Leitsatz (amtlich)
1. Eine "Behörde" stellt als solche kein geeignetes Beweismittel i. S. des Strafprozess- bzw. Ordnungswidrigkeiten dar.
2. In der Verweisung auf ein elektronisches Speichermedium als solches liegt keine wirksame Bezugnahme i. S. von § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO vor. Denn bei einer in die Akte eingehefteten CD-ROM handelt es sich um keine Abbildungen, die unmittelbar durch den Gesichts- oder Tastsinn wahrgenommen werden können.
Verfahrensgang
AG Suhl (Entscheidung vom 29.09.2011) |
Tenor
Das Urteil des Amtsgerichts Suhl vom 29.9.2011 wird mit den getroffenen Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Prüfung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an das Amtsgericht Suhl zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Suhl verurteilte den Betroffenen, einen Transportunternehmer, am 29.9.2011 wegen fahrlässigen Verstoßes gegen Sozialvorschriften im gewerblichen Güterverkehr, namentlich gegen die Pflicht, eine Bescheinigung für arbeitsfreie Tage den Fahrern auszuhändigen in acht Fällen zu einem Bußgeld von 500 EUR, gegen die Pflicht, für eine ordnungsgemäße Benutzung des Kontrollgerätes zu sorgen, in zwei Fällen zu einer Geldbuße von 400 EUR und gegen die Pflicht, für die Einhaltung der Vorschriften der EGVO 561/2006 zu sorgen, zu einer Geldbuße von 2.000 EUR.
Gegen dieses Urteil hat der Betroffene am 6.10.2011 Rechtsbeschwerde eingelegt und diese am 9.11.2011 mit der näher ausgeführten Sachrüge begründet.
Die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft beantragt in ihrer Stellungnahme vom 28.12.2011,
das angefochtene Urteil mit den Feststellungen aufzuheben und die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Suhl zurückzuverweisen.
II.
Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat einen (vorläufigen) Erfolg. Der Schuldspruch kann keinen Bestand haben, weil die im Urteil dargestellte Beweiswürdigung die der Verurteilung zugrunde liegenden Feststellungen nicht trägt.
Die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme vom 28.12.2011 dazu ausgeführt:
"Auch im Bußgeldverfahren muss die Beweiswürdigung so beschaffen sein, dass sie dem Rechtsbeschwerdegericht die rechtliche Überprüfung - insbesondere im Hinblick auf mögliche Verstöße gegen Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze - ermöglicht. Das Urteil muss deshalb in der Regel auch erkennen lassen, auf welche Tatsachen das Gericht seine Überzeugungen gestützt hat, wie sich der Betroffene eingelassen hat und ob das Gericht dieser Einlassung des Betroffenen - und warum - folgt oder ob und inwieweit es seine Einlassung für widerlegt ansieht (Seitz in Göhler, Ordnungswidrigkeitengesetz-Kommentar, 15. Aufl., § 71 Rdnr. 43).
Dabei unterliegt die Beweiswürdigung des Tatrichters einer nur eingeschränkten Überprüfung des Rechtsbeschwerdegerichts. Das Rechtsbeschwerdegericht darf die Beweiswürdigung nur auf rechtliche Fehler prüfen, sie aber nicht durch, seine eigene ersetzen. Rechtsfehlerhaft ist die Beweiswürdigung insbesondere, wenn sie in sich widersprüchlich, lückenhaft oder unklar ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 337 Rdnr. 26, 27).
Gemessen an diesen Anforderungen sind die Feststellungen im angefochtenen Urteil des Amtsgerichts Suhl vom 29.09.2011 zur Beweiswürdigung lückenhaft. Hierzu im Einzelnen:
1.
Der Beschwerdeführer wurde zunächst wegen einer Ordnungswidrigkeit gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1a FPersG i.V.m. §§ 21 Abs. 1 Nr. 10, 20. Abs. 2 FPersV verurteilt, weil in den im Urteil unter 1.1 bis 1.8 geschilderten Zeiträumen für die Fahrer ... keine ordnungsgemäß ausgefüllte Bescheinigung vorgelegt wurde über arbeitsfreie Tage bzw. andere Tätigkeiten am Arbeitsplatz oder Tage, an denen keine Fahrzeuge oder nur solche Fahrzeuge gelenkt wurden, für deren Führen eine Nachweispflicht nicht besteht. Nach § 21 Abs. 1 Nr. 10 FPersV handelt ordnungswidrig i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 1a FPersG, wer als Unternehmer vorsätzlich oder fährlässig die dort genannte Bescheinigung nicht vorlegt.
Im Hinblick auf die Beweiswürdigung führt das Urteil aus, dass die festgestellten Verstöße zur Überzeugung des Gerichts hinsichtlich des Tatvorwurfs zu 1. aufgrund der glaubhaften Angaben der Behörde feststünden. Darüber hinaus habe auch der Betroffene sämtliche ihm vorgeworfenen Verstöße nicht in Abrede gestellt (S. 4 UA).
Diesen Wendungen lässt sich nicht entnehmen, wie das Amtsgericht zu der Überzeugung gelangt ist, dass der Betroffene in seiner Eigenschaft als Speditionsunternehmer die in § 20 Abs. 2 FPersV geforderte Bescheinigung zu den unter 1.1 bis 1.8 genannten Zeiträumen für die jeweiligen Fahrer nicht ausgestellt hat.
Eine "Behörde" stellt als solche kein geeignetes Beweismittel i.S.d. Strafprozess- bzw. Ordnungswidrigkeitenrechts dar. Ob das Amtsgericht einen Vertreter des Landesbetriebs für Arbeitsschutz und technischen Verbraucherschutz in der Hauptverhandlung als Zeugen vernommen oder bestimmte von dieser Behörde während des Bußgeldverfahrens gefert...