gegen den ihren Bevollmächtigten am 18.5.2018 und 22.5.2018 zugestellten Beschluss richtet sich der "Widerspruch" der Kindesmutter vom 12.6.2018, der anführt, es bestehe kein Einverständnis mit der getroffenen Entscheidung. Es sei zuvor nicht erwähnt worden, dass ihre Tochter bei den Großeltern verbleiben solle.

Das Amtsgericht hat mit Verfügung vom 19.6.2018 darauf hingewiesen, dass gegen eine Billigung eines Vergleichs das Rechtsmittel der Beschwerde eröffnet sei und hat das Verfahren dem Senat vorgelegt.

II. Die gemäß § 58 FamFG statthafte Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt. Sie ist auch insoweit erfolgreich, als das Amtsgericht anzuweisen ist, in der Sache eine ausstehende Endentscheidung über die elterliche Sorge einzuleiten.

Der Erlass eines Vergleichsfeststellungsbeschlusses nach §§ 36 Abs. 3 FamFG i.V.m. 278 Abs. 6 ZPO kommt unverändert nicht in Betracht. Die Vorschrift des § 36 Abs. 3 FamFG setzt ausdrücklich als allein tunlichen Gegenstand einer beschlussförmigen Feststellung einen "nach Absatz 1 Satz 1 zulässigen Vergleich" voraus, also einen Vergleich über einen Gegenstand, über den die Beteiligten "verfügen" können. Das aber trifft für die hier bisher streitbegriffene elterliche Sorge nicht zu. Anders als beim Umgang existiert auch keine gesetzliche Sondervorschrift, die den Verfahrensgegenstand - obwohl an sich nicht oder jedenfalls nicht vorbehaltlos disponibel - für vergleichsfähig erklärt. Die Regelung des § 156 Abs. 2 S. 1 FamFG gilt ausdrücklich nur für den Umgang und die Herausgabe, nicht aber für die elterliche Sorge. Dass die Regelung des § 36 Abs. 1 S. 2 FamFG - ebenso wie diejenige des § 156 Abs. 1 FamFG - weiter geht und das Gericht verpflichtet, auch im Sorgerechtsverfahren bzw. sonst in Verfahren mit nicht disponiblen Verfahrensgegenständen, also auch jenseits von Umgangs- und Herausgabeverfahren, auf eine "gütliche Einigung der Beteiligten" - der Gesetzgeber spricht hier bewusst nicht von einem "Vergleich" - hinzuwirken, ist richtig, sagt aber nichts aus über die Anwendbarkeit des ...

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