Entscheidungsstichwort (Thema)

Mord. Anrechnung von Auslieferungshaft

 

Verfahrensgang

LG Erfurt (Beschluss vom 13.06.2003; Aktenzeichen StVK 54/03)

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 14.01.2005; Aktenzeichen 2 BvR 1825/03)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Verurteilten verworfen.

 

Tatbestand

I.

Das Landgericht Mühlhausen verurteilte den Beschwerdeführer am 09.02.1994 (Az. 280 Js …/93 – 3 Ks jug) wegen gemeinschaftlichen Mordes und anderer Taten zu einer Einheitsjugendstrafe von 8 Jahren. Das Amtsgericht Erfurt setzte durch Beschluss vom 25.08.1998 den bis dahin noch nicht verbüßten Strafrest zum 01.09.1998 zur Bewährung aus. Wegen nach diesem Zeitpunkt erfolgter Verurteilungen widerrief das Amtsgericht Erfurt am 28.10.1999 die Aussetzung der Restjugendstrafe. Angesichts der drohenden Strafvollstreckung flüchtete der Verurteilte am 01.12.1999 in die Vereinigten Staaten von Amerika. Am 16.12.1999 erließ das Amtsgericht Erfurt einen Vollstreckungshaftbefehl. Am 07.07.2000 erließ der United States District Court, Eastern District of Washington, einen Haftbefehl zur Vorbereitung des Auslieferungsverfahrens. Am 26.08.2000 wurde der Verurteilte daraufhin in den USA in Gewahrsam genommen. Ein förmliches Auslieferungsverfahren wurde nicht eingeleitet. Am 11.09.2000 gelangte der Verurteilte im Rahmen eines Abschiebeverfahrens wegen unrichtiger Angaben bei seiner Einreise in die USA in Abschiebehaft. Am 29.07.2001 wurde er, begleitet von amerikanischen Beamten, nach Deutschland abgeschoben. Bei seiner Ankunft in Frankfurt wurde er von deutschen Beamten in Gewahrsam genommen.

Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Mühlhausen vom 04.02.2003 beschloss das Landgericht Erfurt am 13.06.2003, dass die durch den Verurteilten in den USA vom 26.08.2000 bis 11.09.2000 erlittene Freiheitsentziehung von 17 Tagen im Anrechnungsmaßstab 1: 1 auf die durch Urteil des Landgerichts Mühlhausen vom 09.02.1994 verhängte Einheitsjugendstrafe von 8 Jahren anzurechnen ist und dass bezüglich der weiteren Freiheitsentziehung in den USA vom 12.09.2000 bis zur Festnahme des Verurteilten durch deutsche Beamte am 29.07.2001 keine Anrechnung auf die verhängte Einheitsjugendstrafe zu erfolgen hat. Gegen den dem Verurteilten am 08.07.2003 zugestellten Beschluss legte der Verurteilte am 11.07.2003 beim Landgericht Erfurt sofortige Beschwerde ein.

Die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme vom 12.08.2003 zu der sofortigen Beschwerde beantragt, die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die gemäß § 462 a Abs. 1, § 462 Abs. 1, § 458 Abs. 1 StPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet.

Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Erfurt hat zu Recht lediglich die durch den Verurteilten in der Zeit vom 26.08.2000 bis 11.09.2000 erlittene Freiheitsentziehung von 17 Tagen auf die durch das Urteil des Landgerichts Mühlhausen vom 09.02.1994 verhängte Jugendstrafe angerechnet und hinsichtlich der weiteren Freiheitsentziehung vom 12.09.2000 bis 29.07.2001 keine Anrechnung vorgenommen.

1. Gemäß § 450 a Abs. 1 StPO ist auf die zu vollstreckende Freiheitsstrafe eine im Ausland erlittene Freiheitsstrafe anzurechnen, die der Verurteilte in einem Auslieferungsverfahren zum Zwecke der Strafvollstreckung erlitten hat. Das gilt auch dann, wenn der Verurteilte zugleich zum Zwecke der Strafverfolgung ausgeliefert worden ist.

Dies trifft auf die 17 Tage Freiheitsentziehung vom 26.08.2000 bis 11.09.2000 zu, so dass insoweit eine Anrechnung auf die Restjugendstrafe zu erfolgen hat. Der von dem Landgericht dabei angewendete Anrechnungsmaßstab von 1: 1 (vgl. § 51 Abs. 4 Satz 2 StGB) ist nicht zu beanstanden und wird auch von dem Beschwerdeführer nicht in Zweifel gezogen.

Demgegenüber erlitt der Beschwerdeführer die Freiheitsentziehung in der Zeit vom 12.09.2000 bis 29.07.2001 nicht in einem Auslieferungsverfahren zum Zwecke der Strafvollstreckung bzw. der Strafvollstreckung und zugleich der Strafverfolgung im Sinne des § 450 a Abs. 1 StPO. Ab dem 12.09.2000 befand sich der Verurteilte nicht mehr in Auslieferungshaft, sondern in Abschiebehaft. An diesem Tage war der Verurteilte der US-Einwanderungsbehörde zur Abschiebung übergeben worden. Allerdings setzt eine Anrechnung nach § 450 a Abs. 1 StPO kein förmliches Auslieferungsverfahren zur Prüfung der Auslieferungsvoraussetzung voraus. Ausreichend aber auch erforderlich ist, dass die behördliche Freiheitsentziehung im Ausland zu dem Zweck veranlasst worden ist, den Verurteilten der deutschen Strafvollstreckung zuzuführen (LR-Wendisch, StPO, 25. Aufl., § 450 a, Rn. 6; KK-Fischer, StPO, 5. Aufl., § 450 a, Rn. 3; Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl., § 450 a, Rn. 2). Das ist hier nicht der Fall gewesen.

Keinesfalls reicht es aus, dass die an dem Verurteilten vollzogene Abschiebehaft faktisch neben seiner Entfernung aus den USA zugleich die Vollstreckung der in Deutschland gegen ihn verhängten Jugendstrafe möglich werden ließ. Der Gesetzgeber hat...

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