Leitsatz (amtlich)
1.
Die unter Verstoß gegen § 111k StPO erfolgte Herausgabe eines sichergestellten Gegenstandes an einen Dritten kann eine entschädigungsfähige Strafverfolgungsmaßnahme darstellen.
2.
Zu den Grenzen des Ausschlusstatbestandes des § 5 Abs. 2 StrEG.
3.
Die Strafgerichte können schon im Verfahren nach § 8 Abs. 1 StrEG die Feststellung der Entschädigungspflicht ablehnen, wenn dem Betroffenen offensichtlich kein Schaden entstanden ist.
Tenor
Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Verurteilten verworfen.
Gründe
I.
In dem Ermittlungsverfahren in vorliegender Sache gegen den Beschwerdeführer und weitere Personen wegen Betruges u.a. ordnete das Amtsgericht Rudolstadt mit Beschluss vom 29.07.2002 die Durchsuchung der Wohn- und Geschäftsräume des Beschwerdeführers sowie die Beschlagnahme einzelner im Beschluss genannter Gegenstände, u.a. einer Herrenarmbanduhr der Marke "Citizen" an, weil der Beschwerdeführer verdächtig war, diese Gegenstände durch Vergehen des Bandendiebstahls, Computerbetruges und Betruges erlangt zu haben.
Aufgrund dieses Beschlusses wurde am 30.07.2002 die genannte Armbanduhr sichergestellt. Die Uhr wurde freiwillig herausgegeben.
Am 28.08.2002 erhob die Staatsanwaltschaft Gera gegen den Beschwerdeführer und die weiteren inzwischen ebenfalls rechtskräftig abgeurteilten Mitangeklagten H. und G. Anklage wegen Diebstahls, Urkundenfälschung, Bandendiebstahles und Betruges in 37 Fällen. Mit dem Tatvorwurf zu Nr. 14 der Anklageschrift wurde dem Beschwerdeführer und den Mitangeklagten G. und H. vorgeworfen, mit einer zuvor entwendeten Visa-Card des Zeugen K. nach dem 26.05.2002 im Juweliergeschäft "G. GmbH" in R. die später sichergestellte Herrenarmbanduhr "Citizen" im Wert von 275,00 EUR gekauft und gegenüber dem Verkäufer wahrheitswidrig vorgespiegelt zu haben, berechtigter Inhaber der Visa-Card zu sein.
Am 18.09.2002 wurde die Armbanduhr auf Veranlassung der Staatsanwaltschaft Gera durch die Polizei an die Fa. G. GmbH R. herausgegeben.
Mit Beschluss vom 20.11.2002 stellte die 5. Strafkammer des Landgerichts Gera das Verfahren gegen den Beschwerdeführer im Hinblick auf den im Anklagepunkt Nr. 14 der Anklageschrift erhobenen Tatvorwurf gemäß § 154 Abs. 2 StPO vorläufig ein.
Am 20.11.2002 verurteilte das Landgericht den Beschwerdeführer in Bezug auf andere in der Anklageschrift bezeichnete Taten wegen schweren Bandendiebstahls in 14 Fällen, davon in einem Fall wegen Versuchs, sowie wegen Computerbetruges in 3 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren und 10 Monaten. Das Urteil ist seit dem 15.05.2003 rechtskräftig.
Nachdem dem Beschwerdeführer mitgeteilt wurde, dass die sichergestellte Armbanduhr inzwischen an die Fa. G. GmbH herausgegeben wurde, beantragte er am 08.11.2004 durch seinen Verfahrensbevollmächtigten Entschädigung wegen des Verlustes der Armbanduhr in Höhe von 275,00 EUR sowie die Erstattung der im vorliegenden Zusammenhang entstandenen Rechtsanwaltsgebühren.
Die 5. Strafkammer des Landgerichts Gera wies den Antrag mit Beschluss vom 29.11.2004 unter Berufung auf § 5 Abs. 2 und § 3 StrEG zurück. Der Beschluss wurde dem Verfahrensbevollmächtigten des Beschwerdeführers am 07.12.2004 zugestellt. Am 14.12.2004 legte der Beschwerdeführer durch seinen Verfahrensbevollmächtigten sofortige Beschwerde ein.
Die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft beantragt in ihrer Stellungnahme vom 04.01.2005,
die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.
II.
Die gemäß § 8 Abs. 3 Satz 1 StrEG statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet.
Dem Landgericht Gera ist darin zu folgen, dass es sich bei der Herausgabe beschlagnahmter Gegenstände um eine entschädigungspflichtige Strafverfolgungsmaßnahme i.S.d. § 2 Abs. 1 StrEG handeln kann (siehe nur BGHZ 72, 302, 303 ff.), weil sich die Herausgabe als eine Auswirkung des Vollzuges der Beschlagnahme, also einer Strafverfolgungsmaßnahme i.S.d. § 2 StrEG, darstellt und mit der Durchführung der Beschlagnahme in untrennbarem Zusammenhang steht.
Der Geltendmachung eines Entschädigungsanspruchs nach dem StrEG steht nicht die Subsidiaritätsregelung in § 2 Abs. 2 Nr. 4 StrEG entgegen. Der Gesetzgeber hat die subsidiäre Geltung des § 2 Abs. 2 Nr. 4 StrEG auf die Fälle beschränkt, in denen für die dort genannten vorläufigen Strafverfolgungsmaßnahmen in einem anderen (formellen) Gesetz eine eigene spezifische Entschädigungsregelung getroffen ist (vgl. BGHZ, a.a.O., S. 308). Eine selche Regelung besteht für Fälle der vorliegenden Art nicht.
Sofern Fehler der Ermittlungsbehörden bei der Rückgabe beschlagnahmter oder sichergestellter Gegenstände Amtshaftungsansprüche oder Ersatzansprüche aus öffentlich-rechtlicher Verwahrung auslösen, treten sie neben etwa bestehende Ansprüche aus verschuldensunabhängiger Staatshaftung nach § 2 StrEG (siehe BGHZ 72, 302, 306).
Nicht unproblematisch ist hingegen die Auffassung des Landgerichts, ein Entschädigungsanspruch sei gemäß § 5 Abs. 2 StrEG ausgeschlossen...