Entscheidungsstichwort (Thema)
Strafverfahrensrecht. Blutentnahme für BAK-Bestimmung. Einwilligung. Wirksamkeit. mögliche Schuldunfähigkeit. Anforderungen an die Einwilligungsfähigkeit eines alkoholisierten Beschuldigten bezüglich der Blutentnahme nach § 81a StPO
Leitsatz (amtlich)
Von einer wirksamen Einwilligung ist bei einer freiwilligen, ernstlichen und in Kenntnis der Sachlage und des Weigerungsrechts erteilten ausdrücklichen Zustimmung des Beschuldigten auszugehen. Dies erfordert, dass der Beschuldigte - auch ohne geschäftsfähig sein zu müssen - Sinn und Tragweite der Einwilligung erfasst. Dabei kommt es nicht darauf an, dass der Beschuldigte die strafrechtlichen Folgen einer Blutalkoholmessung überblickt, sondern, ob er den mit der Blutentnahme verbundenen körperlichen Eingriff und dessen Risiken erfasst.
Normenkette
StGB § 20; StPO §§ 81a, 261
Verfahrensgang
LG Mühlhausen (Aktenzeichen 295 Js 48971/10 5 Ns) |
AG Mühlhausen (Aktenzeichen 295 Js 48971/10 1 Ds) |
Tenor
Die Revision wird auf Kosten des Angeklagten verworfen.
Gründe
I. Durch Urteil des Amtsgerichts Mühlhausen, Zweigstelle Bad Langensalza, vom 12.10.2010 ist der Angeklagte wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr im Zustand verminderter Schuldfähigkeit zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 3 EUR verurteilt worden. Zugleich ist ihm die Fahrerlaubnis entzogen, sein Führerschein eingezogen und die Verwaltungsbehörde angewiesen worden, ihm vor Ablauf von noch zwei Jahren keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.
Auf die hiergegen vom Angeklagten eingelegte Berufung hat das Landgericht Mühlhausen aufgrund der Hauptverhandlung vom 16.5.2011 durch das am selben Tage verkündete Urteil das angefochtene Urteil aufgehoben und den Angeklagten wegen fahrlässigen Vollrausches zu einer Geldstrafe in Höhe von 60 Tagessätzen zu je 4 EUR verurteilt und ihm nachgelassen, die Geldstrafe in Raten zu zahlen. Durch das Urteil wird dem Angeklagten die Fahrerlaubnis entzogen, sein Führerschein eingezogen und die Verwaltungsbehörde angewiesen, ihm vor Ablauf von einem Jahr und 2 Monaten Dauer keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.
Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte durch Schriftsatz seines Verteidigers am 23.5.2011 Revision eingelegt, die er, nachdem seinem Verteidiger das Urteil in vollständig abgefasster Form am 1.6.2011 zugestellt worden war, mit am 1.7.2011 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz seines Verteidigers vom selben Tage mit der näher ausgeführten Verletzung formellen Rechts und der allgemein erhobenen Sachrüge begründet hat.
In ihrer dem Verteidiger des Angeklagten am 29.8.2011 zugestellten Stellungnahme vom 22.8.2011 hat die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft beantragt, die Revision als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.
II. Die nach § 333 StPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Revision des Angeklagten hat in der Sache keinen Erfolg.
Das Urteil des Landgerichts Mühlhausen vom 16.5.2011 hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.
Die auf die Missachtung eines Beweisverwertungsverbots gestützte Verfahrensrüge begründet die Revision nicht.
Weil der Angeklagte in die Entnahme der Blutprobe eingewilligt hatte, war das von ihm mit der Revisionsbegründung monierte Fehlen einer richterlichen Anordnung gem. § 81a Abs. 2 StPO bereits aus diesem Grund entbehrlich.
Der mit der Blutentnahme verbundene Eingriff in die körperliche Unversehrtheit betrifft ein für den Angeklagten disponibles Recht, weshalb es gem. § 81a Abs. 1 Satz 2 StPO bei einer ausdrücklich und eindeutig vom Angeklagten erklärten Einwilligung in die Blutentnahme keiner richterlichen Anordnung der Maßnahme bedarf.
Von einer solchen Einwilligung ist bei einer freiwilligen, ernstlichen und in Kenntnis der Sachlage und des Weigerungsrechts erteilten ausdrücklichen Zustimmung des Angeklagten auszugehen (OLG Bamberg NJW 2009, 2146 m.w.N.). Dies erfordert, dass der Angeklagte - auch ohne geschäftsfähig sein zu müssen - Sinn und Tragweite der Einwilligung erfasst.
Nach den getroffenen Feststellungen lagen die genannten Voraussetzungen vor. Insoweit ist in dem angefochtenen Urteil Folgendes festgestellt:
"Nachdem die Polizeibeamten in Person der Zeugen POM S und POM D vor Ort erschienen waren, begaben sie sich zu dem Fahrzeug des Angeklagten, wo sie ihn sitzend und rauchend antrafen. Sie machten sich an der Fahrertür ihm bemerkbar, stellten sich ihm sodann vor und forderten ihn auf, die Zigarette zu löschen sowie seine Fahrzeugpapiere und Personaldokument vorzulegen. Dieser Aufforderung kam der Angeklagte nach, wobei seine Reaktion sehr verlangsamt und zuweilen unkoodiniert wirkten, seine Augäpfel sahen zudem glasig aus und aus dem Fahrzeug selbst sowie aus seinem Mund war deutlich Alkoholgeruch wahrnehmbar. Sie entschlossen sich, einen Atemalkoholtest durchzuführen, zu dem der Angeklagte auch bereit war und zu dem er einwilligte. Der um 17.45 Uhr durchgeführte Atemalkoholtest ergab einen Wert von 4.02 Promille. Daraufhin belehrten die Polizeibeamten den Angeklagten, dass gegen ihn wegen Trunkenheit...